Interview

Peru: Das Coronavirus trifft vor allem die Armen

Auch in den Partnerländern von Brot für die Welt breitet sich das Coronavirus immer weiter aus – mit unabsehbaren Folgen für die Menschen. Adrian Oelschlegel leitet das Büro von Brot für die Welt in Peru. Im Interview berichtet er über die aktuelle Situation dort.

Von Thorsten Lichtblau am
Adrian Oelschlegel

Adrian Oelschlegel, Leiter der Verbindungsstelle Anden von Brot für die Welt

Herr Oelschlegel, wie viele Menschen sind bislang in Peru an COVID-19 erkrankt?

Offiziell sind aktuell 395 Personen infiziert, fünf Menschen sind gestorben. Aber es ist ja bekannt, dass die Dunkelziffer wesentlich höher liegt. Auch befinden wir uns hier noch am Anfang der Pandemie. Die Zahlen werden in den kommenden Tagen sicherlich noch rasant steigen.

Was unternimmt die Regierung?

Im ganzen Land herrscht seit dem 16. März der Ausnahmezustand. Die damit verbundene Ausgangssperre wurde am letzten Mittwoch nochmals verschärft. Zwischen acht Uhr abends und fünf Uhr morgens darf sich niemand mehr frei auf der Straße bewegen, es sei denn, er hat hierfür eine Ausnahmegenehmigung. Tagsüber darf man noch raus, allerdings nur, um Lebensmittel zu kaufen, zum Arzt oder zur Bank zu gehen. Zur Durchsetzung der Ausgangssperre wurde die Armee mobilisiert. Zudem hat man in der Nacht zum Dienstag die Grenzen geschlossen und auch alle nationalen Flugverbindungen eingestellt. Zuvor waren bereits alle Flüge von und nach Europa und Asien für 30 Tage ausgesetzt worden.

Das heißt, das ganze Land steht still?

Nein, die Regierung hat den Bergbau von diesen Maßnahmen ausgenommen. Hier wird ganz normal weitergearbeitet, vor allem, damit die Steuereinnahmen aus diesem Sektor nicht wegbrechen. Auch ist von Fällen zu hören, wo Großgrundbesitzer und Agrarunternehmen ihre Angestellten dazu gezwungen haben, zur Arbeit zu kommen, mit der Drohung, dass sie sonst entlassen würden.

Welche Folgen hat die Pandemie für die Bevölkerung?

Das peruanische Gesundheitssystem ist für eine Pandemie unzureichend gerüstet. Auch wirtschaftlich sind viele Menschen nicht gegen eine lange und schwere Krise gewappnet. Knapp 70 Prozent der arbeitenden Bevölkerung gehen einer informellen Beschäftigung nach, sie verfügen über keinerlei Sozialleistungen wie Gesundheitsversorgung oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Und 3,4 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu fließendem Wasser. Diese arme Bevölkerung leidet natürlich besonders unter den Auswirkungen der Krise. Viele Menschen werden ihre Arbeit verlieren, Einkünfte aus dem Tourismussektor brechen jetzt schon weg. Lebensmittelpreise sowie Transportkosten haben sich wesentlich erhöht. Das Land wird wohl in eine tiefe Rezession stürzen. Armut und extreme Armut werden zunehmen, die Arbeitslosigkeit steigen. Vor ein paar Tagen hat die Regierung ein Dekret erlassen, nach dem die arme und sehr arme Bevölkerung eine einmalige Zahlung von etwa 100 Euro erhalten soll. Damit lässt sich natürlich nicht lang wirtschaften.

Wie reagieren die Menschen auf die Krise?

Erstaunlicherweise fügen sich die Menschen hier ohne Murren in den neuen Notstand. Im Gegenteil, Präsident Vizcarra, der jeden Mittag im Fernsehen eine Erklärung zum Stand der Pandemie abgibt, hat an Beliebtheit gewonnen. Nach einer Woche Ausgangssperre befürworten laut einer Umfrage fast 90 Prozent der Peruaner die Maßnahmen der Regierung. Allerdings hat es in den letzten Tagen auch Tausende von Festnahmen gegeben, da sich nicht alle Menschen an die Vorschriften halten.

Welche Folgen hat das Virus für Ihre Arbeit?

Von unserem Büro aus betreuen wir 40 Partnerorganisationen in Peru und 20 in Bolivien. Mittlerweile tun wir dies von zuhause aus. Auch die meisten Mitarbeitenden unserer Partnerorganisationen arbeiten inzwischen im Homeoffice. Einen Großteil der Projektaktivitäten haben sie aufschieben müssen. Derzeit prüfen wir, wie wir die Partner und insbesondere die Menschen in den Projektgebieten unterstützen können. Allerdings werden wir uns keinen Nothilfemaßnahmen widmen, dafür ist unsere Schwesterorganisation Diakonie Katstrophenhilfe zuständig. Vereinzelt können unsere Partnerorganisationen über ihre Projektbudgets eigene punktuelle Maßnahmen zur Prävention der Pandemie durchführen.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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