Die ersten Ergebnisse des Monitorings des Nationalen Aktionsplans (NAP) Wirtschaft und Menschenrechte liefern ein desaströses Bild, was die Beachtung von Menschenrechtsvorgaben durch deutsche Unternehmen angeht. Trotz der schwachen Methodik des Monitorings, der geringen Anforderungen und dem Umstand, dass sich an der Umfrage vor allem Unternehmen beteiligt haben dürften, die sich für Menschenrechte interessieren, lag die Erfüllerquote bei nur 20%. Das angestrebte Ziel, dass bis 2020 mindestens die Hälfte der großen deutschen Unternehmen auf freiwilliger Basis Menschenrechtsstandards beachtet, liegt damit in unerreichbarer Ferne. Vertreter*innen der Bundesregierung, die skeptisch gegenüber verbindlichen Regelungen zum Schutz von Menschenrechten sind, gehen langsam die Argumente aus. Aber der Reihe nach:
Das Monitoring als Kompromiss
Schon während der zweijährigen Erarbeitungsphase des NAP Wirtschaft und Menschenrechte war eine gesetzliche Unternehmensverantwortung im Gespräch. Insbesondere NGOs hatten von Anfang an deutlich gemacht, dass die Erfahrung zeige, dass Unternehmen freiwillig nicht genug tun, um Menschenrechtsverletzungen entlang von Lieferketten zu verhindern. Als der NAP im Dezember 2016 von der Bundesregierung verabschiedet wurde, war darin allerdings nur die "Erwartung" zu finden, dass Unternehmen Menschenrechte achten. Verbindliche Regelungen waren auf Druck der Wirtschaftsverbände und des Finanzministeriums gestrichen worden. Einziges verbindliches Element, auf das man sich in dem Zusammenhang hatte einigen können, war die Zielvorgabe, dass bis 2020 mind. die Hälfte der großen deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden die Menschenrechtsvorgaben des NAP erfüllen. Untersucht werden sollte das ab 2018 im Rahmen eines sogenannten Monitorings. Bei einer geringeren Erfüllerquote werde man gesetzgeberisch aktiv, so der NAP.
Verwässert & Verzögert
Mit der Durchführung des Monitorings wurde 2018 der wirtschaftsnahe Bewerber Ernst & Young ausgewählt (im Konsortium mit Systain, focusright und adelphi) und NGOs kritisierten die Methodik als schwach, da sie im Wesentlichen eine Überprüfung der Selbstauskünfte von freiwillig an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen vorsah. Trotzdem versuchte das Wirtschaftsministerium (BMWi) erhebliche Abschwächungen der Methodik durchzusetzen wie eine höhere Fehlertoleranz und hatte damit teilweise Erfolg: Unternehmen, die bei der Befragung angeben, bestimmte Anforderungen "bald" zu erfüllen, werden zunächst nicht als "Nicht-Erfüller" gewertet. Die Quote der "Nicht-Erfüller" wird dadurch künstlich reduziert, so die Kritik von NGOs. Durch die Intervention des BMWi entstand in der Bundesregierung ein Streit über die Methodik des Monitorings, der den Start der Befragung drei Monate verzögerte. Es ging dadurch nur sehr schleppend los: Die Frist zur Beantwortung des Fragebogens musste zweimal verlängert und die Stichprobe von 1.800 Unternehmen auf 3.000 erweitert werden, um überhaupt auf die für eine repräsentative Untersuchung angestrebten 400 Unternehmensantworten zu kommen. 2.600 Unternehmen beteiligten sich gar nicht an der Umfrage und zeigten damit, dass sie nicht einmal bereit sind, durch Beantwortung von 30 (hauptsächlich Multiple Choice-)Fragen darzulegen, wie sie ihrer menschenrechtlichen Sorgfalt gerecht werden. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Unternehmen in dem Bereich auch nichts vorzuweisen haben.
Ein "ernüchterndes" Ergebnis
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bezeichnete die ersten Ergebnisse des Monitorings als "ernüchternd" und kündigte an, dass er gemeinsam mit Entwicklungsminister Gerd Müller ein Lieferkettengesetz mit "klaren Haftungsregeln" erarbeiten wird. Trotz der schwachen Methodik und geringen Anforderungen haben nur 20 Prozent der teilnehmenden Unternehmen den Menschenrechts-Test bestanden. Die Ergebnisse bestätigen damit, was wissenschaftliche Studien wie die Anfang November 2019 veröffentlichte Studie des Business and Human Rights Ressource Center, nach der keins der 20 größten deutschen Unternehmen bei der Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt auch nur ein Grundniveau erreicht, belegen: Freiwillig tun Unternehmen nicht genug zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt. Auch die Erfahrung aus anderen Ländern wie Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden, die bereits Gesetze zur Unternehmensverantwortung für die Menschenrechte eingeführt haben, zeigen, dass Unternehmen bei dem Thema in der Regel erst dann aktiv werden, wenn rechtliche Konsequenzen drohen. NGOs fordern von der Bundesregierung daher schon lange verbindliche Regelungen zum Schutz von Menschenrechten entlang der Lieferkette. In der Initiative Lieferkettengesetz haben sich mehr als 80 Organisationen aus den Bereichen Entwicklungspolitik, Kirche, Gewerkschaften, Verbraucher- und Umweltschutz zusammengeschlossen, um dieses Anliegen gemeinsam zu verfolgen.
Jetzt muss gehandelt werden
Die Bundesregierung hat mit dem Festhalten an der freiwilligen Unternehmensverantwortung und dem Geschacher um das Monitoring wertvolle Zeit verloren, die sie besser in die Erarbeitung von effektiven Regelungen zum Schutz von Menschenrechten entlang der Lieferkette deutscher Unternehmen investiert hätte. Die desaströsen Ergebnisse des Monitorings müssen daher nun offen kommuniziert werden und darauf aufbauend muss ohne jede weite Verzögerung die einzig richtige Konsequenz gezogen werden:"Wenn Menschen durch Ausbeutung an Leib und Leben gefährdet sind und andere davon wirtschaftlich profitieren, können wir dagegen mit klaren Haftungsregeln etwas erreichen."(Zitat Hubertus Heil). Die Bundesregierung muss diesen Vorstoß unterstützen.