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Corona & Friedenspolitik: Letzte Chance für Europa

Am 16. Juni 2020 wurde das neue "Friedensgutachten" in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Es gelte, Corona zu bekämpfen ohne Friedenspolitik aufzugeben, und die EU müsse die Pandemie als Chance nutzen, so lautet die zentrale Forderung. Über die Analysen und Empfehlungen diskutierten dann Fachleute aus Forschung, Politik und Kirche bei einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie in Berlin.

Von Dr. Martina Fischer am
Friedensgutachten 2020

Das Friedensgutachten analysiert aktuelle Gewaltkonflikte, zeigt Trends der internationalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik auf und gibt Empfehlungen für die Politik. Die gemeinsame Jahrespublikation des BICC (Bonn International Center for Conversion), des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) und des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) trägt den Titel:

"Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa". Die Analysen und Argumente des Gutachtens bieten auch gute Grundlagen für die Arbeit der kirchlichen Hilfswerke. Aus der einleitenden Stellungnahme der HerausgeberInnen werden hier einige Empfehlungen in Kurzform präsentiert. Sie richten sich an die Bundesregierung und die Europäische Union.

Krisenbewältigung und Friedensförderung
als multilaterale Aufgaben

Im Schatten der Pandemie nehme die Gefahr zu, dass sich Gewaltkonflikte und humanitäre Notlagen verschärfen und neue Konflikte entstehen. Daher sollten die EU und die Bundesregierung ihre Anstrengungen in der Friedensförderung und Konfliktbewältigung intensivieren, so lautet die erste Empfehlung. Gleichzeitig weisen die ForscherInnen darauf hin, dass der Welt die Notwendigkeit internationaler Kooperation niemals so deutlich vor Augen geführt wurde, wie in dieser Krise. Für die EU, "die droht zwischen Großmachtrivalitäten und Partikularinteressen zerrieben zu werden", biete diese Situation die Chance, multilaterale Zusammenarbeit zu verstärken. Die Pandemie verdeutliche die Bedeutung internationaler Institutionen. Deutschland solle "die weltweiten Anti-Corona-Maßnahmen genauso unterstützen wie innereuropäische Hilfen."

Klimaschutz und Friedenspolitik verknüpfen

Eine weitere Empfehlung richtet sich auf die Verknüpfung von Klimaschutz und Friedenspolitik. Dem Klimaschutz müsse höchste Priorität eingeräumt werden und die Klimakrise dürfe nicht im Schatten der Corona-Pandemie links liegen gelassen werden. "Auch unter den aktuellen Bedingungen müssen Maßnahmen ergriffen werden, die die langfristigen negativen Folgen des Klimawandels für den Frieden und die menschliche Sicherheit abschwächen." Die Frage, wie Friedens- und Klimapolitik auf globaler, europäischer und nationaler Ebene kombiniert und gestaltet werden kann, bildet einen Schwerpunkt im diesjährigen Friedensgutachten.

Zivilgesellschaft stärken - statt autoritäre Regime

Die Bundesregierung setze "in vielen Ländern auf Regimestabilisierung", so kritisieren die HerausgeberInnen des Friedensgutachtens. Stattdessen solle sie "ihre Hilfe an die Bedingung knüpfen, dass zivilgesellschaftliche Handlungsmöglichkeiten gewährt werden". Dies erweise sich angesichts zunehmender Repression im Zuge der Corona-Pandemie umso dringlicher.

Fragile Gesellschaften unterstützen

Eine weitere Forderung lautet, die deutsche Entwicklungszusammenarbeit solle "die medizinische und soziale Infrastruktur in Krisenregionen, die von Covid-19 betroffen sind, unbürokratisch unterstützen", und: "wirtschaftspolitische Konditionalitäten durch den Internationalen Währungsfond und Umschuldungsmaßnahmen müssen gelockert werden".

Flüchtlinge und ZivilistInnen schützen

Weiterhin wird die Bundesregierung aufgerufen, "die Aussetzung humanitärer Maßnahmen zurückzunehmen und mit europäischen Partnern dort diplomatische Offensiven zu ergreifen, wo die Pandemie zu humanitären Katastrophen führen könnte. Prioritär sind die Auflösung überfüllter Flüchtlingslager und eine Waffenruhe in Nordsyrien."

"Die Stunde der Europäer"

Die Corona-Pandemie sei 2020 zwar das bestimmende Thema, so schlussfolgern die HerausgeberInnen, dennoch müssten andere globale Gefahren für den Frieden auf der politischen Agenda bleiben: Nicht nur die Pandemie selbst und ihre ökonomischen, sozialen und politischen Effekte bergen Gefahren für menschliche Sicherheit und Frieden; in ihrem Schatten verschärften sich weitere Friedensgefährdungen. Man solle die Pandemie aber nicht nur als Krise für das globale Ringen um den Frieden betrachten, sondern auch als "Chance für einen Neustart vieler Bemühungen, den Frieden zu stärken". Im Frühjahr 2020 seien viele nationale Alleingänge zu beobachten, aber schon jetzt würden "die Rufe nach europäisch und global konzertierten Aktionen immer lauter." Um Verwerfungen zu begrenzen, die Weltwirtschaft wieder zu beleben und die Krisenfolgen abzumildern brauche es internationale Zusammenarbeit. Die aktuelle Krise könnte "die Stunde der Europäer" sein:

"Spätestens aber mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie in armen und verwundbaren Weltregionen wird sich zeigen, ob Europa auch zu globaler Solidarität und Visionen in der Lage ist. Dazu wird es wichtig sein, die Entwicklungsetats nicht zurückzubauen, sondern gezielt einzusetzen und zu stärken, um einem Zusammenbruch medizinischer, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Infrastrukturen entgegenzuwirken. Die Resilienz von Krisenregionen wird dabei in den Vordergrund rücken. Mittel- und langfristig wird diese nur erhöht werden können, wenn insbesondere Klimaschutzmaßnahmen konsequent umgesetzt und ausgebaut werden. Aber auch darüber hinaus sind Investitionen in gerechte und nachhaltige Gesellschaften entlang der VN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) notwendig, um für zukünftige Krisen besser gerüstet zu sein. Schließlich gibt es in den derzeitigen Gewaltkonflikten einen akuten Bedarf an Vermittlungsinitiativen, um aus humanitären Gründen zumindest eine „Atempause“ zu ermöglichen."

Es wäre zu hoffen, dass die deutsche  Bundesregierung, die ab Juli für die zweite Hälfte des Jahres die Präsidentschaft im Rat der EU übernimmt, diese Empfehlungen aufgreift.

Das Friedensgutachten wird von der Bundesstiftung "Deutsche Stiftung Friedens-forschung" gefördert. Es ist als Printpublikation und neuerdings auch im pdf-Format online erhältlich.

Die Präsentation in der Evangelischen Akademie Berlin am 16.6. kann hier aufgerufen und im Video verfolgt werden. Es diskutierten Prof. Dr. Nicole Deitelhoff (HSFK), Prof. Dr. Ursula Schröder (IFSH) mit Jürgen Trittin (MdB Bündnis 90/ Die Grünen) und Renke Brahms, Friedensbeauftragter beim Rat der EKD.

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