Geringe Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und eine prekäre Wohnsituation in den Wellblechhütten rund um die Mine: die Arbeiter der Marikana-Mine in Südafrika hatten 2012 allen Grund, in Streik zu treten. Doch statt auf die Forderungen der Streikenden einzugehen oder wenigstens den Dialog mit ihnen zu suchen, entschied sich Lonmin - die Betreiberfirma der Mine - dazu, gewaltsam gegen die eigenen Arbeiter vorzugehen. Für 34 von ihnen endeten die Streiks tödlich, erschossen von der südafrikanischen Polizei. Das Massaker von Marikana hätte ein Weckruf für Geschäftspartner von Lonmin sein können. Es hat gezeigt, dass der Bergwerksbetreiber seine Arbeiter nicht nur schlechter bezahlt als seine Konkurrenten, sondern für seine Profite sogar über Leichen geht. Der deutsche Chemiekonzern BASF bezieht bis heute als einer der Hauptkunden Platin aus der Mine. Dennoch unternimmt der Konzern keine Versuche, Druck auf den neuen Minenbetreiber Sibanye Stillwater auszuüben, damit sich die Bedingungen verbessern. Der Fall zeigt exemplarisch: freiwillig handeln Unternehmen nicht, um Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferkette zu bekämpfen, hierzu braucht es einen gesetzlichen Rahmen!
Was ist seit 2012 vor Ort geschehen?
Die Löhne der Arbeiter in der Marikana-Mine sind seit 2012 tatsächlich gestiegen. Ein existenzsicherndes Niveau haben sie aber bis heute nicht erreicht und so leben die Arbeiter immer noch in informellen Siedlungen rund um die Mine, die weder ans Strom-, noch ans Wassernetz angeschlossen sind. Zudem haben die Gemeinden rund um das Bergwerk weiterhin mit Gesundheits- und Umweltproblemen zu kämpfen, die durch den Bergbau verursacht werden: Zahlreiche Arbeiter klagen über Atemwegserkrankungen, wenn Zugang zu Wasser besteht, ist dieses oftmals verunreinigt. Die Witwen der 34 erschossenen Arbeiter kämpfen bis heute für Entschädigungen oder finanzielle Unterstützung: Zwar haben sie bereits anteilige Entschädigungen vom südafrikanischen Staat erhalten, Lonmin bzw. der Nachfolgekonzern Sibanye weigern sich jedoch weiterhin, die geforderte Entschädigung zu zahlen. Dabei ist die rechtliche Situation eindeutig: dass das Unternehmen eine Mitschuld an dem Massaker hatte, ist von einer staatlichen Untersuchungskommission bestätigt worden.
Der Betreiberwechsel von Lonmin zu Sibanye ist unter Umständen auch Anlass zur Hoffnung: gemeinsam mit der Partnerorganisation Benchmarks Foundation versucht Brot für die Welt bereits seit Jahren, den Dialog zwischen den Minenbetreibern und den Menschen vor Ort herzustellen bzw. aufrecht zu erhalten. Wie Bischof Seoka, der Vorsitzende der Benchmarks Foundation in einem Videostatement für Brot für die Welt erklärt, könnte durch den neuen Betreiber, der weniger belastet in die Verhandlungen geht, ein „Window of Opportunity“ entstehen, um Entschädigungen für die Familien der Opfer zu ermöglichen. Auch sieben Jahre nach dem Massaker kämpfen die Partner von Brot für die Welt deshalb weiter für Gerechtigkeit.
Wie positioniert sich BASF?
Trotz der leisen Hoffnung auf eine Veränderung der Situation durch den Betreiberwechsel, zeigt die schiere Dauer des Prozesses bereits, dass die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen ohne gesetzliche Regelungen hoch kompliziert ist. Auch Bischof Seoka betont: „Bei der Benchmarks Foundation glauben wir, dass es wesentlich strengere gesetzliche Regelungen für Lieferketten von Unternehmen braucht. Firmen neigen dazu, eine Sache zu sagen und die andere zu machen.“
Das gilt nicht nur für den Betreiber der Mine in Südafrika, sondern auch für den deutschen Konzern BASF: Das Chemieunternehmen ist zwar nicht direkt an der Mine beteiligt, war zum Zeitpunkt des Massakers aber ihr größter Kunde und bezieht bist heute Platin im Wert von rund 600 Millionen Euro von dort. Das in Marikana geförderte Platin verwendet BASF zur Beschichtung von Abgaskatalysatoren, die beispielsweise an die deutschen Automobilkonzerne VW, Daimler und BMW weiterverkauft werden.
Auch mit BASF steht Brot für die Welt seit Jahren im Dialog. Im Rahmen der „Plough back the Fruits“ Kampagne fordern wir den Chemiekonzern gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen dazu auf, seiner menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachzukommen. Die Implementierung von einmal angestoßenen Maßnahmen ist jedoch in den vergangenen Jahren immer wieder ins Stocken geraten. Bischof Seoka, der gemeinsam mit Brot für die Welt jährlich die Aktionärsversammlungen von BASF besucht und dort regelmäßig auf die Verantwortung des Unternehmens hinweist, kann dem Prozess trotzdem positive Seiten abgewinnen: „Durch die Gespräche haben wir jetzt ein besseres Verständnis von den Erwartungen des Unternehmens an seine Lieferkette. Dafür waren sie im Grunde sehr hilfreich.“ Gleichzeitig betont Bischof Seoka: „Seit den Gesprächen hat sich jedoch nicht viel geändert. Die Sprache hat sich geändert. Aber vor Ort gibt es seit dem Massaker sehr wenig vorzuweisen, auf das man stolz sein könnte.“
Was würde ein Lieferkettengesetz ändern?
Der Fall des Marikana-Massakers zeigt: Die Aufarbeitung und Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen ist ohne einen gesetzlichen Rahmen extrem langwierig und in hohem Maße abhängig vom guten Willen der beteiligten Firmen. Ein deutsches Lieferkettengesetz könnte hier rechtliche Klarheit schaffen, wie in Zukunft mit ähnlichen Fällen umzugehen ist und dabei helfen, Wiederholungen zu verhindern. Die Tatsache, dass deutsche Unternehmen bisher für Menschenrechtsverletzungen in ihrer Lieferkette keine rechtliche Verantwortung übernehmen müssen, ermöglicht es Konzernen wie BASF, berechtigte Forderungen zu ignorieren und erschwert es den Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen, ihre Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Gemeinsam mit 64 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen fordert Brot für die Welt deshalb die Bundesregierung auf, ein Lieferkettengesetz zu verabschieden. Unterstützen Sie unsere Forderung und unterzeichnen Sie unsere Petition an Bundeskanzlerin Merkel!