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ZDF-Doku: Die großen Irrtümer der Globalisierung

Einmal mehr wird in einer Fernsehreportage dem Mythos der neoliberalen Globalisierungspropheten nachgegangen, offene Handelsgrenzen brächten Wohlstand für alle und schafften Armut und Hunger in der Welt ab. Zu sehen bis 10.4.2020 in der ZDF Mediathek (siehe Text).

Von Francisco Marí am

Dokuszene in einer Bäckerei in Mbour/Senegal.

Einmal mehr wird in einer Fernsehreportage dem Mythos der neoliberalen Globalisierungspropheten nachgegangen, offene Handelsgrenzen brächten Wohlstand für alle und schafften Armut und Hunger in der Welt ab.  Zu sehen bis zum 10. April 2020 in der ZDF Mediathek.

„Die großen Irrtümer der Globalisierung“ vom Filmemacher Stefan Ebeling

Brot für die Welt und Partner waren wieder angefragt die Globalisierungsfolgen im Globalen Süden mit einzuschätzen, besonders in Afrika am Beispiel von EU Agrarexporten nach Senegal.

Zugegeben es werden immer weniger, die die reine Lehre von Liberalisierung und Marktöffnung verteidigen, aber seitdem Trumps „America First“ auch die EU und besonders Deutschlands Exporte bedroht, wird jeder Globalisierungskritiker gleich zum Trump Anhänger. Da ist es gut, dass Journalisten und Journalistinnen immer wieder einmal hinter die Argumente dieser „Retter des freien Handels und der freien Welt“ schauen und hinterfragen, ob z.B. Trumps Strafzölle gegen China und EU nicht einen ernsten Hintergrund haben – nämlich die Schattenseiten und die Verlierer der Globalisierung. Dabei wird nicht die Heuchelei der Trumpschen Politik verschwiegen, denn die USA gehören zu den großen Gewinnern der Globalisierung, wie sich z.B. am Armutsgefälle zu den südlichen Nachbarn Mittelamerikas zeigt.

 

Afrika ist (noch) ein Globalisierungsverlierer

Afrika steht bei Globalisierungsdebatten selten im Vordergrund. Obwohl die EU und Bundesregierung in den letzten drei Jahren unzählbare Initiativen gestartet haben den afrikanischen Kontinent fit für den Weltmarkt zu machen, um z.B. Millionen Jugendlichen eine Bleibeperspektive zu schaffen, wie sie sagen. Es besteht aber der Verdacht, dass am Ende die hartnäckigen zum Teil neokolonialen Strukturen zwischen Europa und Afrika unangetastet bleiben werden. Denn schon jetzt ist Afrika mit Abstand der Globalisierungsverlierer Nummer Eins. Auch der von der Bundesregierung beschlossene Marschallplan für Afrika stellte das fest.

Da Globalisierung, wie in der Fernsehdokumentation zu sehen ist, vor allem verstanden wird als die wirtschaftliche Liberalisierung der globalen Warenströme, einschließlich Dienstleistungen, sind die Gewinner ausschließlich die alten und einige neue Industrienationen, besser gesagt deren Konzerne. Sie können heute schrankenlos global agieren und ungehindert Ressourcen, Arbeitskräfte und Produktion weltweit rekrutieren. Größtenteils auch frei von nationalen Schranken und Gesetzen, die Menschenrechte, Umwelt oder Arbeit schützen und oft auch befreit von Steuern oder Abgaben, um Konzerne für Investitionen anzulocken.  Höchstens moralisch umrahmt von „freiwilligen“ Selbstbeschränkungen zu Kinder- und Sklavenarbeit oder den schlimmsten Umweltsünden.

 

 

Afrikas neoliberale Wende der 1990er Jahre hat Armut vergrößert

In Bezug auf Afrika verwundert die optimistische Haltung von EU und Bundesregierung, dass mit all den Initiativen und Geldern, die vor allem Privatinvestitionen locken sollen, Afrika oder zumindest einige Länder den Sprung auf das Podest der Gewinner einer Integration in die Weltmärkte schaffen werden.

