Migrant*innen und geflüchtete Menschen sind besonders gefährdet Opfer gewaltsamen Verschwindenlassens zu werden. Auf ihrem Weg durch die unterschiedlichsten Regionen dieser Welt sind sie unzähligen Gefahren ausgesetzt. Bisher ist niemand in der Lage, die Zahls verschwundener Migrant*innen und geflüchteter Menschen zu bestimmen. Oft wissen die Familienangehörigen nicht, wo sie sich zum Zeitpunkt ihres Verschwindens genau befanden, noch was dessen Umstände waren. Nicht alle Vermissten sind gewaltam verschwunden. Der Begriff „gewaltsam“ beinhaltet, dass staatliche Akteure vom Verschwindenlassen wussten, es billigten oder aktiv daran beteiligt waren. Dennoch haben laut der Internationale Konvention zum Schutz aller Personen vor dem gewaltsamen Verschwindenlassen die Staaten die Verpflichtung, verschwundengelassene Personen zu suchen, bis sie ein gewaltsames Verschwinden ausschließen können.
Fehlende Kooperation von Staaten
Doch gerade die Verpflichtung zur Suche nehmen viele Staaten nicht oder nur unzureichend wahr. Die Schwierigkeiten sind enorm, so lange es keine Kooperation zwischen Staaten gibt und der politische Wille zur Suche und Aufklärung fehlt. Denn derzeit hätten besonders die Staaten die politische Oberhand, die Menschenrechte und Flucht- und Migrationspolitik nicht mehr zusammen dächten, so Barbara Lochbihler, die Mitglied des UN-Ausschuss gegen gewaltsames Verschwindenlassen ist. Weiterhin fehlt es an zentralen Datenbanken, zum Abgleich der Vermisstenanzeigen mit aufgefundenen Personen, sowie ein geregelter Informationsaustausch zwischen staatlichen Institutionen.
Best Practice aus Mexiko
Ein Beispiel für eine gute staatliche Kooperation kommt aus Mexiko. Claudia Interiano arbeitet als Regionalkoordinatorin der Fundación para la Justicia y el Estado Democrático de Derecho (FJEDD) eng mit Familienangehörigen von verschwundenen Migrant*nnen zusammen. Gemeinsam mit anderen Organisationen und den Opfern gewaltsamen Verschwindenlassens hat FJEDD jahrelang dafür gearbeitet, dass nun die mexikanischen Konsulate in Honduras, Guatemala und El Salvador Anzeigen der zurückgebliebenen Familienangehörigen aufnehmen und weiterleiten. 106 Fälle wurden bei dem „Mechanismus Externer Hilfe“ bereits eingereicht. Doch gerade die Suche bleibt auch in dieser Region eine Herausforderung. „Es ist wichtig, nicht nur nach Toten zu suchen. Viele Verschwundene leben.“, betonte Claudia Interiano.
Gemeinsame Verantwortung
Gerade beim Verschwindenlassen von Migrant*innen und geflüchteten Menschen können mehrere Staaten für das Verbrechen verantwortlich sein. So zum Beispiel, wenn der italienische Staat Migrant*innen der libyschen Küstenwache überlässt und begründet annehmen muss, dass er diese damit der Gefahr des Verschwindenlassens aussetzt. Grazyna Baranowska, Autorin der Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte zum Thema, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das UN-Ausschuss gegen Gewaltsames Verschwindenlassen genauer definieren sollte, was eine Duldung und Wissen um das Verbrechen letztendlich für die staatliche Verantwortung bedeute.
Rechte und Pflichten kennen und wahrnehmen
So stand am Ende der Veranstaltung der Wunsch, dass die Internationale Konvention zum Schutz aller Personen vor dem gewaltsamen Verschwindenlassen weiter interpretiert wird und das UN-Ausschuss gegen Gewaltsames Verschwindenlassen die Verpflichtungen im Dialog mit den Staaten verstärkt aufnimmt. Ziel muss es sein, dass gewaltsam verschwundene Migrant*innen und geflüchtete Menschen bzw. die nach ihnen suchenden Angehörigen ihre Rechte aus der Konvention gegen das Verschwindenlassen kennen und wahrnehmen können.