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Bonner Friedenstage zur Situation in Syrien

Entwicklungspolitik in Syrien? Humanitäre Hilfe, Wiederaufbau und Friedensförderung vor schwierigen Herausforderungen. Ein Veranstaltungsbericht über eine Podiumsdiskussion im Rahmen der Bonner Friedenstage.

Von Andreas Dieterich am

Einladung Bonner Friedenstag

Text: Laura Wankelmuth/Friedrich - Ebert - Stiftung

Redaktion: Henriette Kiefer/Friedrich - Ebert - Stiftung

Anlässlich des Internationalen Friedenstages lud Brot für die Welt gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt), der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Bonn International Center for Conversion (BICC) zu einer Podiumsdiskussion über die Entwicklungspolitik in Syrien ein. Obwohl immer noch einige Landesteile von Syrien unter Kämpfen zu leiden haben und noch kein Abkommen das Ende der Kampfhandlungen verspricht, hat die Debatte um den Wiederaufbau und die politische Zukunft des Landes längt begonnen. Hier ergeben sich große Herausforderungen. Mehr als fünf Millionen syrische Kinder sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen. Dabei stellt sich auch die Frage, wie Hilfsprogramme gestaltet werden können, damit sie zum einen allen Bevölkerungsteilen zugutekommen und zum anderen nicht das Regime stärken und legitimieren. Auch die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen zählt zu den Herausforderungen denen sich das Land in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, stellen muss.

Die Veranstaltung begann mit einer kurzen Begrüßung des Bonner Bürgermeisters Reinhard Limbach. Direkt zu Beginn machte er darauf aufmerksam, welch ein Privileg es sei, in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung leben zu dürfen. In einer relativ sicheren und gewaltarmen Umgebung aufzuwachsen, sei leider keine Selbstverständlichkeit. Limbach unterstrich, dass Krieg und Frieden jedoch menschliche Entscheidungen seien und es daher wichtig sei, das Wort für den Frieden zu ergreifen. Hier machte er auf die internationale Organisation „Mayors for Peace“ aufmerksam, die sich der Friedensarbeit verschrieben habe und zu deren Mitgliedern seit 2009 auch die Stadt Bonn gehöre. Darüber hinaus sei das Thema Frieden und Friedenssicherung in der Stadt Bonn auch immer wieder durch Konferenzen der UN präsent. Mit einem Verweis an Beeethovens Europahymne „Ode an die Freude“ und dem damit verbundenen Wunsch alle Menschen sollten Brüder und Schwestern werden, übergab Limbach das Mikrophon an Susanne Heinke vom BICC. Auch von ihrer Seite erfolgten einige einleitende Worte zur Veranstaltung, in welcher sie auch das Engagement der Stadt für „Mayors of Peace“ als nicht selbstverständlich würdigte. Gleichzeitig machte sie nochmals auf die Entstehung des 21. Septembers als internationalen Friedenstag aufmerksam. Dieser beruhe auf einer 2001 von der Generalversammlung der UN beschlossenen Resolution wonach an diesem Tag jedes Jahr alle Kampfhandlungen ruhen sollen, Hilfsorganisationen der Zugang in Kampfgebiete gewährleistet werden soll und Friedensverhandlungen ohne gleichzeitige Kampfhandlungen geführt werden sollen. Leider, so konstatierte sie, schwiegen und schweigen die Waffen nicht. Umso wichtiger sei es daher, die Friedensarbeit aktiv voranzutreiben. Im Anschluss an die beiden einleitenden Redner_innen stellte Moderatorin Dr. Elke Grawert vom BICC die Podiumsgäste vor. Neben Dr. Salman Said, syrische Wirtschaftswissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin, Ralf Südhoff, Politikwissenschaftler und Direktor des Centre for Humanitarian Action und Serdar Yüksel, Mitglied des Landtages NRW und Mitglied im Aufsichtsrat der UNO-Flüchtlingshilfe, waren auch syrische Stipendiat_innen von Brot für die Welt und der FES geladen, welche die Diskussion mit Kurzbeiträgen ihrer eigenen Erfahrungen bereicherten.

Dr. Said nannte als erste Rednerin auf dem Podium direkt einige Punkte, deren Kenntnis wichtig sei, um die aktuelle Situation in Syrien besser einschätzen zu können. So sei es wichtig zu wissen, dass der Krieg in Syrien noch andauere und immer noch Bombardierungen stattfänden. Zusätzlich gebe es neben Assad und der Opposition noch viele weitere Konfliktebenen wie beispielsweise innerhalb der Milizen von Assad oder auch das türkische Militär. Dies führe dazu, dass das Land von unterschiedlichen Mächten kontrolliert werde und quasi geteilt sei. Welche Auswirkungen hieraus erfolgen, könne auch an der sozioökonomischen Lage gesehen werden, welche zwischen einzelnen Regionen oder sogar Bevölkerungsteilen in einer Region stark schwanke. Generell sei jedoch eine Abhängigkeit von ausländischen Überweisungen zu verzeichnen und somit stelle sich auch die Frage, wer den Wiederaufbau eigentlich finanziere. Als Antwort auf die Frage wo und wie Angriffe auf die Zivilbevölkerung stattfänden, nannte Said vor allem die Infrastruktur, Krankenhäuser und Schulen als Orte gezielter Zerstörung. Neben der Belagerungstaktik habe die Bevölkerung auch unter gesetzlichen Regelungen wie dem Enteignungsgesetz zu leiden. Dabei verlören flüchtende Menschen jegliche Rechte an ihrem Haus und benötigten für den neuen Hausbau eine Genehmigung des Geheimdienstes. Said forderte daher, die Friedensförderung solle ihren Fokus auf die Bildung und Gesundheit legen und neben Strukturprojekten vor allem lokale Initiativen weiterhin unterstützen. Assad sei für Stabilität nicht der richtige Partner, da er den Aufbau nur für den wohlhabenden Teil der Bevölkerung unterstütze wie beispielsweise durch den Bau von Luxuswohnungen. Auch sei er gar nicht an einer Rückkehr der geflüchteten Menschen interessiert, da er eine Homogenisierung der Bevölkerung anstrebe.  

