Zivile Krisenprävention oder militärische Intervention
Zu der Diskussion haben die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt nach Berlin eingeladen. Gleich zu Beginn wies die Präsidentin von Brot für die Welt auf einen Widerspruch hin zwischen der deutschen und der europäischen Politik. Während die Bundesregierung im Koalitionsvertrag der zivilen Krisenprävention Vorrang einräumt vor militärischem Eingreifen, hat die EU-Kommission vorgeschlagen, Mittel für die Krisenprävention zu streichen und stattdessen in den sogenannten Verteidigungsfonds zu stecken. Cornelia Füllkrug-Weitzel meldete sich per Video-Botschaft zu Wort, da sie aufgrund einer Dienstreise verhindert war.
Für Katarina Barley, die EU-Spitzenkandidatin der SPD, „muss die EU eine Abrüstungsmacht sein“. Dieses Ziel möchte sie über Sperrverträge etwa für Atomwaffen erreichen. In Sachen Krisenprävention sieht sie die EU bereits gut aufgestellt, „aber man kann da noch sehr viel mehr machen“. Gleichzeitig hält sie ein gewisses Maß an Verteidigungsausgaben für sinnvoll, und die sollten in Deutschland endlich wieder in funktionierende Ausrüstung und Waffensysteme der Bundeswehr fließen.
„Mehr Verteidigung fürs Geld“
Daniel Caspary, EU-Abgeordneter der CDU, will „nicht unbedingt mehr Geld für Verteidigung, aber mehr Verteidigung fürs Geld“. Das heißt, die EU solle effizienter mit ihren Verteidungsausgaben umgehen und neue Waffensysteme zum Beispiel einmal gemeinsam entwickeln statt mehrmals nebeneinander. Ihm fällt es zudem schwer mit anzusehen, wie viele Menschen in Syrien oder den Kriegen Afrikas sterben. Besser fände er, wenn die EU sich früher und stärker engagiert, um das Blutvergießen zu beenden.
Klar gegen teure Militär-Aktionen und Rüstungsprojekte war Ska Keller, die EU-Spitzenkandidatin der Grünen. Sie will deutlich mehr Geld in die Prävention stecken, um Blutvergießen schon im Vorfeld zu verhindern. Experten sind sich einig, dass das deutlich weniger kostet, als Kriege im Nachhinein zu beenden, ganz abgesehen von dem menschlichen Leid. Deshalb findet Keller mehr Geld für den Verteidigungsfonds fehl am Platz. Die EU sollte „den 17 Panzer-Projekten der Mitgliedstaaten nicht das 18. hinzufügen“, was außerdem eine unnötige Finanzspritze für die Waffen-Industrie wäre.
Frieden auch außerhalb der EU sichern
Özlem Demirel, die EU-Spitzenkandidatin der Linken, machte erst mal einen Unterschied zwischen Verteidigung und Militär-Interventionen. Das erste sieht ihre Partei unproblematisch, das zweite nicht. Dann wies sie auf die enorme Leistung der EU hin, dass ihre Mitglieder in Frieden leben, und lenkte den Blick auf die vielen tödlichen Konflikte außerhalb dieser friedlichen Insel. Hier müsse die EU viel mehr Verantwortung übernehmen, aber nicht über den sogenannten Verteidigungsfonds, in den jedes Jahr sieben Milliarden Euro fließen. Mit dem Etat könne man innerhalb von zwei Jahren den akuten Hunger auf der ganzen Welt beenden.
Till Mansmann von der FDP hat die wichtige Rolle des Militärs hervorgehoben, bessere Ausrüstung für die Bundeswehr gefordert und sich Synergie-Effekte bei Rüstungszielen auf europäischer Ebene gewünscht. Krisenprävention erwähnte er nicht. Er sprang kurzfristig für die verhinderte EU-Spitzenkandidatin der FDP ein, Nicola Beer. Ein Vertreter der AfD war nicht eingeladen, da die Partei in ihrem Wahlprogramm die Auflösung der EU fordert. Deshalb haben die Hilfswerke keinen Sinn darin gesehen, sie zur Zukunft der EU zu befragen.
