Die Fahrt nach Chimanimani führt vorbei an kleinen Weilern durch fruchtbares und von vielen Wasserläufen durchzogenes Bergland. Im regenreichen Grenzgebiet zu Mosambik deutet wenig auf die anhaltende Dürre hin, die in weiten Teilen des südlichen Afrikas zu massiven Ernteausfällen und Ernährungsunsicherheit führte. Doch der idyllische Eindruck trügt: schnell erblickt man die zahlreichen Lawinenabgänge, die sich wie Furchen in die Bergabhänge schlagen. Auch viele Bäche und Flüsse sind außergewöhnlich breit und voller Geröll und Felsen. Sie erinnern auf schmerzhafte Weise an den Wirbelsturm Idai, der Mitte März 2019 eine Spur der Verwüstung in Mosambik sowie in Teilen Simbabwes und Malawis hinterließ.
Die Verwüstungen durch den Wirbelsturm Idai
In Chimanimani führten die tagelangen Sturzregen zu lawinenartigen Abgängen, welche Teile von Dörfern und Felder unter sich begruben. Zudem rissen die äußerst stark anschwellenden Wasserläufe Gebäude, Felder, Brücken und Straßen mit sich, so dass einige Gebiete mehrere Wochen von der Außenwelt abgeschnitten blieben. Angaben unserer Projektpartner vor Ort zufolge ließen in Chimanimani ca. 450 Personen ihr Leben beziehungsweise werden weiterhin vermisst. Einige Körper werden noch unter dem Geröll der Flussbetten vermutet, andere wurden wohl ins benachbarte Mosambik oder gar in den Indischen Ozean gespült.
Schätzungen zufolge wurden 1,4 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzflächen zerstört, indem die fruchtbare obere Humusschicht sowie viele Bewässerungssysteme fortgeschwemmt wurden. Die Steigerung der Bodenfruchtbarkeit auf das ursprüngliche Niveau wird abhängig vom Grad der Zerstörung Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern. Während Teile der Ernten vernichtet wurden, waren zahlreiche Bäuerinnen und Bauern aufgrund der zerstörten Infrastruktur zudem von wichtigen Absatzmärkten abgeschnitten, so dass sich sowohl die Ernährungs- als auch die Einkommenssituation der Lokalbevölkerung massiv verschlechtert hat.
Die Lage heute: Wiederaufbau der Infrastruktur und seelische Verletzungen
Ein Jahr nach dem Wirbelsturm ist die gesamte Region wieder gut zugänglich. Zahlreiche Brücken wurden bereits wiedererrichtet bzw. befinden sich im Wiederaufbau. Bei der langfristigen Unterbringung der Menschen, deren Häuser durch den Wirbelsturm vollkommen zerstört oder unbewohnbar wurden, gehen die Arbeiten jedoch weniger zügig voran. Unmut macht sich breit darüber, dass auch ein Jahr nach der Naturkatastrophe noch mehrere hundert Menschen in Zelten leben müssen. Insbesondere während der Regenzeit leiden die Betroffenen unter den nasskalten Lebensumständen in den Zelten. Wie mir berichtet wurde, zögern staatliche Stellen mit der Vergabe neuer Baugrundstücke, solange nicht abschließend geklärt ist, inwiefern mögliche Baugebiete von vergleichbaren Naturkatastrophen betroffen sein könnten.
Weniger sichtbar als die vielen Lawinenabgänge, die wie offene Wunden an den Berghängen klaffen, sind die seelischen Verletzungen und Traumatisierungen der Menschen, die Todesfälle in Familie und unmittelbarer Nachbarschaft zu verzeichnen haben. Auch einige Mitarbeitende unserer Partnerorganisationen sind nachhaltig traumatisiert. Sie stürzten sich sofort in Nothilfe- und Wiederaufbaumaßnahmen, ohne sich mit ihren eigenen seelischen Verletzungen und Ängsten auseinanderzusetzen. Inzwischen haben die Mitarbeitenden von TSURO an einem mehrtägigen Retreat teilgenommen und erhalten je nach Bedarf psychologische Unterstützung. Doch für zahlreiche Bewohner*innen ist das Leben in Chimanimani mit zu vielen traurigen Erinnerungen und der Furcht vor erneuten Wirbelstürmen verbunden. Unsere Partner beobachten einen kontinuierlichen Wegzug von ehemaligen Bewohner*innen in angrenzende Distrikte und Regionen. Durch die Abwanderung aus der Region wird es für unsere Partnerorganisationen langfristig deutlich schwieriger, qualifiziertes Personal für ihre so wichtige Arbeit zu halten bzw. zu finden.
Der Beitrag unserer Partner zu Nothilfe und Wiederaufbau
Durch die Umwidmung von Projektmitteln durch Brot für die Welt und andere Geber konnten die beiden lokalen Partnerorganisationen TSURO und CELUCT schnell und unbürokratisch auf die Katastrophe reagieren: so konnte beispielsweise TSURO bereits wenige Tage nach dem Wirbelsturm mit der Verteilung von Grundnahrungsmittel, Kleidung, Kochutensilien und Hygieneartikel an 8700 Haushalte beginnen. Für die langfristige landwirtschaftliche Entwicklung der Region wurden 26,8 Tonnen an regional erzeugtem Saatgut bereitgestellt, da große Mengen des Saatguts während der Regenfälle verloren gingen. CELUCT wiederum hat mit Lehrkräfte in betroffenen Gemeinden sechs Workshops zum Umgang mit Traumata durchgeführt. Zudem wurden in enger Abstimmung mit den traditionellen Autoritäten und weiteren Hilfsorganisationen vor Ort sieben Haushalte ausgewählt, die beim Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser unterstützt wurden. Der Besuch zweier dieser Familien war ein besonders eindrückliches Erlebnis meiner Dienstreise.
Nicht alle Bewohner*innen der Region zeigen sich indessen erfreut über das Agieren einiger internationaler Hilfsorganisationen, die kurz nach dem Wirbelsturm in die Region strömten. Ein Bewohner des Dorfs Chimanimani, der selbst an Bergungs- und Nothilfemaßnahmen im Katastrophengebiet beteiligt war, beklagt etwa die mangelnde Abstimmung einiger Hilfsorganisationen mit staatlichen Stellen und traditionellen Autoritäten. Dadurch sei Hilfe teilweise arbiträr und nach dem Gießkannenprinzip erfolgt. Die Distriktbehörden nehmen unsere beiden Partnerorganisationen von dieser Kritik ausdrücklich aus und bescheinigen TSURO und CELUCT, dass sie sich sehr gut in Abstimmungsprozesse einbrachten und durch ihre hervorragende Verankerung vor Ort die besonders bedürftigen Haushalte erreichen konnten.
Doch die Arbeit unserer Partner endet hier nicht: mit finanzieller Unterstützung durch Brot für die Welt koordiniert TSURO aktuell eine große Studie, welche einerseits die Faktoren untersucht, welche die dramatischen Auswirkungen des Wirbelsturms begünstigten, und andererseits die geleisteten Nothilfe- und Wiederaufbaumaßnahmen kritisch beleuchtet. Die technische Expertise steuern internationale Forscher*innen der Universitäten Potsdam, Coventry und Edinburgh sowie mindestens vier simbabwischer Universitäten bei.
Es ist noch lang keine Ruhe eingekehrt, aber das Leben geht weiter. Und so bleibt zu hoffen, dass die nötigen Lehren gezogen werden und die Region gegenüber künftigen Wirbelstürmen besser gewappnet sein wird.