 

 Denn es gibt keinen Kontinent, der seit Mitte der 1980er Jahre mehr sich den damaligen Empfehlungen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds eine neoliberale Wirtschaftspolitik einzuleiten, unterworfen hätte. Niedrige Zölle, offene Märkte und investorenfreundliche Abkommen waren das Ergebnis. Erzwungen durch das Versprechen einer Entschuldung der öffentlichen Haushalte, wurde Afrika noch stärker in die Exportabhängigkeit mit Rohstoffen und Agrarprodukten zur Devisenbeschaffung und zum Schuldenabbau gedrängt. Gleichzeitig sollten die Nahrungsmittelpreise durch Agrarimporte mit niedrigen Einfuhrzöllen die städtische Bevölkerung beruhigen. Obwohl staatliche Ausgaben für Gesundheit, Industrieförderung, Energie und Wasser oder Bildung massiv gekürzt wurden, verlief die Privatisierungs- und Liberalisierungswelle großen Ausmaßes halbwegs protestfrei ab. Zumal in den 1990er Jahren viele ehemals korrupten und diktatorischen Regime einen demokratischen Mantel erhielten. 

 

Wie wenig wirtschaftlicher Fortschritt, Arbeitsplätze oder Industrialisierung dieser radikale Kahlschlag staatlicher Daseinsfürsorge gebracht hat, geben heute selbst Weltbank, IWF und Gebernationen zu.

In der Landwirtschaft, die nach wie vor der größte Arbeitgeber in Afrika ist und am meisten zur Wertschöpfung beiträgt, hat das in einzelnen Sektoren zu einer unfairen Konkurrenz mit zum Teil hoch subventionierten EU Agrarprodukten geführt.

 

 

Afrikas Marktöffnung  schadet lokalen AgrarproduzentInnen

Die Fernsehdokumentation macht das am Beispiel der Abhängigkeit Senegals von Weizenimporten deutlich. Im Senegal hat Frankreich schon vor Jahrzehnten sein Weißbrot zum Grundnahrungsmittel gemacht, auf Kosten der einheimischen Getreideproduktion, vor allem von Sorghum und Hirse.  Wie absurd das ist, zeigt sich in diesem Jahr 2019, wo vor ein paar Tagen die FAO einen Rückgang der weltweiten Getreideernten durch Dürre in den Industrienationen verkündete. Das bedeutet für die senegalesische Regierung, dass sie bald die nun teuren EU Weizenimporte subventionieren muss, um den Brotpreis für die Bevölkerung zu halten. Gleichzeitig würden senegalesische BäuerInnen gerne mehr Sorghum und Hirse anbauen, aber sie bekommen schon jetzt ihre Mengen gar nicht los und verfüttern sie an ihre Tiere, weil das französische Baguette und Weizenmehl überall billiger ist. Auch das zeigt die Dokumentation.

Noch könnte Senegal durch hohe Zölle die Einfuhr von Weizen regulieren. Bei Weizenmehl erhebt es bereits über 70% Zoll – dies erlaubt die westafrikanische Zollunion als eine befristete Ausnahme.

So wie Weizen gelangen immer mehr Güter aus der EU auf die afrikanischen Märkte, zusätzlich angeheizt durch einen Flickenteppich von EU Handelsverträgen, von denen wenige in Kraft, viele unterzeichnet, manche gar nicht verhandelt sind. Staaten, wie Ghana und Cote d’Ivoire in Westafrika könnten aufgrund von sogenannten InterimEPAs  einen Zoll gegenüber EU Gütern gar nicht anheben. Sollte das EU Abkommen, Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) genannt, mit Westafrika als Ganzes, in Kraft treten (Nigeria leistet noch Widerstand) müssten alle Staaten in naher Zukunft bis zu 80% ihrer Zölle abschaffen.

 

 

Afrikas Antwort auf die Globalisierung: die kontinentale Freihandelszone

Wie sollen afrikanische Staaten und ihre Bevölkerung so zu Globalisierungsgewinnern werden? Die Antwort der afrikanischen Regierungen ist die Schaffung einer riesigen gemeinsamen Afrikanischen Freihandelszone. Statt als Einzelstaaten oder Regionen sich noch weiter gegenüber Wirtschaftsmächten, wie der EU zu öffnen, soll das hohe Potential eines gemeinsamen Binnenmarktes genutzt werden – die EU hat es angeblich vorgemacht.

Aber genau diese Kopie der EU Erweiterung würde zu großen ökonomischen Verwerfungen aufgrund der riesigen wirtschaftlichen Unterschiede der einzelnen afrikanischen Staaten führen. Das galt zwar, z.B. bei der Osterweiterung der EU auch, aber die wirtschaftliche Macht Deutschlands, Frankreichs, Italiens oder Großbritanniens, etc. konnte zumindest einen Teil der negativen Wirkungen durch massive Investitionen in Osteuropa ausgleichen.

