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Entrechtung im Namen der Gesundheitspolitik

Weltweit werden Maßnahmen zum Schutz der lokalen Bevölkerung vor dem Corona Virus eingeführt. Aufnahmezentren nehmen keine Geflüchteten mehr auf, Rassismus und Kriminalisierung von Migration nehmen weltweit zu. Vielerorts werden Migrant_innen unter haftähnlichen Bedingungen unter Quarantäne gestellt, Gesundheitsdienste und Rechtsberatung werden Ihnen aber vorenthalten.

Von Dr. Katherine Braun am
Kampagne Quaratäne mit Rechten

Die Kampagne Quarantäne mit Rechten setzt sich für die Rechte von Migrant_innen während der Corona Pandemie ein.

Europa schottet sich im Zuge der Corona-Pandemie ab. Die Häfen von Malta und Italien sind geschlossen, erst zu Ostern sind deshalb mindestens fünf Menschen im Mittelmeer ertrunken. Außerdem hat die EU das Resettlement-Programm bis Ende des Jahres ausgesetzt, was etwa anerkannten Flüchtlingen, die in miserablen Bedingungen in den Flüchtlingslagern Libyens festsitzen, einen Weg nach Deutschland eröffnet hätte.

Aufnahmestopp in den Camps weltweit

Doch auch Aufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingscamps stellen nun die Aufnahme von Geflüchteten ein. So etwa Uganda, dem drittgrößten Aufnahme- und Transitland, das im letzten Jahr 1,4 Millionen Geflüchtete vor allem aus von Bürgerkriegen geprägten Ländern wie Südsudan und der DR Kongo aufgenommen hat. Keines der ugandischen Camps ist auf einen Ausbruch der Pandemie vorbereitet, es mangelt vor allem an medizinischer Ausstattung. Für Menschen im Transit bedeutet das, dass sie nicht nur den ohnehin lauernden Gefahren wie Gewalt und Missbrauch ausgeliefert sind, auch fehlt es Ihnen nun an lebenswichtiger Versorgung und Schutzräumen nach den Strapazen der Flucht.

In Gewalt- und Armutskontexten ist die Verletzlichkeit besonders groß

Gerade in Gewalt- und Armutskontexten sind Migrant_innen und Flüchtenden, aber auch Binnenvertriebenen, besonders durch Schließungen von Aufnahmeeinrichtungen und Kürzungen von Versorgungsleistungen gefährdet. So auch in der Tschadseeregion, wo der Terror von Gruppierungen wie Boko Haram zu tausendfachen Vertreibungen geführt hat. Die Schließung der Grenzen im Zuge von Corona haben zudem die Versorgungslage drastisch verschlechtert. Der Tschad ist abhängig vom Handel mit den Nachbarstaaten. Binnenvertriebene trifft das besonders hart, oftmals müssen sie unvorbereitet aufgrund von Gewalt ihren Wohnort verlassen. Im Tschad verschränkt sich Armut mit Sicherheits- und Gesundheitsrisiken. Auch in Lateinamerika verschärft die Corona-Pandemie bereits bestehende Krisen. Vier Millionen Venezolaner_innen haben das Land verlassen in Richtung Kolumbien, Peru und Ecuador. Sie sind auf karitative Einrichtungen angewiesen, die sich bis vor dem Ausbruch von Covid-19 noch um die Versorgung kümmerten und nun auch geschlossen wurden. Viele sehen sich gezwungen, in das von Armut und politischer Krise geprägte Land zurückzukehren.

Besorgniserregend ist auch die Situation an der US-mexikanischen Grenze. Herbergen und Flüchtlingsunterkünfte nehmen keine der täglich ankommenden Schutzsuchenden mehr auf, diese leben nun auf der Straße und haben keine Möglichkeit, sich und Andere vor der Ausbreitung zu schützen. Auch den über 60.000 Schutzsuchenden, die bereits in den US-Haftzentren untergebracht sind, fehlt medizinischer Versorgung, um die Verbreitung von Covid-19 zu verhindern. Partnerorganisationen von Brot für die Welt wie Fray Matías besorgt zudem, dass sich die Situation nun weiter verschärft. So würde es vermehrt zu Abschiebungen kommen, die Haftbedingungen könnten sich verschlimmern und die Menschenrechtsverletzungen zunehmen. Rechtsberater_innen ist der Zugang zu den Menschen nun auch verwehrt, sie versuchen stattdessen telefonisch gegen illegale Abschiebungen und Familientrennungen vorzugehen, aber die Arbeit ist massiv erschwert.

Gesundheitspolitik als Politik der Abschottung

Welche Auswirkungen gesundheits- und bevölkerungspolitische Maßnahmen zum Schutz der lokalen Bevölkerung haben, zeigt sich im Umgang mit Migrant_innen besonders deutlich. Nicht nur, dass Migrant_innen mit unsicherem Aufenthaltsstatus von Gesundheitsdienstleistungen ausgeschlossen werden, auch werden Notstandsgesetzgebungen vielerorts genutzt, um Migrant_innen und Geflüchtete zu kriminalisieren und zu diskriminieren. Rassismus und Ausgrenzung nehmen zu. Unsere Partnerorganisation Cristosal in El Salvador berichtet von rechtswidrigen Festnahmen seitens der Polizei und Militärs. So seien Migrant_innen beim Einkaufen festgenommen worden, weil sie sich nicht an die Notstandsgesetze gehalten hätten.

Die Rechte und Würde von Migrant_innen schützen, auch in Quarantäne

Die Grenzen zwischen Ordnungs- und Gesundheitspolitik werden zunehmend verwischt. Die Partnerorganisation von Brot für die Welt, das Alarmphone Sahara, bemängelt, dass viele der Quarantänemaßnahmen unter Bedingungen mangelnder Transparenz und mangelnder Achtung der Rechte von Migrant_innen erfolge. In Lateinamerika beobachten Menschenrechtsorganisationen mit Sorge, dass Migrant_innen werden in Quarantänezentren gesteckt werden, unter haftähnlichen Bedingungen. Dort wird ihnen nicht nur die ärztliche Versorgung verwehrt, auch die Quarantänezeiträume werden in die Länge gezogen und die Testergebnisse vorenthalten. Die Quarantäne scheint hier ein Vorwand zu sein, um Migrant_innen wegzusperren. Unsere Partnerorganisation Fundación para la Justicia y el Estado Democrático de Derecho hat In Lateinamerika haben deshalb mit mehr als 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen unter den Hashtags #CuarentenaConDerechos und #CuarentenaConDignidad einen Appell verfasst, in dem sie zum Schutz der inhaftierten Migrant_innen aufrufen – Quarantäne mit Rechten, Quarantäne mit Würde.

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