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Gerechtigkeit 4.0

Die Digitalisierung bietet den Menschen im Globalen Süden nicht nur Chancen auf Entwicklung, sondern birgt Risiken - einschließlich der Gefahr eines digitalen Kolonialismus. Unsere Publikation zeigt die Fallstricke auf und sagt, wie wir den digitalen Wandel fair gestalten können.

Von Sven Hilbig am

Mit einer Wetter-App können Kleinbauernfamilien höhere Ernteerträge erzielen, Cargo-Drohnen beliefern Menschen in abgelegenen Gebieten mit lebenswichtigen Medikamenten und digitale Fingerabdrücke sollen Bedürftigen den Zugang zu Grunddienstleistungen erleichtern – Die Digitalisierung scheint mit Blick auf den Globalen Süden unzählige Chancen in sich zu bergen. Doch erfüllt die Digitalisierung die großen Hoffnungen auf Veränderungen im Globalen Süden?

Bereits 2016 hatte die Weltbank, eine der größten Förderer von Informations- und Kommunikationstechnologie in Entwicklungs- und Schwellenländern, in ihrem Weltentwicklungsbericht Digital Dividende selbstkritisch eingeräumt, der digitale Wandel bleibe weiter hinter den (selbstgesteckten) Erwartungen zurück. Die Digitalisierung drohe Arbeitsplätze in der Bevölkerung Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zu vernichten. Sie verschärfe auch die soziale Ungleichheit, weil oft nur die besser gestellten Menschen am digitalen Wandel teilhaben und andere beispielsweise aufgrund von Armut oder Krankheiten davon ausgeschlossen sind.

Die Publikation Gerechtigkeit 4.0 – Auswirkungen der Digitalisierung auf den Globalen Süden diskutiert, inwiefern digitale Techniken tatsächlich zur Überwindung von Armut und sozialer Ungleichheit beitragen können. Erweitern sie die Chancen auf gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe von benachteiligten Menschen oder verengen sie diese?

Gefahr eines digitalen Kolonialismus

Eingangs analysieren die Autoren die Geschichte des digitalen Handels. Sie nehmen auch die gegenwärtigen Entwicklungen im Rahmen des Welthandelsregimes in den Blick, denn fast unbemerkt hat sich in der Handelspolitik eine neue Dynamik entwickelt. Führende Tech-Konzerne, allen voran die aus dem Silicon Valley, instrumentalisieren zunehmend das Handelsrecht für ihre Interessen, wie die von der US-Regierung im Jahre 2000 verabschiedete Digitale Agenda zeigt. Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Reduzierung von Zöllen auf digitale Produkte wie Software oder einheitliche Standards für Telekommunikationsdienste. Patente auf Künstliche Intelligenz sowie die (Nicht)Regulierung von Datenflüssen sind inzwischen auch Bestandteil handelsrechtlicher Regelungen und Gegenstand kontroverser Debatten in der Welthandelsorganisation WTO. Für die Länder des Globalen Südens – aber nicht nur für sie – steht dabei viel auf dem Spiel, einschließlich der Gefahr eines neuen, digitalen Kolonialismus.

Die Publikation untersucht, wo die Potentiale und Grenzen digitaler Lösungsansätze liegen. Sie analysiert, was sich aus vermeintlichen Vorzeigeprojekten wie dem mobilen Bezahlsystem M-Pesa oder der Verbreitung des bargeldlosen Bezahlens in Indien lernen lässt. Die Autoren untersuchen auch, ob die Digitalisierung transnationaler Lieferketten nicht nur die Transparenz erhöht, sondern auch die Wertschöpfung bei den Arbeiterinnen und Arbeitern auf den Kaffee- und Sojaplantagen oder in Fabriken.

Die Digitalisierung fair gestalten

Bei der Frage, wie sich Digitalisierung so gestalten lässt, dass sie dem Wohl aller Menschen gilt, muss vor allem beachtet werden: Wie können benachteilige Bevölkerungsgruppen in den ländlichen Regionen Afrikas oder Bewohnerinnen und Bewohner von Armenvierteln in den Mega-Cities einen besseren Zugang zu Arbeit und Grunddienstleistungen erhalten? Welcher Maßnahmen bedarf es, um für Menschen in Asien und Lateinamerika die Risiken des digitalen Wandels zu minimieren und dessen Potentiale zu erweitern?

Die Studie schließt deswegen mit neun Bausteinen zum Aufbau einer fairen Digitalisierung. Betrachten Sie diese als Einladung, um gemeinsam über eine global-gerechte und menschenwürdige Digitalisierung zu diskutieren.

 

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