Frau Hoffmann, obwohl sie den Fairen Handel beliefern, verfügen viele Bananenbäuerinnen und -bauern über kein existenzsicherndes Einkommen - auch in Peru nicht, dem Land, das uns neben Ecuador und der Dominikanischen Republik die meisten fairen Bananen liefert. Profitieren die Arbeiterinnen und Arbeiter und Kleinbauernfamilien überhaupt vom Fairen Handel?
Ja, sie profitieren sogar in mehrfacher Hinsicht vom Fairen Handel. Etwa die Kleinbauernfamilien in der Provinz Piura im Norden Perus. Früher haben sie Reis und Baumwolle angebaut – und kaum etwas damit verdient. Heute hingegen bekommen sie für die fair erzeugten Bananen einen festen Mindestpreis und eine im Fairen Handel übliche Prämie; bei Biobananen außerdem einen Biozuschlag. Damit verdienen sie mehr als auf dem konventionellen Markt. Durch den Einstieg in den Fairen Handel wurde auch die Wirtschaft der Region angekurbelt. Viele Kooperativen ernten, verpacken und exportieren selbst. Dadurch sind Jobs entstanden. Außerdem hat der Faire Handel den Zusammenschluss zu Genossenschaften und Gewerkschaften gefördert.
Hat sich der Faire Handel auch in Krisenzeiten bewährt?
Ja, gerade jetzt zeigt sich, dass sozial und ökologisch nachhaltige Lieferketten im Vergleich zu konventionellen Lieferketten resilienter, also widerstandfähiger, sind. Einige Fair-Handelsunternehmen, wie zum Beispiel die GEPA oder El Puente, haben vorgemacht, wie man am Anfang der Lieferkette Verantwortung übernimmt. Die Instrumente des Fairen Handels - wie zum Beispiel, dass keine einseitigen Stornierungen von Aufträgen vollzogen werden oder dass bei Lieferverzögerungen und –ausfällen, wie es viele Produzentinnen und Produzenten erleben und befürchten, keine Vertragsstrafen fällig werden - haben sich bewährt. Außerdem können die Handelspartner die Vorfinanzierung der Ernte – eine Arte zinsgünstiger Kredit - beantragen, wenn sie vor Lieferung der Ware Geld für die Produktion benötigen. Bei verspäteter Lieferung der Produkte, wie es jetzt teilweise der Fall ist, kann der Zeitraum der Vorfinanzierung auch verlängert werden.
Wieviel Geld bekommen die Erzeugerinnen und Erzeuger für die fairen Früchte?
Pro Kiste Bananen – eine Kiste wiegt 18,14 Kilogramm –bekommen die peruanischen Kleinbauernkooperativen 8,95 US-Dollar. Das sind umgerechnet etwas mehr als acht Euro. Das einzelne Kooperativenmitglied, also die Kleinbauernfamilie, bekommt davon im Schnitt 5,40 US-Dollar. Der Rest des Geldes wird für das Waschen und Verpacken der Bananen sowie für laufende Kosten der Kooperative verwendet. Zum Vergleich: Auf dem lokalen Markt bekämen die Kleinbauern nach Angaben unserer Partnerorganisation für dieselbe Menge gerade mal 1,50 bis zwei US-Dollar. Verlädt und transportiert die Kooperative die Früchte zum Hafen, kann sie von Importeuren wie Port International, der unter anderem den Discounter Lidl beliefert, sogar weitere vier US-Dollar pro Kiste verlangen.
Wie hilft die Fair-Handelsprämie den Kooperativen?
Die Prämie für Bananen liegt in Peru bei einem US-Dollar pro Kiste. Die Mitglieder der Kooperative entscheiden in welches gemeinschaftliches Projekt die Prämie investiert wird. Sie können beispielsweise Fortbildungen finanzieren, in denen sie lernen, wie man eine Kooperative führt oder Böden nachhaltig düngt. Sie können die Prämie auch in Maschinen investieren, mit denen die Organisation ihre Wertschöpfung erhöhen kann. Oft decken sie damit auch Produktions- und Betriebskosten. Fairtrade International hat als Maßnahme zur Unterstützung von Produzentinnen und Arbeitern im Rahmen der Covid-19- Krise die Regeln zur Prämienverwendung gelockert. Derzeit kann die Prämie auch ohne Zweckbindung zum Beispiel zum Ausgleich von Lohnverlusten, zum Kauf medizinischer Güter oder auch für Lebensmittel ausgegeben werden. Im Jahr 2019 flossen durch den Verkauf von Fairtrade-Bananen in ganz Deutschland allein durch die Prämie über 6,3 Millionen Euro an alle Fairtrade-Bananenkooperativen weltweit. Die Entwicklungen für das Jahr 2020 sind abzuwarten. Jedoch sind aufgrund erschwerter Transportbedingungen und steigender Produktionskosten mit Umsatzeinbußen zu rechnen.
Ist die Arbeit auf Bananenplantagen des Fairen Handels gesünder?
