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Die Corona-Pandemie und die Gleichberechtigung

Wegen der Corona-Pandemie musste die Überprüfung der Umsetzung der Aktionsplattform von Peking für Geschlechtergerechtigkeit vertagt werden. Der Prozess bleibt jedoch wichtig, denn in keinem Land der Welt ist die Gleichberechtigung der Geschlechter erreicht. Die Krise macht das auf der ganzen Welt wie durch ein Vergrößerungsglas sichtbar.

Von Carsta Neuenroth am
Armenviertel wie inTegucigalpa, der Hautstadt von Honduras, führen in Krisenzeiten zu zunehmender häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder

Beengte Wohnverhältnisse

2020 sollte ein wichtiges Jahr für Geschlechtergerechtigkeit werden. Die internationale Gemeinschaft hatte sich vorbereitet, um die Umsetzung der Erklärung und Aktionsplattform von Peking, Ergebnis der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking im Jahr 1995, zu diskutieren und zu aktualisieren. Dies sollte im Rahmen der Tagung der Frauenrechtskommission im März in New York geschehen sowie während des „Generation Equality“ Forums, das UN Women zusammen mit den Regierungen von Mexiko und Frankreich, dort sollte jeweils ein Forum stattfinden, vorbereitet hat. Der Prozess soll im nächsten Jahr nachgeholt werden. Die Corona-Krise zeigt, wie notwendig es ist, die Gleichberechtigung der Geschlechter voranzutreiben. 

Männer entscheiden, Frauen pflegen

Es sind vorwiegend Männer, Wissenschaftler und Politiker, die zur Krise Stellung nehmen, Bewältigungsstrategien erklären und Entscheidungen treffen. Frauen sind auf dieser Ebene wenig präsent, denn sie sind in Führungspositionen der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik noch immer wenig vertreten, was auch in dieser Krise deutlich wird. Das Bild ändert sich, wenn wir auf die schauen, die in sich in Krankenhäusern um Erkrankte und in Pflegeeinrichtungen um besonders gefährdete ältere Menschen kümmern. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2019) in 104 Ländern hat ermittelt, dass Frauen 70 Prozent der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich stellen. Sorge- und Pflegearbeit ist Frauensache sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich. Im öffentlichen wird sie schlecht, im privaten Bereich gar nicht bezahlt. Laut einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO, 2018) leisten Frauen über 76 Prozent der unbezahlten Sorge- und Pflegearbeit, dreimal so viel wie Männer. Unser Wirtschaftssystem würde ohne sie nicht funktionieren, trotzdem zählt sie nicht als Wirtschaftsleistung, sondern wird einfach ignoriert. Die Sorge um und Pflege von Anderen ist jedoch nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein menschlicher Wert, der gesellschaftlich endlich anerkannt und politisch berücksichtigt werden muss. Die vorwiegend von Frauen geleistete Sorge- und Pflegearbeit hält eine Gesellschaft zusammen. Das zeigt sich besonders deutlich unter extremen Bedingungen wie der Corona-Pandemie, deren Last vorwiegend Frauen tragen. Im Pflegebereich ist die Gefahr, sich zu infizieren außerdem besonders hoch.

