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Sorgfältig verwässert

Eine neue Studie, die Brot für die Welt, Misereor und Global Policy Forum anlässlich des heutigen Arbeitgebertags veröffentlicht haben, zeigt welchen Druck Arbeitgeberverbände ausüben, um ein Gesetz zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen zu verhindern.

Von Maren Leifker am

symbolische Aktion vor dem Arbeitgebertag

Am heutigen Dienstag, den 12. November 2019, findet in Berlin der diesjährige Deutsche Arbeitgebertag statt. Eingeladen von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) haben sich hochkarätige Gäste wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier im abgeschiedenen Neuköllner Estrel-Hotel zusammengefunden, um über aktuelle politische Herausforderungen zu diskutieren.

Wirtschaftslobby gegen jegliche Verbindlichkeit

In der anlässlich des Deutschen Arbeitgebertags veröffentlichten Studie "Sorgfältig verwässert - wie die Wirtschaftsverbände versuchen, ein Lieferkettengesetz zu verhindern" zeigen Brot für die Welt, MISEREOR und das Global Policy Forum auf wie insbesondere der BDA und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sich gegen jegliche Verbindlichkeit beim Schutz von Menschenrechten sperren.

Im Jahr 2016 hat die Bundesregierung den „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) verabschiedet, um zu erreichen, dass deutsche Unternehmen entlang ihrer Lieferketten auf die Einhaltung von Menschenrechten achten. Der NAP beruht jedoch vollständig auf dem Prinzip der freiwilligen Selbstverpflichtung von Unternehmen: Verbindliche Regeln hatte die Bundesregierung auf Druck von Wirtschaftsverbänden aus dem NAP gestrichen.

Die aktuelle Studie zeigt, dass der Druck seitdem nicht nachgelassen hat. Im Gegenteil: Wirtschaftsverbände versuchen aktiv, auch die im Herbst 2018 gestartete Überprüfung der menschenrechtlichen Sorgfalt deutscher Unternehmen zu verzögern und zu verwässern. Auf Grundlage der Ergebnisse dieses sogenannten „NAP-Monitorings“ will die Bundesregierung entscheiden, ob sie ein Lieferkettengesetz einführt oder nicht. Im NAP heißt es dazu explizit, dass ein Gesetz erwogen wird, wenn die Überprüfung ergibt, dass weniger als 50% der großen deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden die Anforderungen an menschenrechtliche Sorgfalt erfüllen.

Für die Studie haben Brot für die Welt, Global Policy Forum und MISEREOR sechs Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestellt, unter anderem an das Auswärtige Amt (AA), das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Darin wurden Information zu Treffen und schriftlichem Austausch der Ministerien mit Unternehmen und Wirtschaftsverbänden zu den Themen „NAP-Monitoring“ und „Lieferkettengesetz“ angefragt.

Die Auswertung der Dokumente zeigt: Eine wichtige Rolle in der Lobbyoffensive spielte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der bis 2015 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (BMF) war und daher über beste Kontakte zu Wirtschaftsminister Peter Altmaier und zum Bundeskanzleramt verfügt. Unter massiven Druck geriet auch Entwicklungsminister Gerd Müller, nachdem im Februar 2019 aus seinem Ministerium der Entwurf für ein Wertschöpfungskettengesetz an die Öffentlichkeit gelangt war.

Verzögert und verwässert

Allein zwischen März und Juli 2019 traf sich das BMWi 11 Mal mit Vertreter*innen von Wirtschaftsverbänden zum Thema NAP-Monitoring. In dieser Zeit wurde in der Koalition über die Methodik des Monitorings gestritten, weil das BMWi aus einem Konsens aller anderen Ministerien zur Methodik ausgeschert war und versuchte zahlreiche Verwässerungen durchzusetzen. Die vom BMWi geforderten Änderungen an der Methodik deckten sich in vielerlei Hinsicht mit denen aus zahlreichen Schreiben und Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände, etwa der Behauptung, dass schon eine falsch gegebene Antwort im Fragebogen ein Unternehmen als „Nicht-Erfüller“ qualifiziere und man dadurch als Unternehmen abgestempelt würde, das Menschenrechte missachte. Da das Monitoring vollkommen transparent verläuft, ist diese Kritik aus der Luft gegriffen. Doch die Lobbyoffensive hatte Erfolg: In dem aufgrund des Streits drei Monate später beschlossenen Zwischenbericht zur Methodik des Monitorings finden sich zahlreiche Verwässerungen. Dazu gehört insbesondere die Einführung von Zwischenkategorien, welche die klare Unterscheidung zwischen Erfüllern und Nicht-Erfüllern verwischt. Unternehmen, welche die Anforderungen des NAP fast erfüllen, werden nunmehr als „Unternehmen auf einem guten Wege“ bezeichnet. Unternehmen, die die Anforderungen bald erfüllen wollen, heißen nun „Unternehmen mit Umsetzungsplan“. Letztere werden in dem für Mitte 2020 geplanten entscheidenden Abschlussbericht nicht zu den Nicht-Erfüllern gezählt, obwohl sie die Anforderungen faktisch nicht erfüllen. In einer gemeinsamen Stellungnahme machten das CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), das Forum Menschenrechte und der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) deutlich, dass die nun beschlossene Methodik keine glaubwürdige, unabhängige und wissenschaftlich fundierte Grundlage mehr darstellt, um den Umsetzungsstand der menschenrechtlichen Sorgfalt deutscher Unternehmen angemessen und repräsentativ zu untersuchen und darzustellen.

Lieferkettengesetz unabhängig vom Monitoring

Der Verlust an Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit und Repräsentativität, den das NAP-Monitoring durch die Verwässerungen des BMWi erlitten hat, ist ein wesentlicher Grund für die im September 2019 gestartete Initiative Lieferkettengesetz zu fordern, dass Unternehmen schon jetzt - unabhängig vom bis 2020 laufenden Monitoring - gesetzlich verpflichtet werden, entlang ihrer Lieferketten auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten. Mit einer symbolischen Aktion vor dem Tagungszentrum des Deutschen Arbeitgebertags haben Vertreter*innen der Initiative heute gegen den „Kuschelkurs“ von Wirtschaftsminister Peter Altmaier mit der BDA protestiert und gefordert, dass die Wirtschaftsverbände ihre Blockadehaltung gegen verbindliche Regeln zum Schutz von Menschenrechten im Wirtschaftsverkehr aufgeben.

 

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