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Sanktionen und der Kampf gegen Corona

Die rasante Ausbreitung des Coronavirus stellt Gesundheitssysteme in der ganzen Welt vor gewaltige Herausforderungen. Betroffen sind auch Länder, die gegenwärtig aus unterschiedlichsten Gründen mit Sanktionen belegt sind. Spätestens jetzt ist es dringend notwendig, Sanktionsregime daraufhin zu überprüfen, ob sie eine wirkungsvolle Bekämpfung der Pandemie behindern.

Von Dr. Johannes Icking am
UN-Sicherheitsrat

Der UN-Sicherheitsrat ist für die Verhängung von Sanktionen zuständig

Sanktionen sind internationale Zwangsmaßnahmen, die in der Regel durch den UN-Sicherheitsrat verhängt werden müssen. Besonders weitreichende Sanktionen wurden in den letzten Jahren gegen den Iran, Venezuela und Nordkorea erlassen: So sollen die vom UN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen gegen den Iran und Nordkorea beide Länder dazu bewegen, die Entwicklung von Atomwaffen einzustellen, während die Sanktionen der USA und der EU gegen Venezuela nach der Entmachtung des Parlaments durch Präsident Maduro die Gewaltentrennung im Land wieder herstellen sollen. Die verhängten Maßnahmen reichen dabei – je nach Ziel der Sanktionen – von Handelsembargos auf Waffen, Technologien oder andere Waren, über Beschränkungen des Zahlungsverkehrs bis hin zur Einfrierung von Konten und Einreisesperren gegen einzelne Personen.

Auswirkungen von Sanktionen auf das Recht auf Gesundheit

Obwohl viele Sanktionsregime Ausnahmeregelungen für humanitäre Akteure vorsehen, haben vor allem weitreichende wirtschaftliche Sanktionen zum Teil gravierende Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung der Zivilbevölkerung im sanktionierten Land. Wie etwas Human Rights Watch in einem umfassenden Bericht zum Iran zeigt, haben hier die umfangreichen US-Sanktionen schon vor der Coronakrise zu einem fehlenden Zugang zu wichtigen Medikamenten und anderen medizinischen Gütern geführt. Rund die Hälfte der von der WHO als essenziell eingestuften Medikamente müssen aus dem Ausland importiert werden und sind wegen der Sanktionen nur noch eingeschränkt erhältlich. Im Fall von Venezuela kommt eine Studie der Ökonomen Mark Weisbrot und Jeffrey Sachs zu dem Ergebnis, dass hier die Sanktionen für den dramatischen Anstieg der Mortalitätsrate um 31% in 2018 gegenüber dem Vorjahr zumindest mitverantwortlich sind. Nun sind die ohnehin geschwächten Gesundheitssysteme beider Länder mit dem Coronavirus konfrontiert. Und zumindest im Iran, der nach offiziellen Angaben – die tatsächlichen Zahlen liegen wahrscheinlich deutlich höher - bereits über 5.800 Tote zu beklagen hat, wird die Überlastung der Gesundheitseinrichtungen schon jetzt evident.

Aufgrund der von den USA in beiden Fällen verhängten Embargos auf das Hauptexportgut Öl fehlen beiden Länder Divisen, um Medikamente zu importieren. Besonders problematisch sind aber auch sogenannte sekundäre Sanktionen, die die USA gegen Unternehmen, vor allem auch gegen Banken und Transportunternehmen, aus Drittstaaten verhängen. Diese führen dazu, dass die praktischen Möglichkeiten Handel mit medizinischen Gütern zu betreiben, extrem eingeschränkt sind. Von den Schwierigkeiten, Finanzmittel in die betroffenen Länder zu transferieren, weil Banken aus Angst vor Sanktionen die Zusammenarbeit verweigern, sind auch humanitäre Organisationen betroffen.

Keine politischen Konditionen für humanitäre Ausnahmen

Sowohl UN-Generalsekretär Guterres als auch die Hochkommissarin für Menschenrechte Bachelet forderten deshalb eine Aufhebung aller Sanktionen, die einer Bekämpfung der Pandemie im Wege stehen. Dazu gehört vor allem die zeitnahe Genehmigung humanitärer Ausnahmen für den Import aller Medikamente und medizinischen Güter, die zur Behandlung von COVID-19 notwendig sind. Die Aufhebung solcher Sanktionen, die der Bewältigung entgegenstehen darf zum jetzigen Zeitpunkt nicht an politische Bedingungen geknüpft werden. Die Leben tausender vom Coronavirus bedrohter Menschen haben jetzt Vorrang. Falsch ist deswegen z. B. der von den USA unterbreitete und von der EU unterstützte Vorschlag, die Sanktionen gegen Venezuela auszusetzen, wenn sich Präsident Maduro bereit erklärt, eine gemeinsame Übergangsregierung mit der Opposition zu bilden.

Aber: Kein Freifahrtschein für Menschenrechtsverletzer

Eine bedingungslose Aussetzung bestimmter Sanktionen entlässt die Regierung Venezuelas und anderer sanktionierter Staaten aber natürlich nicht aus ihrer menschenrechtlichen Verantwortung: Sie sind primär dafür verantwortlich, dass alle ihre Bürgerinnen und Bürger den gleichen Zugang zu den notwendigen Gesundheitsleistungen erhalten müssen. Zudem bedeutet eine solche Aussetzung nicht, dass menschenrechtsverletzenden Regimen ein Freifahrtschein erteilt wird. Wichtig sind weiterhin individuelle Sanktionen in Form von Konteneinfrierung oder Einreisebeschränkungen gegen Personen, die für Menschenrechtsverletzungen oder Korruption verantwortlich gemacht werden. Die EU sollte deshalb schnellstmöglich das in Grundzügen beschlossene individuelle Sanktionsregime, einen europäischen „Magnitsky-Act“, verabschieden, um effektiv weltweit Menschenrechtsverletzer bestrafen zu können, ohne dabei mit der Zivilbevölkerung die Falschen zu treffen.

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