Die Zukunft der EU als Friedensakteur
Cornelia Füllkrug-Weitzel hat in ihrer Video-Botschaft klar gemacht, dass die EU, wenn sie ihrem Anspruch als Friedensprojekt heute noch gerecht werden will, ihre Rolle als Friedensakteur und Stabilisator des Weltfriedens bedenken muss. Ihre Dienstreise führte sie übrigens nach Kenia zu Partnern von Brot für die Welt, die zahlreiche Friedensprojekte umsetzen und das mit großem Erfolg.
Die Verantwortung der Unternehmen für ihre Lieferkette
Weitere Schwerpunkte waren die Verantwortung von Unternehmen für ihre Zulieferer und die Bewahrung der Schöpfung angesichts der drohenden Klimakrise. Bundesjustizministerin Katarina Barley hält es für „absolut notwendig“, dass Unternehmen Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten bei der Produktion übernehmen, und zwar über die gesamte Lieferkette. Selbst Sporthersteller, die ihre Produkte in Europa teuer verkaufen, ließen teilweise unter „absolut unwürdigen“ Bedingungen produzieren, klagte die Ministerin. Eine freiwillige Verpflichtung zu fairen Arbeitsbedingungen reiche nicht, weshalb sie sich für ein Lieferkettengesetz aussprach. Dadurch könnten manche Produkte zwar mehr kosten, aber sie stellte klar: „Ein T-Shirt für 1,99 Euro ist unethisch.“
Ausgewählte Aussagen zu Handels- und Umweltpolitik finden Sie hier:
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Klimakrise vermeiden oder Wirtschaft schützen
Beim Thema Umweltschutz wahren sich SPD, CDU und FDP einig, dass man das Soziale nicht gegen die Ökologie auspielen dürfe, doch sie zogen unterschiedliche Schlüsse daraus. Barley unterstützt zwar den Ausstieg aus der Braunkohle, doch behutsam und mit sozialer Absicherung der zurzeit dort Beschäftigten, damit nicht die Klimawandel-Leugner der AfD Zulauf bekommen. Caspary waren die Arbeitsplätze in der Auto-Industrie wichtig, er machte aber keinen konkreten Vorschlag zu einem ökologischen Wandel der Branche.
Auf der anderen Seite standen Grüne und die Linke. Demirel setzte auf mehr Tempo etwa bei der Braunkohle und forderte eine schnelle Abschaltung der dreckigsten Meiler samt Beschäftigungsgarantien mit Umschulungen etc. Das könne sich Deutschland leisten. Keller forderte klipp und klar weltweite Klimagerechtigkeit, wozu auch gehört, dass Deutschland schnell klimaneutral wird, und zwar mit ebenso bekannten wie anerkannten Techniken. Als Beispiele nannte sie die CO2-Bepreisung, Energie-Effizienz und den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Ihr Ziel lautete: „Wir müssen unsere Politik enkeltauglich machen.“
Mitentscheiden über die Zukunft der Welt
Das sah auch Klaus Seitz so, der Leiter der Politik-Abteilung bei Brot für die Welt. Er forderte im Schlusswort ebenfalls, die Europa-Politik enkeltauglich zu machen, und zwar für die Enkelkinder auf der ganzen Welt. Dazu müsse Europa solidarisch und weltoffen bleiben, seine humanistischen Werte nach innen verteidigen und auch an seinen Grenzen einhalten und darüber hinaus. Seine Kollegin Ilona Auer-Frege von Misereor fügte im gemeinsamen Schlusswort noch die Aufforderung hinzu, die Europa-Wahl zu nutzen, da die EU großen Einfluss hat auf die zukünftige globale Entwicklung: „Sie wählen nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt.“
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