„Es entspricht dem Wesen und Auftrag der Kirche, bei dem Entwicklungsdienst stets den Menschen im Auge zu behalten.“ So heißt es in den Beschlüssen der Landessynode der Ev.-luth. Kirche in Bayern zum kirchlichen Entwicklungsdienst Dezember 1969. Bereits im ersten Jahr der Aktion Brot für die Welt, wurde im „Ausschuss für ökumenische Diakonie“ erkannt, dass zu den finanziellen Geldopfern im Rahmen von Brot für die Welt notwendig das personelle Opfer des Dienstes treten müsse.
Der Verteilerausschuss Brot für die Welt empfahl die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft für personelle Dienste in der Oekumene, was am 9.11.1960 erfolgte.
Von „Dienste in Übersee; Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen in Deutschland“ (DÜ) wurden 1961 die ersten fünf Fachkräfte vermittelt, 1962 waren es schon 37. Der Schwerpunkt lag auf Gesundheitsberufen, Handwerkern und technischem Personal.
Lernen und Helfen in Übersee
Gesucht wurden schon in den Anfangsjahren des Personaldienstes beruflich erfahrene Fachkräfte, die bereit waren, ihr Erwerbsleben in Deutschland für eine begrenzte Zeit zu unterbrechen um einen solidarischen Dienst im Globalen Süden zu leisten. Bei der Entscheidung für einen solchen Dienst war die Absicherung des Familienunterhalts ein wichtiger Aspekt. Für die Personaldiente bestand damit ein Bedarf, den Fachkräften und ihren Familien während des Dienstes eine soziale Absicherung zu bieten, die diesen Familienunterhalt gewährleistet. Da soziale Absicherung nicht allein eine Frage des finanziellen Ausgleichs ist, bedurfte es einer rechtlichen Regelung. Das SPD geführte BMZ erkannte dabei die Chance, dem mit dem 1956 eingeführten Wehrdienst noch eine staatlich anerkannte und geförderte Dienstform für internationales, gewaltfreies Engagements an die Seite zu stellen.
Peter Schaefer nahm für Dienste in Übersee an den Beratungen mit den Diensten und dem BMZ teil. Der ausgebildete Musiker hatte sich vor 50 Jahren der Sache der sozialen Absicherung von Fachkräften bei Dienste in Übersee angenommen und gemeinsam mit den anderen Diensten unter dem Dach des Arbeitskreises Lernen und Helfen in Übersee mit dem Ministerium über die notwendigen Inhalte des geplanten Gesetzes verhandelt. Das Engagement der Dienste hat viel dazu beigetragen, dass die soziale Absicherung berufserfahrener Fachkräfte und ihrer Familien erfolgreich in die Gesetzesinitiative eingebracht werden konnte.
Dort wo die Dienste noch Handlungsbedarf sahen, wurde nach der Verabschiedung des Gesetzes über dessen Ausgestaltung nachverhandelt. Das führte dazu, dass sich Dienste in Übersee erst am 19.3.1970 als Träger des Entwicklungsdienstes im Sinne des Gesetzes staatlich anerkennen lies.
Dass wir heute auf ein im Prinzip zeitlos wirkendes Gesetz zurückblicken können, lag sicherlich auch an dem damaligen Weitblick der beteiligten Akteure und der Offenheit des Ministeriums zivilgesellschaftliche Dachverbände in Fragen der rechtlichen Ausgestaltung einzubeziehen. So sichert das Gesetz beispielsweise bis heute die Möglichkeit zur Zahlung von Beiträgen an Zusatzversorgungskassen.
Das EhfG beschreibt eine Entwicklungshelferin bzw. einen Entwicklungshelfer als eine sehr gut qualifizierte Fachkraft, die freiwillig und ohne Erwerbsabsicht, solidarisch und partnerschaftlich für einen begrenzten Zeitraum eine Partnerorganisation im Globalen Süden unterstützt. Seit der Bundestag das Entwicklungshelfergesetz 1969 verabschiedete, hat sich an der Definition des Entwicklungshelfers nichts geändert. Auch wenn heute der Entwicklungsdienst üblicher Bestandteil der Karriereplanung sein kann und die Ansprüche der Partnerorganisationen an die fachlichen Qualifikationen von Fachkräften gestiegen sind, hat dies nichts am Kern einer von Solidarität und Augenhöhe getragenen Mitarbeit geändert.
Vorbereitung von Ausreisen immer individuell
Bei DÜ erfolgte die Vorbereitung ausreisender Fachkräfte und ihrer Familien stets individuell, damit sie sich auf die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort einlassen und sich möglichst gut in die Strukturen der Partnerorganisation bzw. ihrer Nachbarschaft integrieren können. Fachkräfte unterliegen der Fach- und Dienstaufsicht der jeweiligen Vorgesetzten in den Partnerorganisationen und haben keine leitende Funktion. Sie verstehen sich als Mitarbeitende der Partner, als Kolleginnen und Kollegen auf Zeit - und leisten einen in der Regel zwischen drei und längstens sechs Jahren währenden Dienst. Dafür gibt das Gesetz den rechtlichen Rahmen.
Das Gesetz ermöglicht Kirchen und zivilgesellschaftliche Organisationen das, was internationale Unternehmen durch internationale Personalentwicklung oder Universitäten durch internationale Forschungs- und Austauschprogramme bewerkstelligen: Die Beeinflussung von Globalisierungsprozessen mittels internationaler Vernetzung.
Dies ist eine Aufgabe für den Entwicklungsdienst, die zunehmend auch von Partnerorganisationen aus Schwellenländern angefragt wird. Entscheidendes Element zur Erreichung der mit der Agenda 2030 verbundenen globalen Entwicklungsziele ist ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement. Deswegen ist die Stärkung der globalen Zivilgesellschaft ein wichtiger Schwerpunkt des Entwicklungsdienstes. Es werden zunehmend Fachkräfte gesucht, die nicht nur fachlich versiert, sondern bereits Teil von Netzwerken sind. Partnerorganisationen nutzen den Entwicklungsdienst auch dazu, dem in vielen Ländern immer mehr eingegrenzten politischen Handlungsspielraum durch verlässliche Kontakte entgegen zu wirken und Informationen über Grenzen zu vermitteln oder mittels Fachkräften ihre Sicherheit durch internationale Sichtbarkeit zu stärken. Das Entwicklungshelfer-Gesetz hat hier auch zukünftig eine Funktion.
Programm unterstützt zivile Konfliktbearbeitung
In besonderer Weise kommt die Vermittlung von Fachkräften unter dem Entwicklungshelfer-Gesetz im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) zum Tragen. Der Zivile Friedensdienst wurde als Programm vor 20 Jahren auf dem EhfG aufgesetzt. Es unterstützt die zivile Konfliktbearbeitung und gewaltfreien Transformation von Konflikten in Post-Konflikt-Kontexten, in aktuell konfliktiven Regionen und mit präventivem Charakter in Gesellschaften mit hohem Konfliktpotenzial.
Die Fusion der Entwicklungsarbeit evangelischer Kirchen führte 2012 dazu, dass die DÜ gGmbH zu einer 100%igen Tochter des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung e.V. (EWDE) mit der Marke Brot für die Welt wurde. Im Auftrag des EWDE unterstützt DÜ heute Brot für die Welt bei der Vermittlung von Fachkräften unter dem Entwicklungshelfer-Gesetz (EhfG).
Damit ermöglicht das EhfG, dass berufserfahrene Fachkräfte einen Beitrag zur Stärkung von Partnerorganisationen und internationalen Netzwerken im Rahmen der personellen Förderung von Brot für die Welt leisten können.