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Etwas Licht und viel mehr Schatten

Schatten- und Parallelberichte sind auf dem HLPF eine wichtige Ergänzung zur offiziellen Berichterstattung.

Von Ehemalige Mitarbeitende am

Diskussionen zur Umsetzung der SDGs beim HLPF

Das High Level Political Forum, das derzeit bei den Vereinten Nationen in New York tagt, überprüft die internationale und nationale Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Dabei spielen offizielle Berichte natürlich eine wichtige Rolle und sie sind zahlreich: Es gibt den Global Sustainable Development Report, der erst noch veröffentlicht wird, aber in den Interessierte schon einmal reinschnuppern konnten (Blog Luise Steinwachs), den Report der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen, Berichte von 47 Ländern (von A wie Aserbaidschan bis V wie Vanuatu), und viele mehr. Die thematischen Berichte kontrastieren oftmals die Länderberichte: Sie sind alarmierend und zeigen auf, dass die SDG-Umsetzung kaum vorankommt und dass die SDGs bis 2030 nicht erreicht werden, wenn es so weiterläuft, wie bisher. Die Länderberichte betonen dagegen oftmals, welche erfolgreichen, nationalen Umsetzungsprojekte es schon gibt und welches Land sich bei der Umsetzung welches SDGs besonders hervortut.  Das führt manchmal zu nahezu absurden Botschaften: So kann sich das letzte Gastgeberland der COP, das kohlefreundliche Polen, als engagierter Klimaschützer präsentieren (Blog Johannes Grün). Auch bei SDG 16 sind die globalen Zahlen alarmierend, während  viele Mitgliedstaaten in der Debatte auf Teilerfolge und ihre Bemühungen hinweisen (Blog Caroline Kruckow).

Es ist oft interessanter, zu welchen Dingen seitens der Regierungen nicht berichtet wird. Das United Nations Committee for Development Policy (CPD) analysiert 46 Länderberichte von 2018 und kommt dabei zu folgenden Schlüssen: Bei SDG17, das unter anderem Ziele zu Finanzierung erhält, stellt der Bericht beispielsweise fest, das nur ein (!) Land über Ziel 17.5 (Investments in LDCs) berichtet. Immerhin 45 Berichte stellen zumindest Bezüge zu einem der Unterziele von Ziel 17 her, wohingegen nur drei dieser Länder konkrete Maßnahmen von mindestens vier der 19 Unterziele ankündigen. Zum Grundsatz der Agenda, „niemanden zurückzulassen“ („Leave no one behind“), gibt es ebenfalls eine Auswertung: Nur acht der 46 Länderberichte führen hier LGBTIQ auf, also eine Gruppe, die erst kürzlich bei der UN formal als Interessensgruppe anerkannt wurde.

Dies ist zugegeben eine rein quantitative Auswertung. Qualitativ fehlt oftmals eine Betrachtung der nationalen und globalen Realitäten und vor allem der Zusammenhänge zwischen den einzelnen SDGs. Auch eine genaue Analyse, welche Politiken besser nicht mehr verfolgt werden sollten, fehlt. Besonders zivilgesellschaftliche Schatten- und Parallelberichte mit nationalem und internationalen Fokus versuchen diese Lücken zu schließen. Laut inoffiziellen Schätzungen gibt es dieses Jahr knapp 50 dieser Berichte. Die drei, die ich hier kurz erwähnen möchte, zeigen, warum es derzeit bei der Umsetzung der SDGs mehr Licht als Schatten gibt.

Der Global Spotlight Report ist mittlerweile eine Art Institution unter den Parallelberichten. Er hat dieses Jahr das Thema „Reshaping Governance for Sustainability“ und enthält unter anderem einen Artikel von Nicola Wiebe, Referentin für soziale Sicherheit bei Brot für die Welt. Der Bericht stellt unter anderem dar, welche Policys uns in die falsche Richtung führen. Diese sollten dann besser gestoppt werden und nicht – schlechtestenfalls – mit verstärkten Anstrengungen (VN-Jargon für: wir machen dasselbe,  versuchen aber, es nach mehr aussehen zu lassen) fortgeführt werden. 

Der European Spotlight Report „Who is paying the bill? (Negative) Impacts of EU Policies and practices in the world“, der gestern am Rande des HLPF vorgestellt wurde, schlägt in die gleiche Kerbe. Wie können europäische Politiken geändert werden, damit die negativen Effekte auf die Länder des Globalen Südens gemindert werden. Dreizehn Politikfelder, von der gemeinsamen Agrarpolitik über die Fischereipolitik hin zur Rüstungspolitik, liefern dafür anschauliche Beispiele und geben aber auch praktische Empfehlungen, mit denen die Auswirkungen zumindest abgeschwächt werden könnten.

Insgesamt mangelt es also auf zivilgesellschaftlicher Seite nicht an guten Ideen, Politikempfehlungen und sogar der praktischen Umsetzung im Kleinen. Ohne eine lebendige Zivilgesellschaft ist nachhaltige Entwicklung schwer möglich. Deshalb ist es umso bestürzender, dass laut dem Civicus Monitor for Civic Space nur fünf der 47 berichtenden Staaten, der rechtliche Rahmen eine freie Entfaltung der Zivilgesellschaft garantiert. In vielen anderen Ländern werden Menschen, die sich für nachhaltige Entwicklung einsetzen nicht nur diffamiert und verfolgt sondern befinden sich teilweise auch in Lebensgefahr.

Es ist wichtig, dass wir die wichtigen Botschaften dieser Berichte nicht, wie die vielen gedruckten Exemplare, beim HLPF liegen lassen, sondern dass wir sie mit nach Hause nehmen und für die politische Arbeit im jeweiligen Land nutzen. Denn die Diskussionen beim HLPF haben leider kaum Auswirkungen auf nationale Politik.

Brasilien, das derzeit von dem rechten Präsidenten Bolsonaro regiert wird, hat übrigens  einen nationalen Staatenbericht angekündigt, sich dann jedoch entschieden, doch gar nicht zu berichten. Das sagt im konkreten Fall vielleicht mehr aus, als viele bedruckte Papiere es könnten.

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