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Pura Vida in Costa Rica

Die Freiwillige Paola M. berichtet von ihren Herausforderugen bei ihrer Einsatzstelle in Costa Rica. Sie war für eine NGO tätig, die sich stark für Menschenrechte einsetzt - mit Fokus auf dem Thema Migration.

Von Sandra Lüttke am

Niemals hätte ich zählen können, wie oft der Ausdruck „Pura Vida“ während des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes in Costa Rica gefallen ist und vor allem die Frage: Was bedeutet Pura Vida eigentlich? In den Berichten, die wir während des Jahres schreiben, finden sich noch mehr interessante Fragestellungen an uns Freiwillige. Sie regen zum Reflektieren an, appellieren an uns, noch mehr nachzudenken über den Dienst, sich und was eigentlich alles für einen bedeutet. Beispielsweise ging es im Halbjahresbericht u.a. um die Frage: Wie sieht eine gute Vorbereitung auf diesen Dienst eigentlich aus? Und im ersten Moment habe ich mich dabei ertappt, wie ich gedanklich schon einige Stichpunkte gemacht hatte: Filme auf Spanisch schauen, einen Spanischkurs belegen, mit den Vorfreiwilligen sprechen, die Internetadresse der Partnerorganisation gut durchlesen… Aber warum hat es mich dann bis zu unserem unerwarteten Abbruch trotzdem gestört, wenn mich Fremde angeschaut, angelächelt oder angesprochen haben? Und warum habe ich mich bis zum Schluss immer noch über Dinge geärgert, obwohl ich sie vorher doch wusste und es klar war, dass ich in einem anderen Land bin mit einer anderen Kultur und Mentalität? Pura Vida, mit allem, was das Leben bringt, ist für mich sowohl laut, als auch leise, positiv, negativ, eben bunt. Es bedeutet alles, was das Leben bedeutet, in all seinen Facetten und gerade deswegen finde ich es eben schwierig, eine klare Antwort darauf zu geben, wie man sich auf einen Freiwilligendienst am besten vorbereiten kann. Auf meiner Einsatzstelle habe ich eine NGO unterstützt, die sich stark für Menschenrechte einsetzt mit Fokus auf dem Thema Migration. Vor allem sind es Menschen aus Nicaragua, die vermehrt in Costa Rica ein neues Leben beginnen möchten. Im Gespräch mit Einheimischen war dies ein sehr präsentes Thema, das mitunter mit negativen Vorurteilen verknüpft wird. Das Thema Migration ist nicht nur in Deutschland groß, auch hier existieren Vorurteile, Existenzängste, Konkurrenzkampf, aber eben auch helfende Hände und Großherzigkeit. Mit allem werden wir konfrontiert, noch mehr wahrscheinlich die Menschen, die versuchen ein neues Leben aufzubauen, die wir unterstützen möchten. In den Flüchtlingsunterkünften, im Büro und an anderen Orten der Begegnung lernten wir sie kennen, unterhielten uns mit ihnen und erfuhren ihre Geschichten. Manche Geschichten erfuhren wir aber nie, sie wurden uns auch nicht (genau) erzählt. Aber oft waren es Erzählungen von Leid, Liebe, Hoffnung und dem Versuch, wieder aufzustehen, weiterzumachen. Es waren Erzählungen vom Leben mit all seinen Facetten. Es ist „Pura Vida“, mal schlecht, dann gut, aber immer echt. Selbst die größte abgehakte Vorbereitungsliste wäre niemals genug, um die manchmal schwerwiegenden Eindrücke und die vielen neuen Reize aufzufangen. Die Vorfreude oder Unsicherheit, wenn man an den bevorstehenden Freiwilligendienst denkt, werden nicht weniger je mehr Punkte man auf der Liste abhakt. Aber man bekommt die Möglichkeit sich mit „Gleichgesinnten“ auszutauschen, offen über sein Inneres zu sprechen und wenigstens ein bisschen mehr Klarheit zu erlangen, während im Hinterkopf das ganze Jahr einige Leitfragen schwirren: Was ist meine Motivation für den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst? Was