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Im Spannungsfeld zwischen „CSR“ und Einkaufspraxis

Zahlreiche deutsche Einzelhandelsunternehmen haben im Januar eine Absichtserklärung unterzeichnet, sich entlang ihrer globalen Lieferketten für existenzsichernde Einkommen und Löhne einzusetzen. Dies ist begrüßenswert, jedoch müssen auf medienwirksame CSR-Ankündigungen auch Taten in Form fairer Einkaufspraktiken folgen. Die Diskrepanz zwischen diesen zeigt sich aktuell deutlich am Beispiel Bananen

Von Teresa Hoffmann am
Zitat

Zahlreiche deutsche Einzelhandelsunternehmen haben bei der Internationalen Grünen Woche (IGW) im Januar 2020 angekündigt, entlang ihrer globalen Lieferketten die Erreichung existenzsichernder Einkommen und Löhne zu fördern. In der Selbstverpflichtung heißt es sogar, dass ein Schwerpunkt auf verantwortungsvolle Einkaufspraktiken und die Verringerung von Einkommens- und Lohnlücken bei Erzeugern in Herkunftsländern gelegt und dass ein enger Austausch mit Einkäufer*innen und Lieferant*innen gesucht werde, um das Verständnis für verantwortungsvolle Einkaufspraktiken und damit verbundenen Umsetzungsstrategien zu unterstützen. Das aktuelle Handeln von Aldi mit Blick auf dessen jährliche Preisverhandlungen für Bananen zeigt jedoch die massive Diskrepanz zwischen den angekündigten Corporate Social Responsibility (CSR) Maßnahmen – also der Verantwortung, die Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft übernehmen wollen - und ihrer tatsächlichen Einkaufspraxis.

Bananensektor: massiver Preisdruck trotz Absichtserklärung

Deutlich wurde dies im November, als bekannt wurde, dass Aldi (Europa) den Einkaufspreis von Bananen um etwa 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 11,33 EUR pro Kiste drücken möchte. Und das, obwohl der Preis seit Jahren extrem niedrig ist. Zwischen 2013 und 2018 ist der EU-Einfuhrpreis von Bananen um etwa 20 Prozent gesunken, mit massiven Auswirkungen auf die Menschen am Anfang der Bananenlieferkette. Vor allem Kleinbäuer*innen können dem Preisdruck mit gleichzeitig seit Jahren steigenden Produktionskosten nicht mehr standhalten. So ist der Anteil von Kleinproduzent*innen (bis 5 Hektar) von Bananen in Ecuador von 2015 bis 2018 um 60 Prozent gesunken (gemessen an der Anbaufläche). Der von Aldi verhandelte Preis ist von zentraler Bedeutung, da er eine Signalwirkung für den europäischen Einzelhandel hat. Andere große Supermarktketten orientieren sich erfahrungsgemäß an diesem und beeinflussen somit den ganzen europäischen Bananenmarkt in seiner Preissetzung. Das Preisdumping hat fatalen Folgen für die Arbeiter*innen und Produzent*innen in den bananenproduzierenden Ländern.

Direkte Auswirkungen auf Bananenproduzent*innen und Arbeiter*innen

Adela Torres, Generalsekretärin der Beschäftigten in der Agrarindustrie Kolumbiens (SINTRAINAGRO) betonte in einer Stellungnahme des Dachverbandes lateinamerikanischer Gewerkschaften COLSIBA, dass die Erhöhung des Preisdrucks aus Europa mitten in der Corona-Pandemie und während des Auftreffens zweier tropischer Wirbelstürme in Zentralamerika fatale Folgen für die Arbeiter*innen im Bananensektor und insbesondere für Frauen hat. Durch den Preisdruck wird der Handlungsspielraum für Tarifverhandlungen von Bananengewerkschaften für höhere Löhne von Arbeiter*innen zusätzlich verringert. Und das in einem Jahr, indem laut des Berichts des Internationalen Gewerkschaftsbunds (IGB), der jährlich die Achtung der Arbeitnehmerrechte weltweit bewertet, die höchste Rate an Verletzungen von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten seit sieben Jahren festgestellt wurde. Aufgrund der Corona-Pandemie sind, wie in vielen landwirtschaftlichen Sektoren in Lateinamerika, die Produktionskosten, aufgrund von höheren Ausgaben für den Arbeitsschutz, wie beispielsweise Desinfektionsmittel, Masken und aber auch aufgrund höherer Kosten für Verpackungsmaterial gestiegen. Die Produzent*innen, nicht nur im Bananensektor, sondern auch im Kakao- und Kaffeesektor, wurden mit diesen Kosten von ihren Abnehmern in Europa jedoch alleingelassen, wie unsere Partnerorganisation CIPCA in Peru, die landwirtschaftliche Kooperativen berät, bereits im Mai beklagte und das obwohl der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland während der Corona-Krise finanziell profitierte. Anstatt die prekäre Situation vor Ort noch weiter zu befeuern, sollte Aldi Verantwortung übernehmen und als ersten Schritt durch gerechte Einkaufspreise seinen Teil hin zu einer faireren Lieferkette beitragen.

