Frau Trinkwalder, warum gibt es in Deutschland so wenig fair produzierte Mode?
Weil faire Mode vielen Kunden leider noch immer keinen Cent mehr wert ist. Weil sie sich nicht davon betroffen fühlen und nicht wissen, wie viel Arbeit in der Herstellung eines Kleides oder einer Hose steckt. Vor 30 Jahren konnten viele Leute noch nähen. Sie haben die Strumpfhose geflickt, weil die teuer war. Doch im Zuge der Globalisierung und Billigheimer-Mentalität ist alles viel günstiger geworden. Damit hat auch die Wertigkeit von Kleidung abgenommen. Den Kunden jetzt, nach 30 Jahren Preisspirale nach unten, zu sagen, nehmt doch mal ein T-Shirt, das vielleicht mehr kostet, aber qualitativ hochwertiger und langlebiger ist – das ist extrem schwer. Die „Geiz ist geil“-Mentalität ist auch bei Unternehmen verbreitet. Es muss immer billiger sein. Kaum einer traut sich, langfristige und faire Beziehungen einzugehen – die könnten ja Geld kosten.
Was könnte helfen?
Ein Lieferkettengesetz! Solange sich Industrie und Wirtschaft freiwillig Regeln auferlegen, bekommen Konsumenten keinerlei Transparenz. Die aber brauchen sie, um ethisch korrekt konsumieren zu können. Können sie das nicht, bleiben die Menschen, die auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette für unseren Konsum arbeiten, die absoluten Verlierer.
Sollte ein solches Gesetz auch für kleine Firmen gelten?
Ja. Egal ob großer Konzern oder kleines Unternehmen – jeder Mensch, der an einer Wertschöpfungskette beteiligt ist, hat ein Anrecht darauf, würdevoll behandelt zu werden. Das Lieferkettengesetz muss für alle gelten. Und es muss global wirken. Wenn wir über faire Arbeitsbedingungen und Menschenwürde sprechen, geht es um die Menschen überall auf der Welt. Es geht auch um Arbeitsbedingungen im Globalen Norden. Wir müssen uns füreinander interessieren und engagieren, denn wir leben zusammen – auch wenn wir uns nicht immer sehen.