Die eigenen vier Wände sind oft kein sicherer Ort für Frauen und Kinder

Häusliche Gewalt, besonders gegen Frauen und Kinder ist weltweit bereits in „normalen“ Zeiten ein großes Problem. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass weltweit etwa eine von drei Frauen (35 Prozent) in ihrem Leben physische und/oder sexualisierte Gewalt, meistens durch ihren Partner, erlebt. In Krisenzeiten wie der aktuellen verschärft sich die Situation. Wegen der inzwischen in den meisten Ländern verhängten Ausgangsbeschränkungen müssen Eltern und Kinder zuhause bleiben, häufig in viel zu kleinen Wohnungen. Die Situation erzeugt große Unsicherheit, eine immer größere Zahl von Menschen verliert ihre Lebensgrundlage. Der emotionale Stress wächst und findet ein Ventil in häuslicher Gewalt, wie Medien und Aktivist*innen aus ganz unterschiedlichen Ländern wie Kanada, Italien, China oder dem Libanon berichten. In China hat sich die Zahl der Fälle während der Krise verdreifacht. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat auf die Gefahr aufmerksam gemacht. Eine besondere Herausforderung besteht darin, die Unterstützungsstrukturen für von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und Kindern in den Zeiten der Krise aufrechtzuerhalten und an die Situation anzupassen. So ist es aufgrund der Ausgangsbeschränkungen schwieriger für Frauen geworden, eine Hotline anzurufen und die Gewalt zu denunzieren. In Frankreich beispielsweise können Frauen deshalb in den Apotheken mit Hilfe eines Code-Worts auf ihre Situation aufmerksam machen. Es braucht jedoch nicht nur kreative Lösungen, um gegen alle Formen der häuslichen Gewalt vorzugehen, sondern wirksamen Schutz für Betroffene und die entsprechende Finanzierung, um ihn zu gewährleisten, nicht nur in Krisenzeiten. Letztendlich geht es jedoch darum, die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen und Machtverhältnisse, die Frauen und Mädchen diskriminieren und als minderwertig betrachten, aufzubrechen und zu verändern.

Frauen verlieren ihren Lebensunterhalt

Durch die Corona-Pandemie verschlechtert sich weltweit die wirtschaftliche Situation von unzähligen Frauen und Männern. Viele verlieren Arbeit und Einkommen. Besonders betroffen sind die im informellen Sektor und prekär beschäftigten Menschen im globalen Süden, für die es meistens keine sozialen Sicherungssysteme gibt. Und wieder sind Frauen besonders stark betroffen, da sie unter besonders schlechten Bedingungen beschäftigt sind oder ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder im informellen Sektor verdienen. SIHA, ein Netzwerk von Frauengruppen am Horn von Afrika und Partnerorganisation von Brot für die Welt, macht sich große Sorgen um die Straßenverkäuferinnen, Haushaltshilfen, Bierbrauerinnen und all die anderen Frauen, die in der vielfältigen, aber häufig jedoch unsichtbaren informellen Wirtschaft der Region beschäftigt sind. Diese Frauen verdienen ihren Lebensunterhalt auf der Straße, auf Märkten, dort, wo viele Menschen zusammenkommen. Wo das wegen der Ausgangsbeschränkungen nicht mehr möglich ist, steht das Überleben der Frauen und ihrer Familien auf dem Spiel. Die von unzähligen Regierungen zur Eindämmung des Corona-Virus angeordneten Schutzmaßnahmen stellen die Menschen, die keinen oder unzureichenden Zugang zu Informationen, zu Sanitär- und Hygieneeinrichtungen und sogar zu Seife und sauberem Wasser haben, vor nicht zu bewältigende Herausforderungen. Hier muss die internationale Gemeinschaft sowohl sofort als auch langfristig unterstützend wirken, nicht zuletzt durch Stärkung der Gesundheitssysteme, der Durchsetzung von Arbeitsrechten, besonders von Frauen, und der Ernährungssicherheit.

Reproduktive Gesundheit und Rechte nicht vergessen

Auch während der Krise dürfen reproduktive Rechte und Gesundheit nicht aus dem Blick geraten. Die Gesundheitssysteme geraten überall an ihre Grenzen, und besonders schwache Systeme sind dann überhaupt nicht mehr in der Lage, die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Das gilt auch für die Mutter-Kind-Gesundheit. Gesundheitsleistungen im Zusammenhang mit Familienplanung, Schwangerschaft und Geburt müssen jedoch kontinuierlich zur Verfügung stehen, ebenso Verhütungsmittel. Auf die zunehmende Gewalt gegen Frauen und Mädchen während einer Krise wurde bereits hingewiesen. Eine steigende Zahl von Teenagerschwangerschaften ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu beobachten. Sexarbeiter*innen, Migrantinnen, Frauen und Mädchen mit einer Behinderung sowie LSBTI-Menschen, die auch außerhalb von Krisenzeiten vielfältig benachteiligt und diskriminiert werden, können ihre reproduktive Gesundheit und Rechte während einer Krise kaum erreichen. Auch für sie ist es wichtig, dass Hilfsangebote per Telefon oder im Netz erhalten bleiben und Schutzräume geschaffen werden.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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