Kommentar

Eine wirkliche EU-Agrarreform sieht anders aus

Letzte Woche haben die EU-Agrarminister und auch die EU-Parlamentarier ihre Positionen für die EU-Agrarreform vorgelegt. Es ist mit einem „Weiter-so“ zu rechnen, von einer Reform kann nicht die Rede sein. Die Länder des globalen Südens müssen weiterhin mit einer EU-Agrarpolitik rechnen, die Überschüsse produziert und die Probleme im Klimaschutz und bei der Biodiversität nicht wirklich angeht.

Von Dr. Bernhard Walter am

Bei den Debatten letzte Woche im Agrarministerrat und im Parlament der EU spielten die Außenwirtschaftsbeziehungen der EU im Agrarbereich, insbesondere zu den Ländern des globalen Südens keine Rolle. Reformen im Marktbereich wurden keine beschlossen und auch die fortschrittlichen Vorschläge der EU-Kommission in der ‚farm-to-fork‘ (vom Hof auf den Tisch) - und Biodiversitätsstrategie wurden nicht aufgenommen. In den Reformpaketen des Rates und des Parlaments wurden auch keinerlei Aussage gemacht zu der Verantwortung Europas für die Entwicklung einer globalen agrarökologischen Landwirtschaft, die eine gesunde und regionale Ernährung der Weltbevölkerung fördert. Stattdessen wird an einer Subventions- und Produktionspraxis festgehalten, die so viele Überschüsse landwirtschaftlicher Güter, besonders an Milch, Weizen und Fleisch produziert, dass sie mit Dumpingpreisen auch in Entwicklungsländer exportiert werden und dort bei kleinbäuerlichen Produzent*innen großen Schaden anrichten. Die Vorschläge werden auch kaum den Beitrag der EU Landwirtschaft für den Klimawandel reduzieren und damit die schlimmen Folgen für Entwicklungsländer durch Dürre, Stürme, Meeresspiegelanstieg weiter befeuern. Hier nochmals die wesentlichen Punkte vom Agrarministerrat und Parlament:

  • Die Gemeinsame Agrarpolitik ist der weitaus größte Posten des EU-Haushalts. In den nächsten sieben Jahren soll die europäische Landwirtschaft mit fast 400 Milliarden Euro gefördert werden. Doch der allergrößte Teil dieser Fördergelder wird auch weiterhin ohne nennenswerte Umweltauflagen und nach der Größe der Anbaufläche verteilt. Davon profitieren vor allem die riesigen Agrarbetriebe, kleine und mittlere Höfe werden weiter strukturell benachteiligt. Heute bekommen 20% der größten Betriebe 80% aller EU-Fördermittel. Damit werden die bestehenden Ungerechtigkeiten innerhalb der EU-Landwirtschaft zementiert.
  • Das Parlament stimmte dafür, 60% der Gesamtzahlungen weiterhin nur nach der Fläche auszuzahlen, mit wenigen und wachsweichen Umweltauflagen. Den Mitgliedstaaten ist es ausdrücklich untersagt, weniger als 60% nach Fläche auszuzahlen, selbst wenn sie mehr Geld für nachhaltige Landwirtschaft bereitstellen wollen. Teilweise erhält der Parlamentsvorschlag auch Verwässerungen: denn nur auf 5% der landwirtschaftlichen Fläche soll verpflichtend die Biodiversität über sogenannte ökologischen Vorrangflächen gestärkt werden. Heute ist dies jedoch schon auf 9% der Flächen in der EU der Fall. Der Schutz von Feuchtgebieten und Mooren, wie ursprünglich von der Kommission vorgesehen, wird ausgehebelt und das Pflugverbot in den wertvollsten Naturräumen “Natura 2000”, wie von der Kommission vorgesehen, findet sich nicht im Text des Parlaments wieder. Damit ist kaum zu rechnen, dass weniger produziert wird und damit eine Marktentlastung stattfinden wird.
  • Nur 30% der Direktzahlungen sollen für eine Ökologisierungsprämie, sogenannte “Eco-Schemes”, reserviert werden. Der Vorschlag des Agrarministerrats liegt sogar nur bei 20 Prozent. Landwirt*innen können freiwillig Anspruch auf diesen Bonus erheben, wenn sie weitere Umweltauflagen erfüllen. In der aktuellen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) war das “Greening”, das durch die Eco-schemes in Zukunft ersetzt werden soll, noch verpflichtend. Da Umweltmaßnahmen in Zukunft freiwillig sein werden, gibt es keine Pflicht, in nachhaltige Praktiken zu investieren. Und die Eco-schemes sind auch in sich ein leeres Versprechen. Sie sollen in Zukunft nicht nur Umweltziele berücksichtigen, sondern Eco-Schemes sollen auch mit Einkommens- und Wettbewerbszielen der GAP kompatibel sein. Die laschen Umweltauflagen sind schon erreicht, wenn Landwirte die so genannte “Präzisionslandwirtschaft” anwenden. Im Gesetz ist die Präzisionslandwirtschaft nicht definiert, sie setzt aber zentral auf den Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln. Der Einsatz von Pestiziden soll auch in Zukunft mit zusätzlichen Fördermitteln aus den Eco-schemes belohnt werden. Einzige Bedingung ist der „nachhaltige und reduzierte Einsatz von Pestiziden“. Diese Formulierung ist so unkonkret, dass sie praktisch den gleichbleibenden Einsatz von Pestiziden erlaubt.
  • Der Vorschlag des Parlaments sieht vor, dass Direktzahlungen bei 100.000 Euro pro Jahr gedeckelt werden. Dies ist zwar ein Fortschritt zur aktuellen GAP, die keine verpflichtende Deckelung vorsieht, aber mit einem so hohen Deckel wird weiterhin viel Geld an besonders große Betriebe fließen, die das Geld viel weniger benötigen. Der Vorschlag des EU-Agrarministerrats sieht dagegen keine Verpflichtung vor. Die Mitgliedstaaten sollen individuell entscheiden können, ob sie eine Deckelung der Direktzahlungen einführen oder nicht. Ohne Deckelung werden aber die großen Betriebe bevorteilt, die dadurch Massenprodukte zu Weltmarktpreisen herstellen können und damit die Überschussproduktion ankurbeln.

Dies sind nun die Ausgangspositionen für den anstehenden Trilog zwischen Kommission, Rat und Parlament, die voraussichtlich ab November starten werden und deren Ergebnisse dann die gesetzgeberischen Beschlüsse zur Reform der EU-Agrarpolitik für die nächsten sieben Jahren sein werden. Änderungen zum Positiven sind bei dieser Ausgangslage nicht mehr zu erwarten. Angesichts von Klimakrise und Artensterben wäre solch eine Agrarreform ein großer Schritt nach hinten. Die Vorschläge der Agrarminister und des Parlaments untergraben auch die Ziele des Europäischen Green Deals. Diese progressiven Ziele, konkretisiert in der EU-Biodiversitätsstrategie und der EU-Agrarstrategie “Vom Hof auf den Tisch”, sind jetzt Makulatur und werden wahrscheinlich nie umgesetzt werden. Ein heftiger Affront gegenüber der Kommission von Ursula von der Leyen.

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