Ähnlich wie bei der Debatte um die klassische Gentechnik wird heute wieder von nicht wenigen BefürworterInnen der neuen Gentechniken wie CRISPR und Co. argumentiert, dass diese unbedingt gebraucht würden, um die Welternährung zu sichern.[i] Häufig wird in diese Argumentation dann noch eingeflochten, dass gerade der Klimawandel die Nutzung der neuen Gentechniken unabdingbar mache, da man nur so schnell genug dürreresistente Sorten oder an Überschwemmung und Versalzung angepasste Sorten erzeugen könne. Unter anderem vor diesem Hintergrund dürfe man die neuen Gentechniken nicht genauso regulieren wie die alten Gentechniken.
Diese Argumentation ist gefährlich und verfehlt, denn sie reduziert die Lösung der Welternährungsproblematik auf die Frage der Anwendungen von Technologien und lässt dabei die multidimensionale Komplexität von Hunger und Welternährung außer Acht. Hunger ist zurzeit kein Produktionsproblem, sondern unter anderem ein massives Verteilungsproblem. Wenn die Welternährung gesichert werden soll, müssen diese verschiedenen Probleme, also die Verteilungsfrage, die Frage nach Anbausystemen, politischer Beteiligung, Geschlechtergerechtigkeit usw. angegangen werden. Gleichzeitig ist auch der Klimawandel von einer multidimensionalen Komplexität gekennzeichnet und es ist stark zu hinterfragen, ob man ihm mit gentechnisch veränderten Pflanzensorten begegnen kann.
Zum Beispiel Zyklon Idai
Gerade der Zyklon Idai in Mosambik und dem Südöstlichen Afrika hat wieder gezeigt, wie groß und vielschichtig die Herausforderungen mit Blick auf dem Klimawandel sind. Bevor der Zyklon die Region erreichte, herrschte vielerorts bereits eine latente Dürre. Gut beraten war also, wer trockenheitsresistentes Saatgut ausgesät hatte. Doch dann brachte der Zyklon massive Regenfälle und Überschwemmungen und zerstörte einen Großteil der Felder und Ernten. In der Folge war die Ernährungssicherung massiv gefährdet. Nun wären auf einmal Pflanzen von Vorteil gewesen, die mit extremem Starkregen und Überschwemmung zurechtkommen. Der Zyklon Idai machte deutlich, dass der voranschreitende Klimawandel auch bedeuten kann, dass in einer Anbausaison 2 oder auch mehr völlig unterschiedliche Wetterextreme auftreten. Das heißt, man kann nicht mehr davon ausgehen, mit einer Aussaat auch eine Ernte zu bekommen, sondern muss sich darauf einstellen, mehrmals und dann auch völlig unterschiedliche Pflanzen in einer Saison auszusäen, um überhaupt eine Ernte einzufahren. Dies erfordert neues Denken, neue Anbausysteme und den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur.
Nach dem Zyklon wäre es sicher gut gewesen, Saatgut von Pflanzen parat zu haben, die innerhalb weniger Wochen oder Monate zu mindestens eine kleine Ernte ermöglichen. So hätte das kurzfristig übermäßig vorhandene Wasser zumindest für eine Notaussaat neben den Aufräumarbeiten genutzt werden können und es müsste nicht eine ganze Anbausaison auf eine neue Ernte gewartet werden. Aber an solche Optionen oder Notwendigkeiten wird noch viel zu wenig gedacht und die Debatte dazu wird auch stark von der Technologie-Debatte um die neuen Gentechniken überlagert oder verhindert. Dabei wäre es dringend notwendig, angesichts der komplexen Herausforderungen des Klimawandels neue komplexe Lösungsansätze zu entwickeln und zu erproben.
Die Technologie soll es wieder richten
Aber auf einmal, so scheint es, soll es ihn geben, den einen technologischen Ansatz, der alle satt macht und gleichzeitig auch noch die Antwort mitliefert, wie auf den voranschreitenden Klimawandel reagiert werden kann. Da braucht man sich dann um ein Um- und Neudenken von Anbau- und Verteilungssystemen nur noch wenig oder keine Gedanken mehr zu machen. In der Argumentation schwingt dann meistens mit, dass es unverantwortlich wäre, das EUGH-Urteil umzusetzen und CRISPR und Co. im Sinne des EU-Gentechnikrechts zu regulieren. Noch schlimmer wäre es aus dieser Perspektive natürlich, im Rahmen der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) oder des Cartagena-Protokolls, dem Folgeabkommen der CBD, zu einer globalen Regulierung dieser Technologien als Gentechnik zu kommen.
Aber genau dies ist notwendig – will man sich nicht von den Behauptungen derer abhängig machen, die ein großes ökonomisches Interesse an der unregulierten Nutzung von CRISPR und Co. haben. Angesichts der von Konzernen angeführten Behauptung, dass CRISPR und Co. einen zentralen Beitrag zur Lösung der Welternährungsproblematik liefern sollen, wäre aus entwicklungspolitischer Sicht keine Regulierung schlicht unverantwortlich. Das zeigt sich eindrücklich auch an der Debatte, um den Beitrag der neuen Gentechniken zur Erzeugung trockenheitsresistenter Sorten. Von verschiedensten Stellen wird immer wieder angeführt, dass diese dringend benötigten trockenheitsresistenten Sorten hauptsächlich und vor allem besonders schnell mit den neuen Gentechniken erzeugt und auf den Markt gebracht werden können.
