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Das Urteil im Fall Heckler & Koch und die Folgen

Welche Konsequenzen müssen aus dem Urteil im Fall Heckler & Koch für die deutsche Rüstungsexportkontrolle gezogen werden und wie wird das Urteil in Mexiko aufgenommen. Bericht von Melanie Bleil und Andreas Dieterich über die Podiumsdiskussion vom 02. April 2019.

Von Andreas Dieterich am

Podiumsdiskussion

Am 21. Februar fand die Urteilsverkündung im Prozess vor dem Stuttgarter Landesgericht gegen fünf Mitarbeitende von Heckler & Koch im Bezug auf illegale Waffenlieferungen nach Mexiko statt. In erster Instanz wurden dabei eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter von Heckler & Koch zu Bewährungsstrafen verurteilt. Vom Waffenhersteller Heckler & Koch wurde der Verkaufspreis der Gewehre in Höhe von 3,7 Millionen Euro eingezogen. Die verurteilten ehemaligen Mitarbeitenden sowie die Staatsanwaltschaft und der Waffenhersteller als Nebenbeteiligter haben nun Revision gegen das Urteil eingelegt.

Zusammen mit dem Besuch von Santiago Aguirre, Direktor der mexikanischen Partnerorganisation „Centro de Derechos Humanos Miguel Agustín Pro Juárez A.C.“ wollten die veranstaltenden Organisationen dies zum Anlass nehmen, um gemeinsam mit Experten das Urteil hinsichtlich seiner Bedeutung für die Betroffenen Menschen des Falles „Ayotzinapa“ in Mexiko zu beleuchten und seine Auswirkungen auf die deutsche Rüstungsexportkontrolle zu beurteilen.

„Unerträglich“ seien die Folgen deutscher Rüstungsexporte

Prälat Dr. Martin Dutzmann, der Bevollmächtigte des Rates der EKD und evangelischer Vorsitzender der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), machte in seinem einführenden Input auf eindrückliche Weise den Zusammenhang zwischen illegalen deutschen (Klein-) Waffenexporten und den Auswirkungen auf die betroffenen Menschen deutlich. Er erzählte von seinen bewegenden Begegnungen im Rahmen einer Reise nach Mexiko mit Überlebenden und Angehörigen des brutalen Überfalls auf Lehramtsstudenten der Hochschule von Ayotzinapa. Dort waren nach einem Polizeieinsatz in der Nacht des 26. September 2014 sechs Tote und circa 40 zum Teil schwer Verletzte zu beklagen. Weitere 43 Studierende sind bis heute „verschwunden“. Für den Prälaten sei „die Begegnung mit den Angehörigen fast unerträglich“ geworden, als klar wurde, „dass bei diesem Massaker auch Waffen eingesetzt worden waren, die aus Deutschland stammen.“ Er begrüßte es daher, dass sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vom Frühjahr 2018 dazu verpflichtet hat, den Export von Kleinwaffen in sogenannte Drittstaaten (die wie Mexiko weder der EU noch der NATO angehören) grundsätzlich zu stoppen. Die GKKE fordere aber darüber hinaus, dass die Bundesregierung endlich ein restriktives und verbindliches Rüstungsexportkontrollgesetz vorlegen sollte. Denn, so führte er weiter aus, der Krieg im Jemen zeige in aller Deutlichkeit, dass auch dort weiterhin mit Waffen aus Deutschland das humanitäre Völkerrecht verletzt werde.

Fehlende Aufklärung in Mexiko

Daran anschließend berichtete Santiago Aguirre von seinem Kampf gegen die Straflosigkeit in Mexiko. Seine Organisation, das Menschenrechtszentrum Miguel Agustin Pro Juárez, begleitet den Fall Ayotzinapa. Dabei unterstützt die Partnerorganisation von Brot für die Welt nicht nur die  Familienangehörigen der 43 verschwundenen Studenten, sondern begleitet auch die Familie  des im Koma liegenden Studenten, Aldo Gutierrez, der wahrscheinlich von einer Heckler & Koch Waffe angeschossen wurde. Man könne es bisher nicht beweisen, dass das Projektil, dass einen Großteil von Aldos Gehirn zerstörte, aus einer Waffe von Heckler & Koch stamme, führte Aguirre aus, auch weil die Polizei selbst Beweise am Tatort habe gezielt vernichtet habe. Dennoch war es mit Hilfe eines deutschen Journalisten gelungen, den Einsatz der G36-Gewehre des schwäbischen Waffenherstellers in der Nacht vom September 2014 nachzuweisen. In enger Zusammenarbeit zwischen mexikanischer und deutscher Zivilgesellschaft konnte so die enge Verbindung der Waffenexporte von Heckler & Koch und dem Fall Ayotzinapa aufgezeigt werden.

