Das Weltwirtschaftsforum (WWF) endete heute mit einem Paukenschlag. Wichtigstes Thema des diesjährigen Treffens in Davos war die Digitalisierung. Klaus Schwab, Initiator und Geschäftsführer des WWF, hatte im Vorfeld des Forums noch einmal eindrücklich dafür plädiert, die Digitalisierung gemeinsam zu gestalten. Andernfalls bestehe die Gefahr einer weiteren Vertiefung des digitalen Grabens und einer Zunahme gesellschaftlicher Konflikte.
Am zweiten Tag des Treffens hatten sich führende Politiker, unter ihnen Bundeskanzlerin Merkel und der japanische Premierminister Abe, für die Einrichtung von Global Governance Strukturen ausgesprochen. Die Vorstellungen über die inhaltliche Ausrichtung liegen jedoch weit auseinander. Während einige Staaten für eine Liberalisierung des digitalen Handels eintreten, fordern andere eine bessere Kontrolle der großen Tech-Konzerne, Schutz der Privatsphäre oder soziale Gerechtigkeit.
Zum Abschluss des Treffens gab eine Gruppe von 76 Staaten, darunter EU, USA, Japan – die sogenannten Freunde des E-Commerce – eine Erklärung ab, wonach sie im Laufe dieses Jahres Verhandlungen über ein Handelsabkommen aufnehmen. Die erste Verhandlungsrunde ist bereits für den März 2019 geplant. In dem Abkommen soll es vor allem darum gehen, Unternehmen den Zugang zu ausländischen Märkten zu erleichtern, um digitale Güter wie Software und Dienstleistungen einfacher absetzen zu können. Außerdem soll ihnen der freie Zugriff auf den wichtigsten Rohstoff des 21. Jahrhunderts unumschränkt gewährleisten werden: Daten.
Wir brauchen eine – faire – Gestaltung
Brot für die Welt unterstützt die Idee, politische Rahmenbedingungen zur Gestaltung der Digitalisierung aktiv voranzutreiben. Brot für die Welt hat dazu bereits erste Forderungen aufgestellt. Allerdings darf die Neuregelung der digitalen Wirtschaft nicht zu Lasten der Staaten des Südens gehen. Anstelle einer weiteren Liberalisierung benötigen ihre Gesellschaften vielmehr eine aktive Gestaltung des digitalen Strukturwandels mit dem Ziel, Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen, wie es auch die UNCTAD in ihrem letzten Bericht fordert. Andernfalls werden die Entwicklungsländer auch zukünftig nur das konsumieren, was andere produzieren. Schon jetzt können wir beobachten, dass die Entwicklungsländer beim Handel mit digitalen Gütern eine negative Handelsbilanz aufweisen.
Das Geschäft mit den Daten wird gegenwärtig von einigen wenigen globalen Akteuren dominiert, die vor allem aus den USA und China kommen. Die Ankündigung in Davos, den freienDatenfluss durch ein Handelsabkommen völkerrechtsverbindlich zu garantieren, nimmt der Staatengemeinschaft die Möglichkeit, diesen Bereich zukünftig zu regulieren. Facebook, Google, Alibaba und die anderen digitalen Plattformen haben allen Grund zu feiern. Die Bundesregierung und die EU Kommission müssen sich allerdings fragen lassen, wie sie die Digitalisierung sozialverträglich gestalten wollen, wenn sie die Zügel zur Gestaltung so fahrlässig aus der Hand geben. Angela Merkel selbst hatte bei ihrer Rede in Davos noch klargestellt, dass weder der US-amerikanische noch der chinesische Ansatz für die Europäer funktioniere. Da in Europa „Privatsphäre und soziale Gerechtigkeit einen hohen Stellenwert genießen“, so Merkel.
Blockbildung statt Multilateralismus
Die meisten afrikanischen Staaten distanzierte sich in Davos ausdrücklich von dem Handelsabkommen Der Vertreter Südafrikas, Cyril Ramaphosa, unterstrich beim WWF noch einmal die Notwendigkeit, die großen Technologie-Konzerne zu kontrollieren. Beim kommenden Treffen der Afrikanischen Union, Anfang Februar 2019 in Addis Abeba, werde diese Forderung ganz oben auf der Agenda stehen.
Zahlreiche andere Entwicklungsländer warfen den sogenannten Freunden des E-Commerce außerdem vor, ihnen fehle für die Verhandlungen über ein Handelsabkommen ein entsprechendes Mandat durch die Welthandelsorganisation WTO und deren 164 Mitgliedstaaten.
China wird sich ebenfalls nicht an den Verhandlungen über ein Handelsabkommen beteiligen. Das Reich der Mitte begrüßt zwar eine Liberalisierung des Handels mit digitalen Gütern (in diesem Bereich ist China – mit Abstand – Weltmarktführer, noch weit vor den USA!) und Dienstleistungen; der Datenverkehr soll, nach Ansicht Chinas, hingegen nicht Bestandteil eines Handelsabkommens sein. Damit vertieft sich die Blockbildung im Handelsregime: ‚westliche Welt‘ versus China. Und der Handelskrieg zwischen Trump und Xi wird durch eine neue Komponente angeheizt: Daten.
Vor knapp zwei Jahren schrieb der Economist: "Die Welt ist seit Jahrzehnten gekennzeichnet vom Konflikt über die Kontrolle des Erdöls. Gegenwärtig macht sich niemand Sorgen, dass Kriege um Daten geführt werden könnten. Dabei biete die Datenökonomie das gleiche Konfliktpotenzial wie das Erdöl."
Damit dies nicht geschieht, setzt Brot für die Welt sich zusammen mit seinen Partnerorganisationen und der Just Net Coalition in einer gemeinsamen Stellungnahme für eine andere, faire Digitalisierung ein.