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Globale Lieferketten in der Corona-Krise

Transnationale Unternehmen wälzen die Verluste, die sie durch die Corona-Krise erleiden, auf die schwächsten Glieder in den globalen Lieferketten ab – mit fatalen Folgen für die dortigen Beschäftigten. Das zeigt ein heute veröffentlichtes Briefing von Brot für die Welt, MISEREOR und dem ECCHR am Beispiel des Textilsektors.

Von Maren Leifker am
Näher*innen in einer Textilfabrik

In dem heute veröffentlichten Briefing "Globale Lieferketten in der Corona-Krise: Menschenrechte auf dem Abstellgleis?" wird am Beispiel des Textilsektors aufgezeigt, wie verantwortungslos Modekonzerne mit Sitz in Deutschland und Europa in der Corona-Krise agieren und welche dramatischen Folgen das für die Beschäftigten in den Produktionsländern hat.

Rücksichtslose Stornierung von Aufträgen

Eins ist sicher: auch die deutsche Wirtschaft ist von der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Krise hart getroffen. Durch die Geschäftsschließungen seit Mitte März 2020 erlitten deutsche und europäische Modekonzerne erhebliche Umsatzeinbußen. Diese Verluste wälzen viele von ihnen auf die schwächsten Glieder in den Lieferketten ab - Zulieferbetriebe und Beschäftigte in Ländern des globalen Südens.

Wie das geht:Obwohl Nähereien für die Herstellung von Textilien hohe Kosten für die Beschaffung der Rohmaterialien und die Bezahlung ihrer Mitarbeitenden aufweden müssen, ist es in der Textilbranche üblich, dass die Modekonzerne die Ware erst 60 bis 90 Tage nach Erhalt bezahlen. In der Corona-Krise nutzten Konzerne wie C&A und Primark dieses Zeitfenster, um die Abnahme und Bezahlung selbst von schon fertiggestellten Textilien zu verweigern. Die Nähereien blieben also auf ihren Kosten sitzen. 

Allein in Bangladesch, einem Hauptproduktionsland der deutschen Textilbranche, wurden seit Beginn der Corona-Krise Aufträge im Wert von 3,15 Milliarden US-Dollar storniert.

Arbeitslos, ohne Absicherung und Auskommen

Die Folgen in Bangladesch sind dramatisch: Mehr als die Hälfte der rund 4 Millionen Beschäftigten in der Textilproduktion hatte bis April 2020 ohne Abfindung ihren Job verloren. Viele weitere wurden zwangsweise beurlaubt, ohne ihr Gehalt fortgezahlt zu bekommen. Von den knapp 60 Euro, die ein*e Näher*in in Bangladesch im Monat verdient, ist es nicht möglich, finanzielle Rücklagen für schlechte Zeiten zu bilden. Die Betroffenen sind daher kaum noch in der Lage, das Überleben von sich und ihren Familien zu sichern und werden massiv in ihrem Menschenrecht auf einen angemessenen Lebensstandard verletzt. Natürlich ist es auch Aufgabe des bangladeschischen Staats und der Betriebe vor Ort dafür zu sorgen, dass Beschäftigte sozial abgesichert sind. Ungerechte Strukturen des internationalen Wirtschaftsverkehrs und der enorme Preisdruck von internationalen Modekonzernen tragen jedoch erheblich dazu bei, dass den Produktionsländern und dortigen Betrieben oft schlicht das Geld dazu fehlt.

Es geht auch anders

Dass es auch anders geht, zeigten die Unternehmen des deutschen Bündnis für nachhaltige Textilien, die sich dazu bekannten, dass "bereits fertiggestellte und in Produktion befindliche Aufträge […] möglichst in voller Höhe" zu zahlen sind und "faire Bezahlung und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Händlern, Marken und Zulieferern nach der Krise zur ‚neuen Normalität‘ werden müssen".

Genau das darf man von erfolgreichen deutschen Modekonzernen, die jahrelang von der günstigen Arbeit ihrer ausländischen Zulieferer profitiert haben, auch erwarten.

Mit einem Lieferkettengesetz zu mehr globaler Gerechtigkeit

Ein Lieferkettengesetz ist gerade jetzt besonders wichtig. Damit würde sichergestellt, dass Unternehmen auch in Krisenzeiten verantwortungsvoll agieren und nicht einfach rigoros Aufträge stornieren können, ohne die sozialen Folgen für die Beschäftigten entlang ihrer Lieferketten zu berücksichtigen. Es würde Unternehmen verpflichten, ihre eigenen Geschäftspraktiken und Preispolitiken so zu gestalten, dass ihre ausländischen Zulieferer Menschenrechte - wie das Recht auf einen existenzsichernden Lohn - einhalten können.

Die Durchsetzung von existenzsichernden Löhnen und Einkommen entlang der Lieferketten von in Deutschland geschäftstätigen Unternehmen mithilfe eines wirksamen Lieferkettengesetzes ist ein wichtiger Schritt in Richtung mehr globale Gerechtigkeit und würde Beschäftigte in Ländern des globalen Südens unterstützen, leichter aus dieser Krise herauszukommen und besser für die nächste gewappnet zu sein. Diese Form von internationaler Solidarität ist zur Bewältigung der Corona-Krise dringend nötig.

 

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