Südhof verwies zu Beginn seines Beitrages auf den Film „For Sama“ des Human Rights Film Festivals in Berlin, welcher die Geschichte einer jungen Mutter im kriegsgebeutelten Aleppo erzählt. Der Film veranschauliche das Leid der Menschen in Syrien. So seien in der syrischen Stadt Idlib allein seit April 36 Krankenhäuser von Russland angegriffen worden. Außerdem kritisierte er, dass humanitäre Hilfe immer wieder durch Antiterrorgesetze behindert werde. So dürfe teilweise keine medizinische Hilfe in Flüchtlingslanger gebracht werden, da es dort zu einem Kontakt mit IS-Kämpfern kommen könnte. Die unmenschlichen Zustände in den Lagern förderten jedoch die (Re-)Radikalisierung von Kindern ehemaliger IS-Kämpfer. Auch machte er auf das große Dilemma aufmerksam, dem sich ausländische Regierungen ausgesetzt sähen: Niemand wolle das politische Regime unterstützen, aber gleichzeitig seien bis zu 13 Millionen Syrer auf Hilfe angewiesen. Das führe dazu, dass niemand nachhaltige Unterstützung biete, wie z.B. den Aufbau von Trinkwassersystemen, sondern immer nur Nothilfe leiste wie die Lieferung von Wasserkanistern. Doch wie lange wolle man diese Hilfe noch fortsetzen? Wenn europäische Institutionen an einer unparteiischen humanitären Hilfe festhalten wollten, sei es wichtig die Interessen der einzelnen Gruppen zu betrachten. Eventuell müsse man hier auch an einen Deal mit Assad denken, der die Unterstützung des Wiederaufbaus im Gegenzug zu einer Einwilligung in einen Friedensprozess beinhalte. Klar sei jedoch, dass dieser Prozess nicht von heute auf morgen vorbei ist und syrische Flüchtlinge noch lange hier in Deutschland bleiben werden.

Als dritter Podiumsgast kritisierte Yüksel zunächst die Bezeichnung Bürgerkrieg im Syrienkonflikt. Damit werde die Interessenslage von Mittel- und Großmächten wie der Türkei, Saudi-Arabien, den USA und Russland vernachlässigt. Er stellte außerdem fest, wer behaupte, man könne in diesem Konflikt zwischen Gut und Böse unterscheiden, verkenne die komplizierte und differenzierte Lage. Es handle sich dabei schon lange nicht mehr nur um einen innersyrischen Konflikt, daher sei er auch nicht nur innersyrisch zu lösen. Bei der Frage nach der Rolle syrischer Flüchtlinge bei der Aufarbeitung der Kriegsverbrechen verwies Yüksel auf den Internationalen Strafgerichtshof als Ansprechpartner für solche Gräueltaten. Dieser müsse eine effektive Verfolgung der Kriegsverbrecher auf beiden Seiten vorantreiben. Individuelle Verbrechen müssten vor nationalen Gerichten geahndet werden. Er betonte außerdem, dass es keinen Frieden ohne Assad oder anderen der herrschenden Klasse geben könne. Friede mache man mit seinen Feinden und nicht mit seinen Freunden. Desweiteren warnte Yüksel vor einer westlichen Überheblichkeit, welche das eigene System als das einzige Wahre ansehe und dabei unterschiedliche Rahmenbedingungen oder Ausgangslagen ignoriere. Statt auf einen gewaltsamen Regimesturz setze er auf Dialoge und Wandel durch Annäherung. Die Überlegung einzelner deutscher Politiker syrische Flüchtlinge langsam wieder in ihr Heimatland zurückzuschicken, bezeichnete Yüksel als völlig illusorisch.

Das breite Spektrum der Probleme und Lösungsansätze wurde auch durch die Kurzbeiträge der syrischen Stipendiat_innen deutlich. Während einige ganz klar die Regierung und Assad als die Ursache des Problems ansahen und einen Frieden mit Assad für unmöglich hielten, waren andere wie Yüksel der Meinung, Frieden müsse durch Dialog entstehen und die gegenseitige gewaltsame Bekämpfung müsse ein Ende nehmen. Dabei kamen sie jedoch überein, dass insbesondere der Wiederaufbau von Schulen eine besondere Priorität einnehmen müsse, da es die neue Genration sei, welche das Land wieder aufbauen werde.

Die Veranstaltung endete schließlich mit einer offenen Fragerunde, an welcher sich das Publikum rege beteiligte und die Möglichkeit hatte, spezifische Fragen an die einzelnen Expert_innen des Podiums zu stellen, bevor der Abend bei einem Imbiss ausklang.

Unten finden Sie das Programm der Bonner Friedenstag und der Podiumsdiskussion zum Herunterladen.

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