Wie soll das aber in Afrika geschehen? Werden nicht schon bestehende Konzerne aus Südafrika, Kenia, Nigeria, Marokko die anderen afrikanischen Staaten mit ihren Waren überrollen, so wie die EU, China, USA es mit Afrika jetzt schon machen? Es ist nicht abzusehen, wo die Mittel für einen regionalen Ausgleichsfonds der Afrikanische Union herkommen sollen.

Außerdem wurden keinerlei Schutzmechanismen für die Mitglieder der Afrikanischen Freihandelszone beschlossen, die die ärmsten Staaten Afrikas ergreifen könnten gegen ihre „Nachbarn“. Menschenrechte oder Umweltschutz spielen auch nur als Lippenkenntnisse eine Rolle. Will Afrika sich also einfach nur dem neoliberalen Mythos unterwerfen: öffnen wir unsere Märkte, dann werden wir alle gemeinsam reich? Und wie werden die Außenbeziehungen dieser großen afrikanischen Freihandelszone werden?

 

 

EPAs werden zu EU Brückenköpfen gegen Afrikas Integration

Während die WTO Afrika davor warnt sich abzuschotten, feiert geradezu euphorisch die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft die Ankündigung einer Afrikanischen Freihandelszone. Gleiches gilt auch für die EU. Kommissionspräsident Juncker überlegte gar gleich beide Kontinente in einer gemeinsamen Wirtschaftszone aufgehen zu lassen.

Es dürfte klar sein warum sich EU und Deutschland freuen. Durch die wenigen abgeschlossenen EPAs hat sich die EU wirtschaftliche Brückenköpfe geschaffen über die sie ihre Waren in einigen Jahren zollfrei nach ganz Afrika exportieren kann. Nicht nur in Einzelstaaten mit Freihandelsverträgen, wie Marokko, Südafrika, Kenia, Zimbabwe, Ghana, Kamerun, etc., sondern, sobald die innerafrikanischen Zölle fallen, eben überallhin. Auch in die Staaten, die sich bisher hartnäckig weigern ihre Märkte der EU gegenüber zu opfern, weil sie die eigene Landwirtschaft und Industrie fördern wollen, wie z.B. Nigeria und Tansania. So sind letztere Regierungen noch nicht der Freihandelszone beigetreten, andere werden es sich reiflich überlegen oder werden den Aufbau eines gemeinsamen Binnenmarktes verzögern, solange Marktöffnung gegenüber Nachbarn, die mit der EU EPAs haben, bedeutet, dass EU Billigprodukte auch den eigenen Markt überschwemmen.

Wollten EU und Bundesregierung wirklich die Entwicklung eines afrikanischen Binnenmarktes fördern, müssten sie die Einzelabkommen (EPAs) erstmal einfrieren und dem ganzen Kontinent einseitig Zollfreiheit für ihre Produkte anbieten. Das wäre ein ehrliches EU Angebot der Unterstützung Afrikas ohne Hintertür und Eigeninteressen.

Solange die EU, wie auch andere Industrienationen, in Afrika nur ein billiges Rohstoffreservoir sehen, vielleicht bald auch ein Billiglohngebiet wird sie das selbstgesteckte Ziel Millionen Arbeitsplätze für Jugendliche zu ermöglichen, nicht erreichen. Auch Investoren werden kaum in Afrika für den dann großen afrikanischen Binnenmarkt produzieren, wenn sie befürchten müssen von Waren aus Europa oder China wegkonkurriert zu werden.

Zwingt die EU nun Afrika auch noch ein Dienstleistungsabkommen auf, wie im Post-Cotonou Mandat angekündigt, können afrikanische Regierungen nicht einmal im öffentlichen Beschaffungswesen, nationale oder afrikanische Anbieter bevorzugen und z.B. könnten dann EU Baukonzerne mitbieten.

Dann kann Afrikas Anteil am Welthandel, wie die Weltbank für 2030 schon voraussagt, zwar um 50% steigen – von 2% auf 3%, aber der Kontinent bleibt, vielleicht mit Ausnahme einzelner Staaten, das Armenhaus der Globalisierung. Brot für die Welt, afrikanische und europäische Zivilgesellschaften, Gewerkschaften, Kirchen, KleinunternehmerInnen und BäuerInnen werden das nicht tatenlos hinnehmen und sowohl EU, deutsche aber auch afrikanische Wirtschaftsinitiativen sehr kritisch begleiten und eine Beteiligung daran laut einfordern.

 

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