Dabei ist unbestritten, dass sich Frauen nicht nur im Globalen Norden, sondern auch in Entwicklungs- und Schwellenländern aufgrund der Digitalisierung neue Zugänge zu Informationen und Dienstleistungen sowie neuen beruflichen Möglichkeiten eröffnen. So ermöglicht sie beispielsweise vielen Frauen zum ersten Mal in ihrem Leben, ein Bankkonto einzurichten. In Kontexten, in denen Frauen aufgrund unsicherer Arbeitsbedingungen, geringer Einkommen und der hohen Kosten für herkömmliche Bankgeschäfte kaum Zugang zu Finanzdienstleistungen haben, trägt ein Konto erheblich zu ihrer Ermächtigung und wirtschaftlichen Teilhabe bei. In einem von Brot für die Welt geförderten Projekt in Tansania stimmen Händlerinnen auf lokalen Märkten mit Hilfe des Handys Preise ab und tätigen Überweisungen. Ebenfalls in Tansania, besonders in entlegenen ländlichen Gebieten, erleichtert Frauen das Handy außerdem die Abstimmung der Kinderbetreuung.
Digitalisierung ist nicht geschlechtsneutral
Das sind durchaus positive Entwicklungen, die aber nicht darüber hinwegtäuschen dürfen, dass Frauen häufig nur beschränkten Zugang zu digitalen Informationen und Dienstleistungen haben. Nach Angaben des Weltverbands der Mobilfunkanbieter GSMA (2019) besitzen inzwischen 1,7 Milliarden Frauen in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen ein Mobiltelefon, und mehr als eine Milliarde geht mobil ins Internet. Trotzdem beträgt der Abstand zu den Männern beim Handybesitz zehn Prozent, beim Internet sogar 23 Prozent. Besonders groß ist die Kluft mit 28 bzw. 58 Prozent in Südasien. Laut GSMA hindern ein niedriger Bildungsstand, fehlende digitale Kenntnisse und immer noch zu hohe Kosten Frauen an der Nutzung von Mobilfunk und Internet. Auch Sicherheitsbedenken spielen eine Rolle.
Diese Analyse zeigt, dass Faktoren wie niedriger Bildungsstand, fehlender Zugang zu Informationen und Wissen und die eingeschränkte Verfügbarkeit von Einkommen, die die Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft seit langem bedingen und erhalten, auch im Bereich der Digitalisierung zum Tragen kommen. Bestehende Ungleichheiten setzen sich fort.
Um die geschlechtsbedingte digitale Kluft abzubauen müssen Frauen im Umgang mit der Digitalisierung unterstützt werden. Es reicht jedoch nicht, Frauen in digitalen Techniken zu schulen. Der Wandel muss tiefer gehen und bestehende Geschlechterverhältnisse und Rollenstereotype aufbrechen, sodass die Gleichberechtigung der Geschlechter endlich Wirklichkeit und auch im Bereich der Digitalisierung wirksam wird.
Frauen dürfen dabei jedoch nicht als homogene Gruppe betrachtet werden. Das Geschlecht allein entscheidet nicht darüber, inwieweit eine Frau an der Digitalisierung teilhaben kann. Auch ihre soziale Herkunft, ihr Alter und ihr Wohnort spielen eine Rolle ebenso wie eine mögliche körperliche oder geistige Behinderung möglicherweise einschränkend wirken. Eine gut ausgebildete berufstätige Frau aus der Stadt hat andere digitale Möglichkeiten als eine ältere Kleinbäuerin auf dem Land. Für letztere ist das Risiko, von den digitalen Entwicklungen ausgeschlossen zu werden, viel höher. Auch solche Aspekte müssen bei der Gestaltung der Digitalisierung berücksichtigt werden.
Wer gestaltet die Digitalisierung?
Die Benachteiligung von Frauen beim Zugang zur digitalen Technologie ist nur eine Seite der geschlechtsspezifischen digitalen Kluft. Die Frage nach der Gestaltung der Digitalisierung hat ebenfalls eine Gender-Dimension. Es sind nämlich vorwiegend Männer, die darüber bestimmen, wie sich die digitale Welt entwickelt. Sie programmieren die Algorithmen, die unser aller Leben zunehmend beeinflussen, entsprechend ihrem sozialen und gesellschaftlichen Kontext, der auch von bestehenden Geschlechterverhältnissen geprägt ist. Frauen haben in diesem Metier einen schweren Stand. Hinderlich wirken die nach wie vor gesellschaftlich fest verankerten Geschlechterstereotype, die Ausbildung und Berufswahl von Mädchen und jungen Frauen beeinflussen. So sind Frauen in der Informations- und Kommunikationstechnologie unterrepräsentiert. In den Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, ziehen laut einer Studie (EIGE, 2019) weniger als fünf Prozent der Mädchen Ingenieurs- oder Computerwissenschaften als Berufsfelder in Betracht. Hier wirken bestehende Geschlechterungleichheiten und Machtverhältnisse ungebrochen weiter.
Gewalt gegen Frauen im Netz
Drohungen und Hasstiraden in den sozialen Netzwerken betreffen Frauen häufiger als Männer. Sie richten sich auch gegen lesbische, schwule, transgender und intersexuelle Menschen. Gewalt im Netz, häufig sexualisiert, hat somit ebenfalls eine ausschließende Wirkung auf die genannten Gruppen und verhindert, dass sie die Möglichkeiten der Digitalisierung voll ausschöpfen können. Die weltweit verbreitete geschlechtsbasierte und sexualisierte Gewalt setzt sich im digitalen Raum fort. Journalist*innen, Blogger*innen und Politiker*innen sind besonders betroffen. Die gegen sie gerichtete Gewalt im Netz kann dazu führen, dass sie sich nicht mehr äußern und aus dem Netz zurückziehen. Gewalt im Netz wird häufig nicht verfolgt und bestraft, wie ein 2015 erschienener Bericht über Gewalt im Internet gegen Frauen und Mädchen der UN-Breitband Kommission für digitale Entwicklung festhält. Die Bekämpfung geschlechtsbasierter und sexualisierter Gewalt muss auch in digitalen Medien durchgesetzt werden.