Ja. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sind definitiv weniger Pestiziden ausgesetzt. Der Fairtrade-Standard beinhaltet nicht nur strenge Sozialstandards wie etwa Mindestlöhne oder die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen. Er macht auch Vorgaben zum Umweltschutz. Gefährliche Agrochemikalien sind verboten. Das ist in der konventionellen Bananenindustrie anders: Hier versprühen Flugzeuge oft hochgiftige Pestizide - wie das in der EU nicht zugelassene Paraquat – auch während Menschen auf den Bananenplantagen arbeiten. 63 Prozent der Fairtrade Bananen sind zudem auch bio zertifiziert. Der Standard der World Fair Trade Organisation (WFTO), dem sich zum Beispiel El Puente verschrieben hat, geht noch weiter und legt einen zusätzlichen Fokus auf die Reduzierung von Verpackungsmüll und geringen Energiekonsum entlang der gesamten Lieferkette.
Wie beeinträchtigt die Klimakrise die fairen Erzeugerfamilien in Peru?
Sie sind massiv von der Klimakrise betroffen, vor allem durch das Wetterphänomen El Niño. Es gewinnt durch die Klimakrise an Intensität. Die Region Piura ist eigentlich sehr trocken. Doch 2017 wurden dort Brücken, Felder und Straßen überschwemmt und zerstört. Viele Familien konnten ihre Ernte nicht mehr zu den lokalen Märkten oder den Häfen bringen. Viele haben ihre Ernte komplett verloren. Das Jahr 2019 brachte ungewöhnlich kalte Temperaturen mit sich und Anfang 2020 klagten unsere Partner über eine extreme Trockenheit. Dies führte zu einem Rückgang der Produktivität und somit zu Ernteausfällen.
Wie wichtig ist eine bessere Wertschöpfung vor Ort?
Sie ist für die lokale Wirtschaft extrem wichtig – auch über den Bananensektor hinaus. Würden Bananen vor Ort etwa zu fairen Chips verarbeitet oder Kakaobohnen zu Schokolade, bliebe mehr Geld vor Ort – Geld, das jetzt die Unternehmen in Europa verdienen, die den Rohstoff veredeln.
Und wer verhindert das bisher?
Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Die fehlende Nachfrage nach dem veredelten Produkt vor Ort. Importhemmnisse. Der Mangel an Geld, in die Weiterverarbeitung zu investieren. Hinzu kommt, dass Kaffeeröstereien, Schokoladenhersteller und auch der Einzelhandel im Globalen Norden kein Interesse daran haben, etwas von ihrem Gewinn abzugeben. Besonders deutlich wird das am Beispiel Kaffee. Während die Röster und der Einzelhandel in den letzten 20 Jahren global ein Plus von unglaublichen 215 Prozent machten, mussten die Kaffeeproduzenten Umsatzeinbußen von minus zehn Prozent hinnehmen– mit fatalen Folgen.
Bananenbauernfamilien in Peru klagen, auch die faire Banane bei Lidl & Co. müsste teurer sein, damit sie davon leben können ...
Das stimmt. Solange der deutsche Einzelhandel die Preise entlang der Lieferketten drückt und Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bereit sind, mehr als 1,09 Cent für das Kilogramm Fairtrade-Bananen wie bei Lidl oder mehr als einen Euro für konventionelle Bananen zu bezahlen, werden die Einkommen von Produzentenfamilien nicht existenzsichernd sein. Auch im Fairen Handel nicht. Dafür müsste der Mindestpreis und die Nachfrage für fair erzeugte Bananen steigen. Perus Fairtrade-Bananenbauern beispielsweise können aufgrund zu geringer Nachfrage nur etwa zwei Drittel ihrer Ernte unter Fair-Handelsbedingungen verkaufen. Die restlichen Früchte landen leider auf dem konventionellen Markt – für einen Bruchteil des Geldes. Dennoch bietet der Faire Handel gerade in Krisenzeiten ein Sicherheitsnetz und den Produzentinnen und Produzenten bei allen Herausforderungen eine Alternative.
Was fordern Sie von politischen Entscheidungsträger*innen?
Gerade weil Fair-Handelsunternehmen sich während der Krise solidarisch zeigen und in ihre Handelspartner investieren, haben sie einen Wettbewerbsnachteil gegenüber konventionell agierenden Unternehmen. Dies wurde beispielswiese in der Modeindustrie im Frühjahr 2020 deutlich. Aufträge in Milliardenhöhe wurden storniert und niemand übernahm Verantwortung für Millionen von Näherinnen und Näher, die innerhalb kürzester Zeit ihre Arbeit verloren haben. Faires und nachhaltiges Wirtschaften muss endlich Standard werden.
Um dies zu erreichen, benötigen wir neben der Förderung des Fairen Handels auch regulatorische Maßnahmen seitens der Bundesregierung. Erster Schritt ist ein wirksames Lieferkettengesetz, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette gilt und bei Verstößen zivilrechtliche Haftung vorsieht. Zusätzlich fordern wir gemeinsam mit zahlreichen anderen NGOs die fristgerechte Umsetzung der EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken (UTP-Richtlinie) sowie eine Erweiterung der Liste verbotener Handelspraktiken. Vor allem das Verbot von Dumpingpreisen, wäre gerade für Bananenproduzenten, die von den Bananen-Preiskämpfen der hiesigen Supermarktgiganten besonders betroffen sind, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.