Globale Lieferketten sind fragil – nicht nur für europäische Unternehmen, sondern besonders für die Beschäftigten im Globalen Süden. Das hat die Corona-Krise deutlich gezeigt: In den textilproduzierenden Ländern Asiens verloren Millionen Menschen ihren Job, weil deutsche und europäische Textilkonzerne Aufträge stornierten und die Abnahme von bereits produzierter Ware verweigerten. Während der zweiten Jahreshälfte 2020 führt die deutsche Bundesregierung den Rat der Europäischen Union und hat die Chance, mit einem europäischen Lieferkettengesetz solche Praktiken zu unterbinden!
Die Zeichen stehen gut
Die Zeichen für eine europäische Regelung stehen nicht schlecht: im April hat EU-Justizkommissar Didier Reynders angekündigt, Anfang 2021 einen Vorschlag für eine verbindliche Regulierung vorzulegen. Sie soll klare Sanktionen bei Menschenrechtsverletzungen durch europäische Konzerne vorsehen. Zuvor hatte der Justizkommissar eine Studie der Kommission vorgestellt, laut der 70 Prozent der befragten Unternehmer*innen aus ganz Europa ein Gesetz befürworten. Reynders möchte das Lieferkettengesetz deshalb im European Green Deal der Kommission verankern und es mit wirksamen Sanktionen ausstatten.
Ambitionierte Maßstäbe setzen
Mit einem engagierten Einsatz während der EU-Ratspräsidentschaft, könnte die deutsche Bundesregierung also dazu beitragen, dass Ausbeutungen und Menschenrechtsverletzungen durch europäische Unternehmen der Vergangenheit angehören. Dazu sollte sie auf nationaler Ebene mit gutem Beispiel voran gehen und ambitionierte Maßstäbe setzen: Wenn das deutsche Lieferkettengesetz zeitnah auf den Weg gebracht wird, kann die Bundesregierung in Europa als ehrliche Maklerin auftreten und mit europaweit einheitlichen Regeln für klare Verhältnisse sorgen.
Gesetzlicher Rahmen jetzt
Mit einer europäischen Regelung zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten und einem ambitionierten Gesetz auf nationaler Ebene würde die Bundesregierung also gleich mehrere Erfolge erzielen: Auswirkungen der Corona-Pandemie und zukünftiger Krisen im Globalen Süden würden abgefangen, Lieferketten würden sowohl resilienter gegen Ausbeutungen, als auch krisenfester für europäische Konzerne. Wenn die Bundesregierung während der Ratspräsidentschaft voranschreitet, könnte sie außerdem Kritiker*innen den Wind aus den Segeln nehmen, die Wettbewerbsnachteile für deutsche Firmen befürchten und mit europäischen Partnerländern zusammenarbeiten, die wie Frankreich und die Niederlande auf nationaler Ebene bereits viel weiter sind.