Jedes Kind hat ein Recht auf eine Zukunft
Zum Abschluss fing es doch noch an zu regnen. Rund zweihundert Schülerinnen und Schüler waren am 27. November gemeinsam mit dem indischen Friedensnobelpreisträger
vom Berliner Nordbahnhof zum Bundestag marschiert, um gegen die weltweite Ausbeutung von Kindern zu demonstrieren. Mit Slogans wie „Keine Jeans aus Kinderhänden, Kinderarbeit jetzt beenden“ und „Every child in every nation: freedom, safety, education“ und unterstützt von einer brasilianischen Percussion-Band machten sie im Zentrum der Hauptstadt lautstark auf ihr Anliegen aufmerksam. Auf der Friedrichstraße waren die Rufe nicht mehr zu überhören. Das beeindruckte auch die Passanten. Eine Schulklasse schloss sich spontan den jungen Protestierenden an und begleitete den Demozug. „Wir sind hier um der ganzen Welt zu sagen, dass jedes Kind ein Recht auf eine Zukunft hat“, rief Satyarthi den Jugendlichen und Passanten zu. „Für Kinderarbeit gibt es keine Entschuldigung. Kinderarbeit ist ein Verbrechen.“Brot für die Welt und GEW unterstützen 100 Million-Kampagne
Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zufolge müssen immer noch 152 Millionen Kinder weltweit arbeiten, davon 73 Millionen in ausbeuterischer Arbeit. Die Vereinten Nationen haben sich in ihrer Nachhaltigkeitsagenda das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 jede Form von Kinderarbeit zu beenden. Dies fordert auch die globale
100 Million-Kampagne, die der Kinderrechtsaktivist und langjährige Partner von Brot für die Welt Satyarthi ins Leben gerufen hat. Ihr Ziel ist es, weltweit Millionen Kinder aus Armut und Ausbeutung zu befreien und ihnen eine Zukunft in Freiheit und Sicherheit mit guter Bildung zu ermöglichen. Über 100 Millionen junge Menschen sollen sich weltweit für Kinderrechte stark machen und damit wirksame politische Maßnahmen gegen ausbeuterische Kinderarbeit anstoßen. Brot für die Welt und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützen die Kampagne, die aktuell in über 30 Ländern aktiv ist. Seite an Seite mit den Jugendlichen und Kailash Satyarthi marschierte deshalb auch die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel an der Spitze des Zuges hinter einem großen Banner mit der Aufschrift „When will every child have justice“.
Kinderarbeit in Steinbrüchen und Minen
Nicht nur aus Berlin, auch aus Hamburg, Leipzig, Stralsund und dem brandenburgischen Oderbruch-Neuendorf waren Schulklassen nach Berlin gekommen, um den Friedensnobelpreisträger zu treffen und an der Aktion gegen Kinderarbeit teilzunehmen. Erst kurz zuvor hatte der Deutsche Bundestag einen Antrag der Koalition gegen ausbeuterische Kinderarbeit angenommen. Dies ist ein erster Schritt auf dem Weg zu verbindlichen gesetzlichen Maßnahmen, die die Rechte von Kindern schützen sollen. „Es ist ein Skandal, dass Kinder in vielen Ländern der Welt immer noch brutal in Steinbrüchen und Minen ausgebeutet werden“, so Vera Isabella Arndt, Vertreterin von Brot für die Welt-Jugend. „Wir appellieren an die deutsche Politik, den Import von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu verbieten.“ Dies sei im Koalitionsantrag angedeutet, müsse nun aber auch zügig umgesetzt werden. Darüber hinaus seien verbindliche Vorgaben nötig, damit Unternehmen verpflichtet werden, ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten gerecht zu werden. Auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit müsse mehr getan werden, um Familien aus extremer Armut zu befreien und allen Kindern dieser Welt einen Schulbesuch zu ermöglichen, erklärte die Jugendvertreterin.
Empfang vor dem Bundestag
Vor dem Bundestag angekommen, wurden die Schülerinnen und Schüler nach eineinhalb Stunden Fußmarsch von Bundestagsabgeordneten der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, LINKE und GRÜNE empfangen. Sie übergaben den Politikerinnen und Politikern symbolisch einen großen Paragraphen, um damit ihre Forderungen nach gesetzlichen Regelungen für Unternehmen zu unterstreichen. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), und Wolfgang Stefinger (CSU) bekräftigten die Forderungen des Koalitionsantrags, der sich ja für ein Verbot des Imports von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit einsetzt. Die Vizepräsidentin des Bundestags, Claudia Roth (Die Grünen) ging einen Schritt weiter und forderte ein Lieferkettengesetz für die im Ausland tätigen Unternehmen. Ganz auf gesetzliche Maßnahmen setzte auch Helin Evrim Sommer (Die Linke). Matthias Seestern-Pauly (FDP) ging zwar nicht auf ein Lieferkettengesetz ein, zeigte sich aber offen für ein Importverbot von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit.
Fröstelnd im kühlen Novemberregen erinnerte Kailash Satyarthi die Abgeordneten nochmal an die UN-Nachhaltigkeitsziele, Kinderarbeit bis 2025 zu beseitigen: „Fünf Jahre sind nicht mehr viel Zeit. Wir können es schaffen, wenn wir es wirklich wollen. Gemeinsam haben wir die Kraft dazu. Ihr in Deutschland solltet mit guten Beispiel vorangehen.“ Das Schlusswort hatten dann wieder die Jugendlichen. Sie dankten den Abgeordneten für ihre Unterstützung, forderten sie aber auch klar dazu auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen. „Das Freiwilligkeitsprinzip muss endlich durch Verbindlichkeit ersetzt werden“, so Vera Isabella Arndt. „Kinderrechte sind schließlich Menschenrechte.“