Vom eindrücklichen Appell zur gemeinsamen Resolution
Denis Mukweges erstes Podium am Kirchentag in Dortmund findet weit entfernt von den Hauptveranstaltungsorten statt. Mukwege spricht in der Reinoldikirche in der Dortmunder Innenstadt über seine Arbeit mit vergewaltigten Frauen und Mädchen in der Demokratischen Republik Kongo.
Viele der Menschen, die in der vollbesetzten Kirche dicht aneinander sitzen und der kraftvollen Stimme von Denis Mukwege zum ersten Mal zuhören, treffen nicht nur den Gynäkologen Mukwege, der in seiner Klinik in Bukavu seit 20 Jahren vergewaltigte Frauen und Mädchen operiert, um ihnen eine Chance auf körperliche und auch seelische Heilung zu geben. Sie treffen auch den Aktivisten, der sich weltweit für die Anerkennung systematischer Vergewaltigung als Kriegswaffe einsetzt und nicht müde wird, die Weltgesellschaft daran zu erinnern, welche Verbrechen in seinem Land seit den 1990er Jahren begangen werden, ohne dass Opfer gehört und Täter bestraft werden.
Ein Sprachrohr für die Betroffenen
Denis Mukwege redet, wo sonst Sprachlosigkeit herrscht. Er redet über Grausamkeiten, die illustrieren wie Vergewaltigung als Waffe wirkt: eine Waffe, die mit universellen gesellschaftliche Normen bricht, eine Waffe, die das soziale Gefüge von Gemeinschaften zerstört. Am Ende betont Mukwege, dass die jahrzehntelange Verletzung weiblicher Körper tiefe Risse in der Gesellschaft seiner Heimat hinterlassen hat.
Mukwege ist nicht alleine in die Reinoldikirche gekommen, er wird begleitet von einer jungen Professorin aus Bukavu. Germaine Furaha, die ein nach ihm benanntes Zentrum an der Universität in Bukavu leitet, begleitet ihn. Das Zentrum, das von Brot für die Welt unterstützt wird, erforscht Gewaltursachen und will so zu einem Wandel in der Gesellschaft beitragen.
Die Veranstaltung mit Mukwege ist zu Ende, eine internationale Gruppe von Brot für die Welt Stipendiatinnen und Stipendiaten kann sich nur schwer lösen. Mukwege steht zwischen ihnen lächelnd. Er spricht mit jedem einzelnen, lässt sich fotografieren, erfragt ihr Herkunftsland. Man spürt, dass Denis Mukwege die Menschen in der Reinoldikirche bewegt hat.
Standing Ovations im Goldsaal
Am Freitag spricht der Friedennobelpreisträger über globale Zusammenhänge von sexueller Gewalt und Menschenrechtsverletzungen im Kongo. Er beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Interessen von Bergbaukonzernen und Arbeitsbedingungen in den Minen. Auch im Bergbau seien Frauen und Kinder in besondere Weise von Gewalt und Ausbeutung betroffen. Mukwege spricht von der Versklavung tausender Frauen und Kinder im Kontext von Abbau von Rohstoffen wie Cobalt und Coltan.
Wie in der Reinoldikirche verfolgen die Menschen im Saal Denis Mukweges Ausführungen mit größter Aufmerksamkeit. Mukwege spürt, auf dem Kirchentag in Dortmund Verbündete für seinen Kampf gefunden zu haben. Anstelle eines Schlusswortes lanciert er schließlich einen Appell: Er ruft seine Zuhörerschaft dazu auf, sich solidarisch mit den Menschen im Kongo zu zeigen. Als er versucht den Raum zu verlassen, begleitet vom Rhythmus hunderter klatschender Menschen, war der Wunsch der Zuhörer und Zuhörerinnen mit ihrer Stimme ein Teil der Bewegung für Frieden und Gerechtigkeit im Kongo zu werden, bereits allgegenwärtig.
Resolution und Unterschriftsammlung auf dem Kirchentag
Diese Solidarität bewegt Denis Mukwege wenig später dazu, seine Forderungen niederzuschreiben und gemeinsam mit den Teilnehmenden des Kirchentages eine Resolution auf den Weg zu bringen. Am Freitag kurz vor Mitternacht hat er einen Text verfasst, der bereits wenige Stunden später auf dem Gelände der Dortmunder Westfalenhalle durch hunderte und dann in den folgende Tagen in Tübingen und Stuttgart durch tausende Hände geht. Obwohl es zu spät für eine offizielle Resolution des deutschen Kirchentages ist, ist die Botschaft von Denis Mukwege angekommen: Ohne unseren Einsatz als Bürger und als Verbraucher wird sich die Spirale der Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo immer weiter drehen.
Denis Mukwege hat Wunder bewirkt: Er hat tausende Frauen und Mädchen an Körper und Seele geheilt und es ist ihm gelungen, diese verletzbaren Menschen in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit zu rücken.
Für seinen unermüdlichen Kampf gegen sexualisierte Gewalt und für Frieden in der Demokratischen Republik Kongo braucht er die Unterstützung von Regierungen und Kirchen. Mit der Unterzeichnung der Resolution haben sich bereits mehrere tausend Menschen entschieden, für einen gerechten Frieden in der Demokratischen Republik Kongo einzustehen.