Die Studie „Falling Short: Seven ways in which the EU should improve its climate support to developing countries“ basiert auf den wissenschaftlichen Erhebungen von INKA Consult, welche die Ergebnisse pro bono bereitgestellt haben. INKA Consult bezieht in die Untersuchung die Daten zur Klimafinanzierung der Finanzinstitutionen der Europäischen Union ein, also die der Europäischen Kommission (EC-European Commission), die für das Jahresbudget und den Europäischen Entwicklungsfond (EDF-European Development Fund) zuständig ist und die Daten der Europäischen Investitionsbank (EIB-European Investment Bank).
Die Auswertungen beziehen sich auf die Daten von zwei Berichtswesen der EU: Zum einen berichtet die EU zur Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) und zum anderen zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Bei dem Klimagipfel in Kopenhagen, der COP15 im Jahr 2009, haben Industriestaaten versprochen, den ärmsten Staaten Klimafinanzierung für die Bewältigung der Klimakrise bereitzustellen. Mit einem jährlichen Aufwuchs, sollen ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Mrd. USD an Klimahilfen fließen für Klimaschutz- und Anpassungsprojekte. Zudem haben sich die Industriestaaten im Pariser Klimaabkommen von 2015 verpflichtet, dieses Versprechen auch einzuhalten.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die EU zwar einen stetigen Aufwuchs in der Klimafinanzierung nachweisen kann, doch bei einem genaueren Blick in die Details zeigt sich, dass die EU ihr Versprechen nur zögerlich einhält und die bereitgestellte Klimafinanzierung zu kurz greift: Der Mangel an Transparenz macht es schwierig zu überprüfen, ob die Versprechen tatsächlich eingehalten und die Mittel ausgezahlt wurden.
Die Unterstützung in Form von Schenkungen sinken, während teure Kredite zunehmen, die auch das Risiko der Verschuldung durch den Umgang mit der Klimakrise erhöhen. Zeitgleich verschiebt sich die Unterstützung weg von den am wenigsten entwickelten Ländern hin zu den reicheren Ländern. Aber gerade die ärmsten Staaten, die bereits jetzt schon brutal vom Klimawandel betroffen sind, haben die geringsten Kapazitäten sich zu schützen, obwohl sie am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben.
Die Studie der ACT Alliance EU weist auf sieben Missstände hin und gibt Empfehlungen:
1. EU Klimafinanzierung
Während die Zusagen der EU im Jahr 2018 gewachsen sind, sind sie jedoch langsamer gewachsen als in den Jahren zuvor. Zudem sind vor allem die Kreditvergaben der Europäischen Investitionsbank gestiegen, die zu marktüblichen Konditionen auch wieder zurückgezahlt werden müssen. Kredite machen fast die Hälfte der Gesamtzusagen von knapp sechs Milliarden Euro aus, die die EU im Jahr 2018 als Klimahilfen verzeichnete. Demnach sind nur etwas mehr als die Hälfte direkte Hilfszahlungen. Diese Hilfszahlungen der Europäischen Union, bereitgestellt durch das Jahresbudget und den Europäischen Entwicklungsfonds, sind im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht gesunken. Die EU sollte vor allem die Hilfszahlungen, die reine Schenkungen sind, anwachsen lassen, da diese besonders wichtig sind für die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in ärmsten Ländern.
2. Transparenzproblem
Die Daten zu den Zusagen an Klimafinanzierung sind vollständig verfügbar, aber leider ist nicht nachvollziehbar, ob die EU ihre Versprechen auch einhält. Die Berichte zu den tatsächlichen Auszahlungen sind nicht zugänglich oder nicht vorhanden. Im Moment gibt es keinen Bericht an die UN zu den Auszahlungen, auch wenn die EU im 4. Biennial Report bestätigt, dass sie an dem Problem arbeitet „working towards tracking climate relevant disbursements in the near future“. Zum Beispiel hat die EU an die OECD berichtet, dass sie 2,81 Mrd. EUR im Jahr 2018 durch die EC und EDF zugesagt hat, aber bei den Auszahlungen konnten nur 1,18 Mrd. EUR nachvollzogen werden. Die EU muss sich um mehr Transparenz bemühen, die Daten müssen vollständig und öffentlich zugänglich sein. Nur so verschafft sich die EU auch die Glaubwürdigkeit, Vorreiter in der Klimafinanzierung zu sein.
3. Ausweisung von Krediten als Hilfsleistungen
Die EU setzt in ihren Finanzberichten an die UN, Kredite sowohl zu marktüblichen als auch zu günstigen Bedingungen gleich mit den direkten Zuschüssen. Dies ist unfair, denn Kredite sind keine Schenkungen und müssen zurückgezahlt werden. Zudem verdient die EU an den Krediten mit marktüblichen Zinsen, die auch zu einer höherer Verschuldung der Nehmerländer führen können. Kredite zu marktüblichen Konditionen sollten gar nicht als Klimafinanzierung ausgewiesen werden. Bei den günstigen Krediten sollte nur über den Anteil, der einer Schenkung gleichkommt, entsprechend der neuen OECD-Richtlinien berichtet werden.
