Warum wurden die honduranische Umweltschützerin Berta Cáceres und die Abgeordnete Marielle Franc zur Zielscheibe?
Im Fall von Marielle Franco war es vor allem ihr Einsatz gegen Polizeigewalt. Sie war eine charismatische, aufsteigende Politikerin, die der Favelabevölkerung eine starke Stimme gab. Jener diskriminierten Bevölkerung der städtischen Armenviertel, die zerrieben zwischen den Drogenhandelsstrukturen und der Polizei alltäglich im Namen der „Sicherheit“ terrorisiert wird. Marielle hatte kurz vor ihrem Tod eine Untersuchungskommission geleitet, die die Militarisierung der Stadt durch den Einsatz der Streitkräfte kritisierte.
Berta Cáceres setzte sich ihrerseits unermüdlich gegen die Zerstörung natürlicher Ressourcen, unter anderem gegen illegale Bauprojekte, Plantagenbesitzer und die Errichtung des Agua-Zarca-Staudamms am Río Gualcarque in Honduras ein.
Berta und Marielle sind nur die Spitze des Eisbergs. Sie sind besonders bekannte Opfer unter der jährlich wachsenden Zahl von Menschenrechtsverteidigerinnen, die für ihren Einsatz gegen Ungerechtigkeit und Gewalt verfolgt, bedroht und ermordet werden. Sie leisten Widerstand gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und ihrer Territorien sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum. Sie leisten Widerstand gegen die herrschende repressive Geschlechterordnung, die sie und ihre Arbeits- und Lebensweise unsichtbar macht. Und sie leisten Widerstand gegen die Diskriminierung und systematische Ausgrenzung der schwarzen, indigenen und benachteiligten Bevölkerung.
Wie existenziell der Kampf dieser Frauen ist, zeigt sich daran, dass sie trotz der Drohungen, trotz gezielter oft sexueller Gewalt gegen sie und trotz des Wissens um die mächtigen Strukturen einflussreicher Politiker, die sie befehlen, nicht zu stoppen sind. Im Gegenteil, bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Brasilien im Oktober letzten Jahres sind unter dem Motto des „Vermächtnisses von Marielle“ vier ihrer Freundinnen und Mitstreiterinnen angetreten und gewählt worden. Und noch weitere schwarze und indigene Politikerinnen haben seitdem erfolgreich kandidiert, auch aus dem Partnerfeld von Brot für die Welt.
Sich nicht zum Schweigen bringen zu lassen, gegen die Gleichgültigkeit angesichts der täglichen Gewalt aufzustehen, das ist es auch, was sich die Lebensgefährtin von Marielle Franco, Mónica Benício, zur Aufgabe gemacht hat. Sie hat den Fall kürzlich dem UN-Menschenrechtsrat in Genf vorgestellt. Denn die Umstände der gezielten Schüsse auf die Abgeordnete und ihren Fahrer sind bis heute nicht aufgeklärt. Kurz vor dem 1.Jahrestag der Tat wurden zwar die vermeintlichen Schützen verhaftet, den deutlichen Spuren, die als Auftraggeber Flávio Bolsonaro, den Sohn des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro identifizieren, wird hingegen äußerst zögerlich nachgegangen.
Heute finden in ganz Brasilien sowie in verschiedenen europäischen Städten Demonstrationen statt, die Marielle Francos gedenken. Der Protest richtet sich gegen die Gewalt, vor allem gegen die Straffreiheit der Auftraggebenden dieser Morde und für die Aufklärung dieser Taten sowie für den Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen.