Weltweit schießen Online-Arbeitsplattformen aus dem Boden, wie beispielsweise „Clickworker“ in Deutschland. Die meisten Clickworker leben aber nicht in Europa oder den USA, sondern in Asien. Allein in Indien und auf den Philippinen sind annährend 40 Prozent jener Menschen tätig, die Microjobs wie etwa das Erstellen oder Bewerten von Bildern ausüben.
Win-Win für Unternehmer und Clickworker?
Über lange Zeit weckten Online-Plattformen große Hoffnungen, da sie weltweit kleinere Jobs und Aufträge vermitteln und Freelancern auch in Ländern des Globalen Südens Einkommensmöglichkeiten verschaffen können. Mittlerweile konkurrieren Menschen aus aller Welt auf diesen Plattformen um Aufträge. Unternehmen nutzen die Crowdworking-Plattformen um Online-Arbeiten weltweit auszuschreiben und dadurch Kosten zu senken. Die Plattformbetreiber verlangen von den Auftraggebern in der Regel Gebühren – meistens einen bestimmten Prozentsatz der Honorare, die die Auftraggeber den Crowdworkern zahlen.
Das Geschäftsmodell des Crowdworking – in Deutschland mitunter als digitale Schwarmarbeit übersetzt – ist derart lukrativ, dass weltweit zahlreiche Plattformen aus dem Boden geschossen sind, die teils spezialisierte Vermittlungsdienste anbieten. Bekannte Plattformen mit globalem Angebot sind etwa Amazon Mechanical Turk (USA), Guru (USA), Upwork (USA), Freelancer (Australien), Clickworker (Deutschland) oder Fiverr (Israel).
Auswertungen der fünf größten englischsprachigen Plattformen (gemessen nach Besuchszahlen) durch den Online Labour Index zeigen, dass über die Hälfte der angebotenen Aufträge von US-Unternehmen stammen. Rund 16 Prozent der Aufträge kommen von europäischen Unternehmen. Daneben ermittelt der Online Labour Index auf Basis von vier Plattformen (Fiverr, Freelancer, Guru und PeoplePerHour) auch die Länder, in denen die meisten Crowdworker anzutreffen sind.
Asiens Dominanz
Indien, das bereits seit Längerem ein bevorzugtes Zielland für das Outsourcing webbasierter Dienstleistungen ist, beherbergt nach dem Online Labour Index auch die größte Zahl von Crowdworkern. Neben der technischen Infrastruktur macht sich dabei auch der Vorteil bezahlt, dass viele Inderinnen und Inder die englische Sprache beherrschen. Auch in einigen anderen Ländern des Globalen Südens ist Englisch stark verbreitet – daher gibt es auch auf den Philippinen, in Bangladesch und Pakistan viele Crowdworker.
Die regionale Verteilung verdeutlicht die starke Dominanz asiatischer Crowdworker: 55 Prozent der Crowdworker leben in Asien. Aber auch in Afrika und Südamerika sind Online-Arbeiterinnen und Arbeiter anzutreffen, die über eine Plattform vermittelt wurden, wenngleich auch noch in geringerer Zahl.
Die Schattenseiten werden deutlicher
Manche Länder wie die Philippinen oder Nigeria haben Regierungsinitiativen lanciert, um die digitale Schwarmarbeit zu fördern. Die Meinungen über den entwicklungspolitischen Nutzen des Crowdworking gehen jedoch weit auseinander. Während Organisationen wie die Weltbank die digitale Plattformarbeit als vielversprechende Alternative zu traditioneller Beschäftigung betrachten, wecken empirische Analysen Zweifel, ob die Gig Economy, also der Teil des Arbeitsmarktes, bei dem kleine Aufträge kurzfristig an unabhängige Selbständige, Freiberufler oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden, ein sinnvoller Bestandteil nationaler Entwicklungsstrategien sein kann.
Zwar haben manche Crowdworker Ersparnisse gebildet, die sie für eigene Geschäftsideen oder ihre Fortbildung verwenden konnten. Doch viele beklagen den niedrigen Lohn, die Unsicherheit über Folgeaufträge und die erhebliche Überlastung. Crowdworker leisten sehr viel unbezahlte Arbeit, da allein die Jobsuche auf den Plattformen äußerst zeitraubend ist. In vielen Ländern des Südens gibt es daneben ein erhebliches Überangebot an Menschen, die Arbeit auf den Plattformen nachfragen. Das Angebot an potenziellen Crowdworkern macht oftmals ein Vielfaches der online angebotenen Aufträge aus, was wiederum das Honorar drückt.
Außerdem sind die Arbeitsbedingungen mitunter miserabel beziehungsweise die Arbeitsinhalte eine Zumutung. Nicht nur auf den Philippinen spricht man von „digitalen Sweatshops“. Die Clickworker müssen sich dort täglich unzählige Bilder und Videos mit Gewaltszenen und Kinderpornografie ansehen, um den Online-Müll des Globalen Nordens zu beseitigen.
ILO: Hindernis für zukünftige Entwicklung
Untersuchungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zeigen daneben, dass ein beträchtlicher Teil der online geleisteten Arbeit von den Auftraggebern zurückgewiesen wird. Dabei werden die Mängel teilweise nur vorgeschützt, um sich der Bezahlung zu entziehen. Die Crowdworker gehen in diesen Fällen gänzlich leer aus. Zudem verfügen Crowdworker in Ländern des Südens noch seltener über Kranken- und Rentenversicherungen als ihre Kolleginnen und Kollegen in stärker entwickelten Staaten.
Die ILO macht daneben auf das hohe Qualifikationsniveau der Crowdworker in Entwicklungsländern aufmerksam, die oft über Hochschulabschlüsse verfügen. Für die Armutsbekämpfung und die Beschäftigung Niedrigqualifizierter bieten die Arbeitsplattformen daher nur wenig Potenzial. Das hohe Qualifikationsniveau der Crowdworker sei darüber hinaus eine Verschwendung kostbarer Ressourcen, da sie meist einfache, monotone und repetitive Tätigkeiten verrichten. Zu ihren häufigen Jobs gehört etwa, die Klickzahlen kommerzieller Webseiten hochzutreiben oder Fake-Bewertungen einzelner Produkte zu verbreiten. Seit einiger Zeit würden Hochschulabsolventinnen und -absolventen des Südens damit beauftragt, Postings in sozialen Medien auf anstößige Inhalte zu durchforsten und damit letztlich den Online-Müll des globalen Nordens zu beseitigen.
Die hohe Qualifikation der Crowdworker des Südens sei vor allem deswegen eine Verschwendung, weil viele Regierungen in deren Ausbildung investierten. Dies geschah in der Erwartung, sie würden einen wichtigen Beitrag für die wirtschaftliche Modernisierung ihrer Länder leisten. Im Rahmen der Crowdwork liege dieses innovatorische Potenzial meist brach. Außerdem drohe eine weitere Dequalifizierung, weil die Online-Jobs tendenziell in immer kleinere einfache Tätigkeiten aufgespalten werden, um Kosten zu sparen. Dadurch wachse die Gefahr, dass qualifiziertere Arbeit durch niedrigqualifizierte verdrängt wird. Eine zukunftsfähige und menschenwürdige Entwicklungsstrategie sieht anders aus.