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"Es war wie bei Null anfangen"

Eva Dürr war in Österreich viele Jahre im Bereich der EZ bei NGOs beschäftigt, die Partnerorganisationen im Globalen Süden unterstützen. Für sie war es immer klar, dass sie auch selbst im Süden arbeiten wollte, und nicht nur am Schreibtisch, sondern direkt vor Ort bei den Menschen.

Von Freiwilligendienst Nord-Süd am

Abschied in Velez

Nach einer längeren Phase der Bewerbung und des Wartens habe ich über Dienste in Übersee eine Stelle in Kolumbien bekommen. Es ging darum, die Bewohner*innen von ländlichen Gemeinden dabei zu unterstützen, ihre Vorstellungen von Entwicklung aktiv in die Kommunalpolitik einzubringen. Meine Aufgabe bestand vor allem darin, die Frauen- und Jugendbeteiligung in drei ländlichen Gemeinden zu stärken und den Bezug zum internationalen Kontext herzustellen.

Kurzfristige Rückkehr

Meine Rückkehr war voller bürokratischer Herausforderungen. Ich bin alleine ausgereist und bin mit einem kolumbianischen Ehemann und unserem gemeinsamen Kind zurückgekommen. Und das war eine Konstellation, mit der die österreichischen Amter überhaupt nichts anfangen konnten.

Wir hatten lange darauf gehofft, dass ich einen Anschlussvertrag in Kolumbien bekommen würde. Leider hat sich aber erst drei Wochen vor meinem Einsatzende herausgestellt, dass der Vertrag mit der lokalen Partnerorganisation nicht zustande kommen würde. So blieb uns gerade noch Zeit, die Zelte in Kolumbien abzubrechen. Für eine gründliche Vorbereitung unserer Rückkehr nach Österreich war es allerdings zu spät.

Thema „Arbeitslosengeld“

Als erstes großes Problem stellte sich die Klärung meines Anspruchs auf Arbeitslosengeld heraus. Dazu wendet man sich in Österreich an den Arbeitsmarkt Service, kurz AMS. Als ich mich nach meiner Rückkehr dort arbeitslos melden wollte, sagte man mir, dass der AMS für mich nicht zuständig sei, da ich in den letzten zwei Jahren keine Erwerbsarbeit in Österreich geleistet hätte. Auch die Tatsache, dass ich als Entwicklungshelferin über eine deutsche Entsendeorganisation vermittelt war und so in Deutschland einen Anspruch Arbeitslosengeld hatte, ändere daran nichts. Es gab demnach nur eine Möglichkeit: Um einen Anspruch auf Leistungen des AMS zu erwerben, musste mich in Österreich irgendjemand anstellen, formal, mit allen Abgaben und sei es nur für einen Tag.

Zum Glück war mein früherer Arbeitgeber, die Evangelische Frauenarbeit in Österreich, bereit, mich für eine Archivtätigkeit für zwei Wochen anzumelden. Damit war ich dann eine „richtige“ Arbeitslose und der AMS für mich zuständig. Nach etwa zwei Monaten habe ich dann auch wirklich Arbeitslosengeld beziehen können, das dann auch entsprechend meiner Tätigkeit als Entwicklungshelferin berechnet war.

Thema "Krankenversicherung"

Die zweite große Herausforderung war die Krankenversicherung. Dabei hat mich ein netter Mitarbeiter unterstützt, an den ich ganz zufällig im Kundencenter geraten bin. Er war in der ganzen Zeit die allergrößte Hilfe. Er hat sich unsere Geschichte angehört und ist dann den ganzen bürokratischen Prozess mit uns durchgegangen. Für mich und meine Tochter war das gar nicht so schwierig, weil wir österreichische Staatsbürgerinnen sind. Obwohl er eigentlich auch die Anmeldung beim AMS gebraucht hatte, hat er unseren Antrag bearbeitet - die AMS-Bescheinigung konnten wir nachreichen. Selbst mein Mann konnte nach Vorlage einer offiziellen Übersetzung unserer kolumbianischen Heiratsurkunde krankenversichert werden.

So hatten wir nach etwa zwei Monaten alle unsere Krankenkassenkarten. Ich hatte die Versicherung, über die wir als Fachkräfte versichert waren, auf eigene Kosten um einen Monat verlangert. Dass es länger dauern würde und was alles zu tun sein würde, das konnte ich nicht abschätzen. Aber zum Glück ist in der Zwischenzeit niemand von uns krank geworden.

