Beim Ebola-Ausbruch im westlichen Afrika 2014/2015 hat Brot für die Welt gemeinsam mit den Partnern vor Ort in vielen Projekten geholfen. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für ärztliche Mission (Difäm) konnte schnell und unbürokratisch unterstützt werden, weil man auf bestehende Partnerstrukturen zurückgreifen konnte. Auch die Gemeinden vor Ort wurden einbezogen. Könnte das Vorgehen vor sechs Jahren eine Blaupause für die Herausforderungen heute sein?
Bei der Bekämpfung des Ebola-Ausbruchs, aber auch schon bei HIV und anderen übertragbaren Krankheiten haben wir wichtige Erfahrungen gesammelt, die uns heute bei Corona helfen können. So lag bei Ebola ein Schwerpunkt unserer Arbeit darauf medizinisches Material bereitzustellen, die Infektionskontrolle in den Gesundheitseinrichtungen zu verbessern und das lokale Gesundheitssystem insgesamt zu stärken durch zum Beispiel Weiterbildungsangebote, so dass das Gesundheitspersonal besser auf den Ausbruch reagieren konnte. Hinzu kamen groß angelegte Maßnahmen zur Information der Bevölkerung über Übertagungswege, Symptome und die Behandlung von Ebola. Große Herausforderung waren damals – und so ist es auch heute bei Corona – das weit verbreitetes Misstrauen gegenüber medizinischen Einrichtungen und die Angst vor Infektionen, wenn diese aufgesucht würden. Deshalb war es enorm wichtig, verlässliche und gut verständliche Informationen zu verteilen. Dafür sind hunderte Helferinnen und Helfer von Tür zu Tür gegangen, vielfach auch nicht-medizinisch geschulte Menschen, deren Stimme in der lokalen Bevölkerung gehört wurde. Auf diesen Erfahrungen wollen wir beim aktuellen Corona-Ausbruch aufbauen.
Was ist konkret geplant?
Im Rahmen eines gemeinsamen Projektes von Difäm und Brot für die Welt werden Informationen rund um das Corona-Virus, das Verhindern einer Ansteckung, die Symptome einer Infektion und die Behandlung von Covid-19 an unsere verschiedenen Partner ausgegeben und fortlaufend aktualisiert. Diese Informationen sollen verlässlich und relevant sein, sie basieren insbesondere auch auf Informationen der WHO und weiteren relevanten Wissensträgern. Dadurch möchten wir die sowohl Vorsorge als auch Behandlung von Covid-19 stärken. Zusätzlich planen wir kurzfristig Weiterbildungen im Bereich der Infektionskontrolle, um das Gesundheitspersonal zu unterstützen. Gleichzeitig werden wir Erkenntnisse unserer Partner aus der Situation vor Ort an die WHO zurückspiegeln, so dass auf dieser Ebene die relevanten Empfehlungen und Maßnahmen entwickelt werden können. Denn tatsächlich sind es in Afrika kirchliche Einrichtungen, die für etwa die Hälfte der medizinischen Hilfe sorgen, und sie können hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Corona betrifft die ganze Welt – wie kann weltweit geholfen werden?
Gemeinsam mit unseren Partnern werden zusätzlich Informationsmaterialien für unterschiedliche Zielgruppen und in verschiedenen Sprachen erarbeitet. Diese werden stetig aktualisiert und sie sind kulturell angepasst. Durch Bilder und Piktogramme verdeutlichen wir die Problematik so, dass auch Nicht-MedizinerInnen die Inhalte verstehen und dass möglichst viele Menschen erreichen werden können. Ein Beispiel sind Materialien, die wir an den kirchlichen Kontext anpassen, so dass KirchenvertreterInnen sie in der Kommunikation mit ihren Gemeinden nutzen können. Zudem ist es wichtig, auch Informationen für Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen zugänglich und erfassbar zu machen. Wir wollen nicht nur die Ausbreitung des Virus eindämmen, sondern auch Angst und Panikreaktionen vorbeugen sowie der damit verbundenen Stigmatisierung und Diskriminierung von betroffenen Menschen.
Wie sollen die Informationen zu den Menschen gelangen?
Um medizinisches Personal zu erreichen, wollen wir vor allem digitale Möglichkeiten nutzen, dennInformationstechnologien zur kontinuierlichen Weiterbildung gewinnen weltweit an Bedeutung. Tatsächlich ist es so, dass im Moment noch viele afrikanische Regionen, in denen unsere Partner arbeiten, von der Digitalisierung abgehängt sind und die Möglichkeiten durch Lernen und Austausch über Internetplattformen zu wenig genutzt werden. Wir machen die Erfahrung, dass grade die Menschen inGesundheitsberufen bisher wenig Erfahrung mit E-Learning und Internetdiensten gemacht haben. Zugleich verbessert sich die digitale Infrastruktur in der Region fortlaufend und es entstehen viele Chancen, die genutzt werden können. Dazu möchten wir beitragen. Gemeinsam mit dem Difäm arbeiten wir deshalb bereits seit einiger Zeit in einem Projekt, das die beteiligten Mitarbeitenden in Gesundheitseinrichtungen in die Lage versetzen soll, das Internet besser für ihre kontinuierliche Weiterbildung zu nutzen. Man kann sich zum Beispiel an Fernunterricht beteiligen, um Qualifikationen und Fachwissen im Bereich der Infektionskontrolle zu erwerben. Das wollen wir jetzt ausbauen und mit spezifischen Angeboten zu Corona ergänzen.
Was ist für Sie gerade die größte Herausforderung?
Dass wir sowohl kurzfristig und schnell auf die aktuelle Situation reagieren müssen, und zwar so, wie es für unsere Partner am hilfreichsten ist, aber zugleich auch die sekundären Folgen dieser Pandemie nicht aus den Augen verlieren dürfen. Denn neben den direkten Auswirkungen von Covid-19 müssen wir auch genau beobachten, welche weiteren gesundheitlichen und nicht-medizinischen Folgen es gibt. Werden zum Beispiel andere Erkrankungen und gesundheitliche Maßnahmen vernachlässigt, weil alle Ressourcen für Covid-19 genutzt werden, gibt es Lieferengpässe von Medikamenten,, weil die Länder ihre Grenzen schließen? Und zum anderen müssen wir stetig beobachten, welche Folgen außerhalb des Gesundheitsbereichs Covid-19 verursacht. Wirtschaftseinbußen und Einbruch des Handels auf Grund von Reisebeschränkungen und nationaler Abschottung, Arbeitsplatzverlust, steigende Lebensmittelkosten – das Virus fordert jede Gesellschaft heraus, Länder in ohnehin schon schwieriger Situation werden es besonders schwer haben. Rund 70 Prozent der Weltbevölkerung sind nicht gegen elementare Lebensrisiken abgesichert, in den Ländern unserer Partner gibt es meist keine sozialen Sicherungssysteme. Darauf müssen wir vorbereitet sein.