„Niemanden zurücklassen“: Das diesjährige Motto des Weltwassertages macht deutlich wie nie, dass Wasser und Sanitärversorgung elementare Menschenrechte sind, ohne die niemand in Würde leben kann. Es erinnert zugleich an das Kernversprechen der globalen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele (SDGs), alle Menschen bei der Überwindung von Armut durch nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Das internationale Wasserziel (SDG6) verspricht universellen und gerechten Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser und sicheren Sanitäranlagen.
Tagtägliche humanitäre Katastrophe
Allen Absichtserklärungen zum Trotz bleibt die Grundversorgung mit sauberem Trinkwasser und hygienischen Toiletten für große Teile der Weltbevölkerung ein unerfülltes Menschenrecht. Der Weltwasserbericht 2019 dokumentiert die andauernde humanitäre Katastrophe. Mehr als zwei Milliarden Menschen sind demnach gezwungen jeden Tag Wasser zu trinken, das mit Fäkalien und Krankheitserregern verschmutzt ist. Fast die Hälfte davon muss weite Wege in Kauf nehmen, um an eine Wasserquelle zu kommen. Jeder dritte Mensch kann statt einer sauberen Toilette nur einfachste Latrinen benutzen oder muss seine Notdurft ungeschützt im Freien verrichten, oft ohne Wasser und Seife.
Hinter diesen Zahlen verbergen sich millionenfaches Elend und geraubte Zukunftsperspektiven. Erkrankungen aufgrund von verunreinigtem Wasser und mangelnder Hygiene töten jährlich mehr Menschen als jegliche Form von Krieg und Gewalt. Durchfall ist eine Hauptursache für kindliche Mangelernährung - mit lebenslangen Folgen. Frauen und Mädchen raubt stundenlanges tägliches Wasserholen die Zeit für Schule, Beruf oder Freizeit. Für ihre Hygienebedürfnisse ist der Mangel an Wasser und Toiletten besonders problematisch. So hindern auch fehlende Toiletten Mädchen daran, zur Schule zu gehen. Der Mangel an Wasser und Sanitäranlagen bedeutet für Frauen und Mädchen, dass sie sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind, denn sie werden häufig beim Wasserholen oder der Notdurft im Freien überfallen. Bei Entscheidungen darüber, wie die Wasser- und Sanitärversorgung gestaltet und verwaltet werden soll, dürfen sie dennoch oft nicht mitreden und bleiben ausgeschlossen.
Wasser wird knapp…
Die menschliche Katastrophe wird verschärft durch die ökologische Wasserkrise, denn Wasser wird weltweit übernutzt, verschmutzt und umgeleitet. Die intensive Bewässerungslandwirtschaft, aber auch Bergbau, Industrie und wachsende Städte haben die Grenzen nachhaltiger Wassernutzung vielerorts längst überschritten. Die fortschreitende Zerstörung von Böden, Wäldern und Feuchtgebieten bedrohen die sensiblen Wasserkreisläufen. Gelingt es nicht den Klimawandel aufzuhalten, werden erratische Regenfälle, schmelzende Gletscher und Überschwemmungen die Situation massiv verschärfen. Der Dürre-Sommer in weiten Teilen Europas hat gezeigt, dass kaum ein Ort auf der Welt von der Wasserkrise verschont bleiben wird. Mehr als zwei Milliarden Menschen leben schon jetzt in Gebieten mit ständigem Wassermangel. 2050 könnte die Hälfte der Weltbevölkerung betroffen sein.
…und knapp gemacht
Der Wettbewerb um die schwindenden Süßwasservorräte ist längst in vollem Gange. Die Privatisierung von Wasservorkommen und der Handel mit Wasser schränken den Zugang der lokalen Bevölkerung zugunsten einzelner kommerzieller Interessen immer weiter ein. So kaufen Getränkehersteller weltweit lukrative Trinkwasserquellen auf. Abgefüllt in Flaschen wird das Wasser zum Luxusgut und damit unerschwinglich für alle, die in Armut leben. Auch der Verkauf und die Konzessionsvergabe von Wasserdienstleistungen und großen Landflächen (inklusive des Grund- und Oberflächenwassers) an internationale Konzerne ist besorgniserregend. Dabei geht es nicht nur um Zugang zu bezahlbarem Trinkwasser, sondern auch um Wasser für die Ernährungssicherheit. In vielen Ländern drohen kleinbäuerliche Produzent*innen und nomadische Viehhirt*innen beim verschärften Wettbewerb um Wasser leer auszugehen, während die „Cash Crops“ der industriellen Exportlandwirtschaft aufwändig bewässert werden. Durch die globalisierte Landwirtschaft und den Welthandel werden auf diese Weise riesige Mengen an so genannten „virtuellem Wasser“, das in die Herstellung von Produkten mit einfließt, in andere Länder exportiert. Vor allem in trockenen Regionen, die für den Weltmarkt produzieren, fehlt dieses Wasser ganz konkret den Menschen vor Ort.
Ungleichheit und Diskriminierung beenden
Ob Wasser in Zukunft sauber und trinkbar ist und wer Zugang dazu hat, hängt mehr denn je von politischen Entscheidungen rund um die Wassernutzung ab. „Niemanden zurückzulassen“ heißt vor allem, gerechten Zugang für Personen und Gruppen zu ermöglichen, die in besonderem Maße von Wassermangel und fehlenden Sanitäreinrichtungen betroffen sind: Das sind Menschen, die in Armut leben, Frauen, Kinder, Geflüchtete, Kleinbauernfamilien und viele andere - die oft übersehen werden oder Diskriminierung erfahren, wenn sie versuchen, Zugang zu Wasser für ihren Haushalt oder die Landwirtschaft zu erhalten. Die Verletzung des Rechts auf Wasser geschieht aber längst nicht nur im globalen Süden. Auch in Europa wird Menschen das Wasser abgestellt, wenn sie es nicht bezahlen können.
Nur ein Menschenrechtsansatz, der auf Partizipation, Nicht-Diskriminierung, und Gleichberechtigung setzt, kann die strukturellen Ursachen für den mangelnden Zugang zu Wasser identifizieren und beseitigen. Er zeigt auf, dass es bei den Lösungen um mehr gehen muss als die bloße Bereitstellung der Wasserinfrastruktur. Wasser- und Sanitärversorgung muss auch erschwinglich sein und geschlechtsbedingte Benachteiligungen sowie andere Formen von Diskriminierung in den Blick nehmen. Da sich Interessenkonflikte nicht vermeiden lassen, müssen die Mitspracherechte von benachteiligten Gruppen in der kommunalen Entwicklungsplanung gestärkt und ihre oft informellen Land- und Wasserrechte anerkannt werden.
Wasser muss in öffentlicher Verantwortung bleiben
Um die Wasserressourcen des Planeten langfristig zu erhalten und gerecht zu verteilen, bedarf es neben weitreichender Anstrengungen, etwa in Klima-, Agrar- und Umweltpolitik, auch eines Stopps der Privatisierung und Kommerzialisierung von Wasser. Die Politik ist gefragt! Staaten dürfen die Verantwortung für einen gerechten Interessenausgleich um unser wichtigstes Lebensmittel nicht aus der Hand geben. Sie sind den Menschenrechten verpflichtet: Wasser darf nicht denjenigen verwehrt werden, die es sich nicht leisten können.