Es gibt überall in Europa Initiativen, die zur Teilnahme an der Wahl aufrufen. Sie wollen besonders diejenigen mobilisieren, denen eine weltoffene, solidarische und dem Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtete EU wichtig ist – eine EU, die Frieden fördert und sich gegen Aufrüstung und Abschirmung ausspricht.
Auch die Diakonie Deutschland, Brot für die Welt und Misereor sind in diesem Sinne aktiv und machen in Positionspapieren und mit öffentlichen Veranstaltungen darauf aufmerksam, was bei der bevorstehenden EU-Wahl auf dem Spiel steht.
Auf einer Podiumsdiskussion am 9. April mit Spitzenkandidat*innen für die EU-Wahl ging es auch um die Frage, welchen Stellenwert die verschiedenen Parteien der Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 Zielen für eine weltweite nachhaltige Entwicklung (SDGs) beimessen. Immerhin taucht die Agenda 2030 in den EU-Wahlprogrammen von Union, SPD, Grünen, Linken und FDP auf – mal sogar in der Präambel, vor allem aber in den Kapiteln zur Entwicklungs- und Umweltpolitik. Und in der von Brot für die Welt und Misereor in Kooperation mit SDSN Germany veranstalteten Podiumsdiskussion in der Berliner Friedrichstadtkirche stimmten alle auf dem Podium Barley (SPD), Caspary (CDU), Keller (Grüne), Demirel (Linke) und Mansmann (FDP) darin überein, dass die Agenda 2030 so etwas wie ein Leitbild und Orientierungsrahmen für die Politik der EU sein sollte. Doch wie verbindlich dies gemacht werden sollte, blieb unklar – so unklar wie ein „Reflection Paper“, das die EU-Kommission zu Beginn des Jahres zum Thema Agenda 2030 veröffentlicht hatte.
EU: Champion und Schlusslicht in Sachen Nachhaltigkeit
In diesem Dokument stellt die EU-Kommission sich selbst und die EU-Mitgliedsstaaten zunächst als Champion in Sachen Erreichung der SDGs dar und konzentriert sich dabei auf klassische Entwicklungsziele wie die Überwindung von extremer Armut und Hunger, den Zugang zu Basis-Gesundheitsversorgung, Bildung, sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung – Bereiche, in denen die EU schon lange gut aufgestellt ist.
Allerdings verschweigt die EU-Kommission auch nicht, dass die 27 EU-Mitgliedsstaaten bei SDG 12 „nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen“ im internationalen Vergleich weit hinten liegen und dass auch bei SDG 10 „Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern“ der Trend in den meisten EU-Mitgliedsländern in die falsche Richtung geht. Die Ungleichheit wird größer. Und nur unzureichend hat die EU-Kommission untersucht, welche Auswirkungen etwa ihre Agrar- und Handelspolitik auf die Länder des globalen Südens hat. Überwiegend negative – davon sind Brot für die Welt und Misereor überzeugt.
Wahl zwischen drei Szenarien
Als Diskussionsanstoß entfaltet die EU-Kommission in ihrem „Reflection Paper“ drei Szenarien, wie die EU mit der Agenda 2030 umgehen könnte: Szenario 1 geht am weitesten und schlägt vor, dass sich die EU zur Umsetzung der Agenda 2030 für alle Politikbereiche konkrete Ziele gibt, die bis 2030 erreicht werden sollen und für alle Mitgliedsländer verbindlich sind. Szenario 2 fasst die Agenda 2030 zwar auch als etwas Ganzheitliches auf, das in allen Politikbereichen eine Transformation einleiten sollte – aber jedem Mitgliedsland steht es frei, daraus konkrete Ziele abzuleiten. Szenario 3 sieht kaum Handlungsbedarf innerhalb Europas und sieht die EU nur in Rolle, armen Ländern im Rahmen der Entwicklungshilfe darin zu unterstützen, extreme Armut und Hunger zu überwinden.
In der Podiumsdiskussion am 9. April wurden zwar Unterschiede zwischen den Parteien deutlich, aber es gelang nicht, die Panelist*innen zu klaren Aussagen zu bewegen, welches der drei Szenarien sie favorisieren. In weiteren öffentlichen Veranstaltungen sollten EU-Kandidat*innen immer wieder auf diese Szenarien angesprochen und zu klaren Stellungnahmen aufgefordert werden.
Ausgewählte Aussagen zu Handels- und Umweltpolitik finden Sie hier:
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Die Agenda 2030 ist nämlich alles andere als ein Programm für die klassische Entwicklungshilfe. Sie ist mit „Transforming Our World“ überschrieben und fordert ausdrücklich alle Staaten auf, ihre gesamte Politik auf den Prüfstand zu stellen und so umzugestalten, dass sie einer weltweiten nachhaltigen und menschenrechtsbasierten Entwicklung dient.