Ohne klaren Bezug zur Geschäftstätigkeit geht es nicht

Auf die Selbsterklärung deutscher Einzelhandelsunternehmen sich für existenzsichernden Einkommen und Löhne einzusetzen, folgten bis jetzt - wenn überhaupt - nur Maßnahmen mit Projektcharakter. Ohne klaren Bezug zur Änderung der Einkaufspraxis und damit einhergehend auch höheren Einkaufspreisen werden Einzelmaßnahmen aber zu keiner umfassenden Verbesserung der Einkommenssituation der Produzent*innen und Arbeiter*innen führen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) verdeutlicht auf seiner Webseite: „Unternehmen, die ihre CSR-Aktivitäten als "Add on", als Zusatzleistung, verstehen, die nichts mit dem Geschäftsmodell und den Kerngeschäftsprozessen zu tun hat, greifen zu kurz.“ Vielmehr benötigt es einen umfassenden Ansatz zur Änderung der Geschäftspraktiken in globalen Lieferbeziehungen und der Einhaltung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten.

Wir müssen die Regeln ändern

Der Lebensmitteleinzelhandel, liefert sich insbesondere bei Bananen seit Jahren unterirdische Preiskämpfe. So hatte die Supermarktkette NETTO im November 2020 Bananen für 67 Cent pro Kilo im Angebot! Zum Vergleich: Eine fair produzierte Banane kostet in etwa das Doppelte. Damit unser Konsum und Wohlstand nicht weiter auf dem Rücken der Bäuer*innen und Arbeiter*innen im Globalen Süden ausgetragen wird, müssen sich die Rahmenbedingungen ändern.

Fair wirtschaftende Unternehmen, die bereits gute Einkaufspraktiken und langjährige Handelspartnerschaften umsetzen, müssen durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle, gestärkt werden. Denn Im Moment haben die Unternehmen, die die sozialen und ökologischen Kosten von unseren Konsumgütern auf die Produzent*innen und Arbeiter*innen im Globalen Süden abwälzen und niedrige Preise und Hungerlöhne bezahlen einen Wettbewerbsvorteil.

Dazu muss die Bundesregierung endlich, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ein wirksames Lieferkettengesetz in Deutschland einführen und sich auf europäischer Ebene für ein starkes Gesetz mit Haftungsregeln einsetzen. Außerdem sollte die Bundesregierung bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zu unlauteren Handelspraktiken in Deutschland das Verbot von Dumpingpreisen mit aufnehmen. In Spanien wurde dies bereits realisiert, damit die Preiskämpfe des Lebensmitteleinzelhandels nicht mehr auf dem Rücken der Bäuer*innen und Arbeiter*innen auf Bananen-, Kaffee-, Kakao- und anderen Plantagen ausgetragen werden. Denn wie auf der IGW 2020 angekündigt sollte durch die Umsetzung fairer Einkaufspraktiken ein Grundstein auf dem Weg hin zu existenzsichernden Löhnen und Einkommen gelegt werden. Aldi und Co. müssen nun zeigen, dass sie es ernst meinen, denn die aktuelle Preispolitik steht in einem krassen Widerspruch zu den selbst formulierten und öffentlichkeitswirksam angekündigten Ansprüchen.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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