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Umgang mit sexualisierter Kriegsgewalt

In bewaffneten Konflikten kommt es oft zu sexualisierten Formen der Gewalt. Zahlreiche Taten bleiben ungesühnt. Betroffene leiden an den Folgen ein Leben lang. Soziale Tabus erschweren den Umgang.

FriedensaktivistInnen aus dem globalen Süden diskutierten dazu beim Global Peacebuilders Summit 2018.

Von Dr. Martina Fischer am

Vor allem in Bürgerkriegen und ethnopolitischen Konflikten wird sexualisierte Gewalt häufig zum Bestandteil von Kriegsstrategien. Wissenschaftliche Studien zum internationalen Kriegsgeschehen belegen, dass ein Großteil sexueller Übergriffe nicht nur auf die Entscheidung Einzelner zurückzuführen ist, sondern auch von Befehlshabern autorisiert und als taktisches Mittel angewandt wird, mit dem man als feindlich wahrgenommene Gemeinschaften systematisch entwürdigen und zerbrechen kann. Dies wurde beispielsweise in den 1990er Jahren in der Kriegsdynamik im Westlichen Balkan deutlich, wo Vergewaltigung und sexuelle Ausbeutung an allen Fronten und vielfach als Mittel ethnopolitischer Vertreibung zum Einsatz kam. Sexualisierte Kriegsgewalt bildet eine Sonderform geschlechtsbezogener Gewalt. Sie richtet sich oft gegen weibliche Körper, in der Absicht männliche Beschützerrollen in Frage zu stellen. Aber Männer werden ebenfalls Opfer sexualisierter Gewalt, die auch mit homophoben Mustern einhergeht. Da diese Form der Gewalt gesellschaftliche und kulturelle Tabus massiv verletzt, ist die Aufarbeitung besonders schwer. Die Frage, wie Gesellschaften einen angemessenen Umgang damit finden können, der die Täter zur Rechenschaft zieht und gleichzeitig den betroffenen Personen Anerkennung, Schutz und Heilung verspricht, ist zentral. Davon hängt ab, ob ein Weiterleben und ein Wiederaufbau von Beziehungen ermöglicht wird.

Sexualisierte Kriegsgewalt als globale Herausforderung

Schon beim Global Peacebuilders Summit 2017, der von der Culture Counts Foundation in Paretz bei Berlin abgehalten wurde, wurde deutlich, dass der Umgang mit sexualisierter Kriegsgewalt eine globale Herausforderung darstellt. Viele der anwesenden FriedensaktivistInnen waren mit der Frage konfrontiert, wie sie dieses schwierige Thema in ihren unterschiedlichen Kontexten und Kulturen bearbeiten können. Auf Wunsch der Teilnehmenden konzipierten Dr. Monika Hauser (Vorsitzende von Medica Mondiale) und Dr. Martina Fischer (Referentin für Frieden und Konfliktbearbeitung bei Brot für die Welt) einen Workshop zum Thema "Dealing with war-related sexualised violence: Experiences and challenges" für den nachfolgenden Peacebuilders Summit im September 2018. Die Ergebnisse der Veranstaltung wurden in einer Dokumentation festgehalten, die nun von der Website der Culture Counts Foundation als pdf-Datei heruntergeladen werden kann. Als Input-Geberinnen fungierten Maria Zemp, die den Stress- und Traumasensiblen Ansatz von Medica Mondiale vorstellte, Martina Fischer, die Fortschritte und Hindernisse in der Praxis der Transitional Justice beleuchtete, Halima Adan (von der NGO "Save Somali Women and Children"), die Erfahrungen aus Somalia beisteuerte und Monika Hauser, die von den Schwierigkeiten wiederherstellender Gerechtigkeit (restorative justice) in Bosnien-Herzegowina  berichtete. In die Diskussion flossen weitere Erfahrungsberichte ein, u.a. aus dem Nahen und Mittleren Osten,  und diversen afrikanischen Ländern.

Fortschritte und Hindernisse

Der Workshop verdeutlichte, dass weltweit durchaus partielle Fortschritte im Umgang mit sexualisierter Kriegsgewalt erzielt wurden, so wurde Vergewaltigung durch das Haager Jugoslawientribunal erstmals als Kriegsverbrechen anerkannt und damit auch völkerrechtlich zu einem Straftatbestand. Das bedeutet jedoch nicht, dass Gerichte derartigen Verbrechen sehr systematisch nachgehen würden, noch immer bleiben viele Taten ungesühnt oder kommen gar nicht erst zur Anklage. Zudem wird den Opfern oft die für Heilungsprozesse erforderliche Anerkennung und Entschädigung vorenthalten. Auch Wahrheitskommissionen werden den Bedürfnissen der Betroffenen nicht umfassend gerecht. Vielfach stehen kulturelle Tabus der Aufarbeitung im Wege, auch traditionelle Formen des Ausgleichs halten keine überzeugenden Lösungen bereit, können das Leiden für Betroffene unter Umständen sogar noch verschlimmern. Jedoch konnte in manchen Fällen (so zeigten z.B. Berichte aus Bosnien-Herzegowina) durch das Zusammenwirken von NGO-Kampagnen, Opferaktivitäten und Kulturschaffenden Tabus entgegengewirkt und politische Zugeständnisse (in Form von Entschädigungsansprüchen) erwirkt werden. Solche Erfolge bilden jedoch bislang eher die Ausnahme, und auch dann ist es ein langer Prozess, bis die Betroffenen tatsächlich Unterstützung bekommen. Letztlich führt kein Weg daran vorbei, die Frage des Umgangs mit sexualisierter Kriegsgewalt grundsätzlich auch offen zum Gegenstand von Friedensverhandlungen zu machen. Nur so, das zeigt beispielsweise der Bericht aus Somalia, kann der Weg dafür bereitet werden, dass das Thema in Erinnerungskulturen angemessen aufgegriffen wird.

Hintergrund und Ziele des "Global Peacebuilders Summit"

Der Global Peacebuilders Summit (GPS) wird seit 2016 von der Culture Counts Foundation in Kooperation mit weiteren Einrichtungen (z.B. der Helga Breuninger Stiftung, Robert Bosch Stiftung, und teilweise auch mit Unterstützung des Auswärtigen Amts) in der Akademie Paretz bei Berlin durchgeführt. Ziel ist es, FriedensaktivistInnen, die sich in Krisengebieten und schwierigen Kontexten für Frieden, Gerechtigkeit und gewaltfreie Formen der Konfliktaustragung engagieren, miteinander ins Gespräch zu bringen und einen geschützten Raum zu bieten, um über ihre Arbeit zu reflektieren. Das Netzwerk umfasst 35 Personen aus vier Kontinenten. Seit 2017 sind auch Partner von Brot für die Welt mit dabei. Weitere Informationen zu den Zielen und Aktivitäten des GPS finden sich auf der Website der Culture Counts Foundation.

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