 

Thema ,,Aufenthaltserlaubnis"

 

Die allergrößte Baustelle war allerdings die Aufenthaltserlaubnis meines Mannes. Dabei habe ich mich von verschiedenen Stellen beraten lassen. In Wien gibt es ,,Helping Hands", eine Beratungsstelle der österreichischen Hochschüler*innenschaft, die kostenlos oder auf Basis einer freiwilligen Spende beraten. Dann hat meine Rechtsschutzversicherung eine Beratungssitzung mit einer Anwältin, die sich mit Migration auskennt, finanziert. Und außerdem war ich noch bei ,,migrant.at1", einer weiteren Einrichtung in Wien.

 

Diese Stellen waren sich einig, dass mein Mann ein Anrecht auf einen Aufenthalt als Familienangehöriger nach EU-Recht hat, weil ich durch meinen Vertrag mit einer deutschen Organisation die berufliche EU-Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Damit hätte er Anspruch auf fünf Jahre Aufenthaltserlaubnis gehabt, deutlich länger als nach der österreichischen Gesetzgebung, nach der die Aufenthaltserlaubnis nur jeweils für ein Jahr erteilt wird und dann verlangert werden muss. Das Verfahren hat sich lange hingezogen und schließlich leider ergeben, dass die EU.Regelung in unserem Fall doch nicht anwendbar sei. Somit hat Jairo nur den einfachen Aufenthaltstitel nach österreichischem Recht für ein Jahr erhalten. Daher sind wir jetzt gerade wieder dabei, die Verlängerung zu beantragen.

Thema ,,Stellensuche"

Auch mein beruflicher Wiedereinstieg hat sich ziemlich zäh gestaltet. Ich habe elf Monate nach einer Arbeit gesucht, habe jede Woche drei bis fünf Bewerbungen rausgeschickt. Zwar hörte ich sehr oft ,,toller Lebenslauf, tolle Erfahrungen", verspürte auch viel Interesse an meiner Arbeit in Kolumbien, aber es war wie verhext, es kam nie eine positive Antwort. Ich habe mich zuerst bei Stellen beworben, wo mein Profil sehr gut gepasst hatte, bin aber dann schließlich immer weniger wählerisch geworden. Ich habe mich unter Druck gefühlt eine Arbeit zu finden - schon alleine um den Aufenthalt meines Mannes den Behörden gegenüber finanziell absichern zu können.

Letztendlich habe ich dann eine Stelle im Fundraising-Bereich gefunden, und zwar beim Blinden- und Sehbehindertenverband Wien, Niederösterreich, Burgenland. Diese Arbeit hat wenig mit dem zu tun, was ich in Kolumbien gemacht habe, meine Erfahrungen aus der Zeit dort kann ich hier nicht einbringen.

Fazit

Was in der Rückschau all diese Behördengänge so schwierig gemacht hat, ist, dass mir niemand sagen konnte, was in welcher Reihenfolge zu tun ist und welche Stellen für die verschiedenen Anliegen zustandig sind. Man pilgert von Stelle zu Stelle, um die Dokumente für Anträge zu sammeln. Es ist alles sehr kompliziert und verwoben.

Dienste in Übersee war in den Monaten nach der Rückkehr und auch während der Vertragszeit super. Die Mitarbeiter*innen hatten immer ein offenes Ohr und haben alles beantwortet und bearbeitet. Allerdings habe ich schon während meiner Vorbereitungszeit gemerkt, dass die Situation für deutsche Ausreisende ganz anders ist als für österreichische Ausreisende. Und auf viele Fragen habe ich zur Antwort bekommen: ,,Da müsstest du in Osterreich nachfragen".

In Österreich gibt es keine spezifische Beratungsstelle für Rückkehrer*innen aus dem Entwicklungsdienst. Es gibt in Österreich auch überhaupt kein breites Wissen über den Bereich Entwicklungszusammenarbeit und Fachkräfte im Ausland. Da sind wir in meinen Augen selbst etwas ,,unterentwickelt". In Österreich ist die Grundhaltung in etwa: ,,Ja, wenn sie so deppert sind und sich einbilden, sie müssten so arbeiten und ins Ausland, dann sollen sie selbst schauen, wie sie weiterkommen".

Hilfreich war der Kontakt zu einer anderen Rückkehrerin in Österreich, mit ihr habe ich mich auch schon wahrend der Vorbereitungszeit getroffen. Ich würde mir daher eine stärkere Vernetzung von Rückkehrer*innen aus und in den verschiedenen Nicht-EU Länder wünschen, das ware sicher sehr sinnvoll und unterstützend.

 

Der Artikel basiert auf einem Gespräch zwischen Eva Dürr und Rebecca Hackstein (für den Rückkehr-Ausschuss von Brot für die Welt aufgeschrieben von Rebecca Hackstein).

 

 

Copyright: Eva Dürr.

 

Text: Mit Genehmigung der AGdD entnommen aus transfer 03/2018

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