Dennoch war bei einer Reise des Centro Pro mit dem Bruder von Aldo Gutierrez im September 2018 deutlich geworden, dass die Opferperspektive im Prozess gegen Heckler & Koch fehlt. Aguirre zeigte sich dennoch zufrieden mit dem Urteil, denn in Mexiko sei es bisher zu keiner einzigen Verurteilung von Straftätern gekommen. Bis heute ist das Schicksal der 43 Verschwundenen ungeklärt. Der mexikanische Staat versuche sich zwar in einer Erklärung des Tathergangs, diese konnte aber von zivilgesellschaftlichen Organisationen und internationalen Expert*innen wiederlegt werden. Wie genau die G36-Gewehre von den Militärs an die lokale Polizei in die von der Exportgenehmigung ausgenommenen Bundesstaaten weitergegeben wurde, ist ebenfalls unklar. Hier erhoffen sich die mexikanischen Opferanwälte nun konkretere Erkenntnisse aus dem deutschen Urteil gegen Heckler & Koch. Auch dies bleibt nach dem Verfahren gegen den Waffenhersteller eine offene Frage: der Vertriebsmitarbeitende von Heckler & Koch in Mexiko wurde nicht verurteilt und weilt weiterhin im Land.

Debatte um die deutsche Rüstungsexportkontrolle

Nach diesem ersten Teil der Veranstaltung, in dem die Sicht der von deutschen Waffenexporten betroffenen Menschen im Fokus stand, sollte in einem zweiten Teil die Auswirkungen dieses Urteil auf die deutsche Rüstungsexportkontrolle betrachtet werden. Dazu waren auf dem Podium Karl-Heinz Brunner, Bundestagsmitglied der SPD Fraktion und Ob-Mann im Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung, Dr. Christian Schliemann, Legal Advisor beim European Center for Constitutional and Human Rights und Dr. Max Mutschler, Senior Researcher beim Bonn International Center for Conversion und Co-Vorsitzender der GKKE Fachgruppe Rüstungsexporte eingeladen das Urteil einzuordnen und dessen Folgen zu bewerten.

In der Debatte stand das Gerichtsverfahren gegen Heckler & Koch im Mittelpunkt, auch weil es deutliche machte, welche Defizite bei der Endverbleibskontrolle von Rüstungsexporten herrsche und wie intransparent die Vergabe von Exportgenehmigungen verläuft. So brauchte es engagierte Anwälte aus der Zivilgesellschaft, die das Verfahren ins Rollen brachten, wie Christian Schliemann betonte. Einig waren sich die Panellisten darin, dass die deutsche Rüstungsexportkontrolle verschärft werden muss und bisher nicht ausreichend sei. Auf Seiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, bei dem die Entscheidungen über Rüstungsexportgenehmigungen angesiedelt sind, scheint es jedoch bisher keinen Regelungsbedarf zur Genehmigung von Rüstungsexporten und der Verbesserung der Endverbleibskontrolle zu geben. Die SPD möchte bis zum Sommer einen Entwurf für ein Rüstungsexportkontrollgesetz erarbeiten. MdB Brunner betonte, dass dieses Vorhaben bereits im Koalitionsvertrag festgehalten sei und dass der deutsche Bundestag stärker an der Kontrolle von Rüstungsexporten beteiligt werden sollte. Gerade die Endverbleibskontrolle von Rüstungsgütern wurde auf dem Podium angeregt diskutiert. Max Mutschler machte dabei konkrete Vorschläge, wie Kontrollen vor Ort besser durchgeführt werden könnten und forderte, dass bei Verstößen gegen die Endverbleibskontrolle keine weiteren Rüstungsgüter aus Deutschland in das entsprechende Land mehr exportiert werden sollten.  

Signal der Hoffnung

Am Ende der Veranstaltung erklärte Santiago Aguirre noch einmal, dass das Urteil für die Betroffenen in Mexiko ein „Signal der Hoffnung“ sei, dass die Straflosigkeit auch in diesem Bereich bekämpft werden kann und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden können. Ob es das Urteil auch ein Signal der Hoffnung für eine restriktivere und verbindliche deutsche Rüstungsexportkontrolle sein wird, bleibt abzuwarten.

Mit dieser Veranstaltung schließen die Veranstalter an eine erfolgreiche Podiumsdiskussion von Brot für die Welt, der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko und dem ECCHR vom 27. September 2018 unter dem Titel „Deutsche Waffe in Mexiko“ an.  

Dieser Bericht wurde von Melanie Bleil und Andreas Dieterich verfasst.

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