4. Anpassung versus Minderung
Weniger als ein Drittel der Gesamtzusagen waren im Jahr 2018 für Anpassungsprojekte vorgesehen, die gerade für die ärmsten Staaten dringend notwendig sind, um sich angemessen zu schützen. Für Minderungsprojekte haben die EU-Finanzinstitutionen 68% der Gesamtausgaben vorgesehen im Jahr 2018 mit einer kleinen Erhöhung seit 2017 (67%). Dieses unfaire Verhältnis von Zusagen für Anpassung versus Minderung kommt durch die Berichterstattung der EIB zustande, die sich vor allem auf Kreditvergaben für Klimaschutzprojekte fokussiert. Gerade die Zuschüsse für Anpassungsmaßnahmen sind für die ärmsten Staaten von besonderer Bedeutung und sollten von den EU-Institutionen priorisiert werden. Zudem hat sich die EU dem Pariser Abkommen verpflichtet und muss für eine bessere Balance sorgen zwischen den Zusagen für Anpassungs- und Klimaschutzprojekte.
5. Empfängerländer
Wer erhält die Klimafinanzierung? Der Anteil der Zusagen an die am wenigsten entwickelten Länder ist im Jahr 2018 (14%) zurückgegangen im Vergleich zu 2017 (20%) und der Anteil der Zusagen an die reicheren Staaten ist dagegen ist im gleichen Zeitraum von 18% auf 23% angestiegen. Im Jahr 2018 waren die Gesamtzusagen an die Türkei größer als die Unterstützung an die am wenigsten entwickelten Staaten insgesamt. Die EU muss die ärmsten und verletzlichsten Staaten angemessen in der Bewältigung der Klimakrise unterstützen. Daher müssen die Auszahlungen transparent sein, damit nachvollziehbar bleibt, wer die Empfängerländer sind.
6. Private Klimafinanzierung
Die Daten zeigen, dass die mobilisierten Finanzmittel durch den Privatsektor nicht transparent sind und die Daten nur aggregiert zur Verfügung stehen. Die EU rechnet sich die private Klimafinanzierung auf das 100-Mrd-USD Klimaziel an, obwohl nicht nachvollziehbar ist, wie sich diese Finanzzahlungen zusammensetzen und wer die Mittel erhält. Zudem ist für private Investoren eher die Finanzierung von profitablen Minderungsprojekten in reicheren Ländern von Interesse als Anpassungsprojekte in ärmsten Staaten, die keinen Gewinn erwirtschaften. Die EU sollte dafür Sorge tragen, dass die Klimafinanzierung aus privaten Quellen transparent dargestellt wird. Private Klimafinanzierung, die durch die öffentliche Finanzierung durch EU Institutionen gehebelt wurde, muss auch den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte entsprechen.
7. Neue und zusätzliche Finanzmittel
Im Cancun Abkommen 2010 haben Industriestaaten bekräftigt, dass Klimafinanzierung von 100 Mrd. USD ab 2020 für Entwicklungsländer wachsend, neu und zusätzlich sein muss. Die EU berichtet an die UN ihre Klimafinanzierung sei „neu und zusätzlich“, weil sie nicht bereits zuvor irgendwo berichtet wurden, also sozusagen nicht doppelt gezählt wurden. Aber als die EU wie alle anderen Industriestaaten sich der Klimafinanzierung verpflichtet hat, wurde damit auch das Problem anerkannt, dass der Klimawandel in einem großen Umfang neue und wesentlich größere Dimensionen an Finanzmitteln erfordert, als dass es die herkömmliche Entwicklungsfinanzierung leisten könnte. Klimafinanzierung muss daher „neu und zusätzlich“ zur existierenden Entwicklungsfinanzierung (ODA) sein und der Klimakrise angemessen bereitgestellt werden. Rechentricks oder Verschiebungen werden das Problem nicht lösen.
Fazit
Klimafinanzierung ist neben der konkreten Minderung von Treibhausgasen eines der wichtigsten Maßnahmen, um die Auswirkungen der Klimakrise auf die ärmsten Menschen einzudämmen und damit humanitäre Katastrophen durch Klimafolgen einzudämmen. Die EU muss hier eine wichtige Vorreiterrolle einnehmen und die Messlatte für alle anderen Industriesaaten zum Nachahmen hochhängen. Transparente Berichterstattung und die Einhaltung von hohen und fairen Berichtstandards sind eine Grundvoraussetzung, damit die EU nicht an der Glaubwürdigkeit verliert, die sie für die Vertrauensbildung für Allianzen mit strategischen Partnern aus dem globalen Norden und Süden braucht.