sind meine Ziele? Wo liegen eigentlich meine eigenen Grenzen? Ich war in meiner Einsatzstelle mit vielen Menschen zusammen, die die unterschiedlichsten Erfahrungen durchlebt haben. Einige waren meine Kolleginnen und Kollegen, andere waren Menschen, die auf unsere Hilfe angewiesen waren, wiederum andere hatten eine höhere Position, waren privilegiert und diejenigen, die entscheiden konnten und mehr „Macht“ besaßen. Abwechselnd war ich mal in unserem Büro der NGO, in dem mir vor allem meine Mentorin, aber auch manchmal andere Kolleginnen und Kollegen Aufgaben überreichten: Mal kleinere, wie das Erstellen von Listen oder Basteln, mal größere wie die Organisation und Durchführung eines Thementages oder Workshops. An den übrigen Tagen unterstützte ich die Flüchtlingsunterkünfte; Ich war Ansprechpartnerin, begleitete zu verschiedenen Terminen oder betreutee einige Familien, die nicht mehr dort wohnten, aber immer noch Unterstützung erhielten. Hierbei spielte das Thema Balance eine wichtige Rolle, denn man möchte sich einerseits weiterentwickeln, sich irgendwie verändern und so gut wie möglich in die neuen Kulturen eintauchen, doch gleichzeitig möchte man sich eben auch selbst treu bleiben und die eigenen Grenzen klar definieren und äußern. Jeden Tag also ganz viele verschiedene Rollen – vor allem wenn man mit Menschen arbeitet, zu 100 Prozent präsent sein möchte und man an verschiedenen Orten und Bereichen tätig ist. Und das Ganze mit der Herausforderung, dass man mehr oder weniger alleine an einem fremden und unbekannten Ort ist und auch noch die Sprache lernen/perfektionieren möchte. Ganz automatisch und nebenbei verändert man sich immer wieder, versuch sein neues „Ich“ zu erforschen und trotzdem authentisch zu bleiben. Eigentlich ist es wie im Leben selbst; es ist eine Herausforderung, die nicht nur während des gesamten Dienstes bestehen bleibt, sondern sich durch ein ganzes menschliches Leben zieht: Und wie bereitet man sich bloß auf das Leben vor? Einige Stützen waren für mich meine Mitfreiwilligen, Freunde und Bekannte in Deutschland und neue Bekanntschaften in Costa Rica. Erfahrungsberichte von ehemaligen Freiwilligen, der Austausch mit ihnen und die dadurch entstandenen verschiedenen Blickwinkel verdeutlichen, dass niemand „alleine“ ist und man nie die einzige Person mit einem bestimmten Problem ist. Und da man sich sozusagen auch „verpflichtet“ hat zu etwas, gibt es seitens der Partnerorganisation und Brot für die Welt klar definierte Vorbereitungen, die einem etwas Stabilität/Halt/Struktur/Sicherheit verschaffen und einem die Angst vor dem Ungewissen nehmen möchten. Daneben existieren die nicht ausgesprochenen und eher unsichtbaren, vielleicht auch nicht definierten Pflichten gegenüber seiner Familie und seinen Freunden und dafür wird es womöglich nie ein perfektes Rezept geben… Denn man ist mittendrin, die Welt befindet sich im Wandel, man selbst befindet sich im Wandel und ist der Wandel. Es passiert ständig etwas, selbst, wenn nichts passiert. Jede Nicht-Kommunikation ist eine Kommunikation, es gibt immer eine Bewegung, ein Ereignis. Und da steht man, versuchend die Balance zu halten zwischen dem sich selbst treu bleiben und gleichzeitig auf verschiedene Bedürfnisse, Menschen, und Charaktere einzugehen. Immer bereit für Veränderungen jeglicher Art, denn das ist das Leben. Und ein Freiwilligendienst besteht aus so vielen Aspekten, die das Leben spiegeln: Wir leben, lieben, lachen – ganz egal, wo wir uns auf der Welt befinden oder welche Sprache wir sprechen. Pura Vida, Paola M.

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