Die alte Gentechnik und Trockenheitsresistenz
Schon die erste Generation der Gentechnik sollte Pflanzen mit diesen Eigenschaften auf den Markt bringen. Insbesondere Monsanto, aber auch die Gates-Stiftung haben Millionen von Dollar an Forschungsgeldern gerade in gentechnisch veränderten trockenresistenten Mais der ersten Generation investiert. Über Monsantos Projekt ‚Wassereffizienter Mais für Afrika‘ (WEMA) wird dieser Ansatz immer wieder prominent gegenüber Regierungen und in den Medien als große Versprechung mit wunderbaren Ergebnissen präsentiert.
Ein prominentes Beispiel ist der sog. MON 87460 x MON 89034 x NK 603 Mais, den Monsanto dort für den kommerziellen Anbau zulassen wollte. Die gentechnisch veränderte Trockenheitsresistenz stammte aus dem WEMA-Projekt. Die südafrikanischen Behörden haben diesem Mais aber nach umfangreichen Feldversuchen auf Basis der existierenden Biosicherheitsgesetzgebung, die Südafrika als Vertragsstaat des Cartagena-Protokolls erlassen musste, im Oktober 2018 die Zulassung verweigert. Die Feldversuche legten für die südafrikanischen Behörden eindeutig dar, dass die von Monsanto, heute Bayer, gemachten Behauptungen betreffend der per Gentechnik erzeugten Trockenheitsresistenz nicht haltbar waren. Ohne eine Regulierung, die zu umfangreichen Anbauversuchen verpflichtet, wäre diese Tatsache nicht ans Licht gekommen und der Mais in den Anbau gelangt. Ein Nachweis des Scheiterns des technologischen Ansatzes wäre dann nur noch schwer möglich und würde vor allem erst erfolgen, wenn massiver ökonomischer Schaden entstanden wäre.
Welche Konsequenzen sind zu ziehen?
Dieses Beispiel sollte eine Lehre dafür sein, dass man sich nicht auf Versprechungen von Konzernen verlassen darf, sondern eine klare Regulierung braucht, die zumindest möglich macht, zu erfassen, ob technologische Versprechungen eingehalten werden oder nicht. Dies gilt umso mehr für die neuen Gentechniken. Denn um die Nichtregulierung von CRISPR und Co. zurechtfertigen, wird häufig das Blaue vom Himmel versprochen. Gleichzeitig wird selbst von ZüchterInnen und WissenschaftlerInnen, die CRISPR nicht reguliert sehen wollen, bezweifelt, ob es überhaupt möglich ist, mit alter oder neuer Gentechnik trockenheitsresistente Sorten zu erzeugen. Die genetischen Eigenschaften für Trockenheitsresistenz liegen wahrscheinlich auf mehr als 20 verschiedenen Gensequenzen und sind auch noch nicht alle bekannt. Somit ist sehr zweifelhaft, ob die neue Gentechnik hier überhaupt einen Beitrag leisten kann oder alles auf der Behauptungsebene bleibt.
Was kann passieren wenn man nicht reguliert?
Werden die neuen Gentechniken aber nicht reguliert, wird es diese speziellen Anbauversuche für gentechnisch veränderte Pflanzen nicht geben und es wird weiter die Behauptung angeführt werden können, mit CRISPR und Co. könnten schnell trockenheitsresistente Sorten erzeugt werden. Liefern dann neue CRISPR-Sorten nicht die gewünschten Eigenschaften, sind es ganz „normale Sorten“, die nicht funktioniert haben. Selbst wenn die Sorte „funktioniert“ hat, wird es nicht möglich sein zu identifizieren, ob es doch die klassischen Züchtungsmethoden waren, die letztendlich die gewollten Eigenschaften hervorgebracht haben. Und die klassische Züchtung ist sehr erfolgreich bei der Erzeugung neuer trockenheitsresistenter Sorten. Aber sie ist langwieriger und wirft somit nicht so schnell hohe Gewinne ab.
Will man die Möglichkeit haben, zumindest im Ansatz einen wissenschaftlich fundierten Diskurs zu neuen Gentechniken zu führen, dann ist das absolute Mindestmaß, dass diese genauso reguliert werden, wie die alten Gentechniken und das Vorsorgeprinzip angewendet werden. Tut man dies nicht, setzt man sich schutzlos den Behauptungen derer aus, die ein massives ökonomisches Eigeninteresse an der nicht regulierten Verbreitung und Anwendung der neuen Gentechnik haben. Und das wäre fürwahr eine Gefahr für die Welternährung.
[i] Bei der „klassischen“ Gentechnik wird meist Erbgut aus Lebewesen einer Art in die Zellen einer anderen Art eingebaut (z. B. ein Gen aus einem Bakterium in eine Rapspflanze). Dafür werden DNA-Abschnitte in Pflanzenzellen eingeführt. Dies geschah bisher per Zufallsprinzip an unbestimmten Orten im Erbgut der Zellen. Durch neue gentechnische Verfahren, vor allem durch sogenannte Genscheren wie CRISPR-Cas, soll das Erbgut nun gezielt an bestimmten Stellen verändert werden.
Dieser Artikel erschien ursprünglich im Rundbrief 2/2019 vom Forum Umwelt und Entwicklung mit dem Schwerpunkt Neue Gentechnik. Siehe Link