Zum fünften Mal seit der Verabschiedung der Agenda 2030 durch die Staatengemeinschaft im Jahr 2015 kommt in diesen Tagen das High Level Political Forum (HLPF), die Umsetzungskonferenz, zusammen. In diesem Jahr tagt das HLPF zum ersten Mal nicht am Sitz der Vereinten Nationen in New York, sondern ausschließlich virtuell, was die Verbindlichkeit und Außenwirkung der Konferenz nicht unbedingt erhöht. Der jährliche Bericht zur Umsetzung der Agenda 2030 spricht dennoch eine deutliche Sprache. Die Covid19-Pandemie wirft die Menschheit in ihren Bemühungen zur Bekämpfung von Armut, Hunger, Umweltschäden und Ungleichheit weit zurück. Zum ersten Mal seit 1998 steigt die weltweite Armut wieder an, mit dramatischen Folgen, darunter beispielsweise ein Anstieg von ausbeuterischer Kinderarbeit, Kinderhandel und Kinderheiraten. Derartiges ist symptomatisch: Von den negativen Auswirkungen der Pandemie auch in den Bereichen Bildung und Gesundheit sind vor allem die Ärmsten und Verletzlichsten, darunter Frauen, Kinder, alte Menschen, Geflüchtete und Menschen mit Behinderungen besonders betroffen. Covid19 verschlechtert damit die Umsetzungsbilanz der SDGs. Gut war diese aber schon vorher nicht. Das liegt auch an der schleppenden Umsetzung durch die einzelnen Staaten.
Rüge des Rechnungshofes
Deutschland hat im Rahmen des HLPF 2016 über die Umsetzung der SDGs in und durch Deutschland berichtet. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie folgt in ihrem Aufbau der Agenda 2030 mit den 17 Zielen. Was allerdings seitens der Zivilgesellschaft schon seit langem kritisiert wurde, nämlich die mangelhafte Beachtung der internationalen Folgen der Politik des Exportweltmeisters in der Welt, wird jetzt durch einen internen Bericht des Bundesrechnungshofes kritisiert, der aber seinen Weg in die Presseberichterstattung gefunden hat. Vom Fehlen einer „angemessenen Erfolgskontrolle“ ist die Rede. Die Bundesregierung bleibe hinter ihren eigenen Möglichkeiten der Umsetzung zurück, weil bestehende nicht nachhaltige Subventionen wie z. B. das Dieselprivileg nicht angetastet würden. Zudem werde die Nachhaltigkeitsprüfung für neue Gesetzesvorhaben nicht ernst genommen. Dabei ist der SDG-TÜV für neue Gesetzesvorhaben eine Forderung, die nicht nur aus der Zivilgesellschaft, sondern auch aus der parlamentarischen Opposition erhoben wird. Auch der von der Bundesregierung eingesetzte Rat für Nachhaltige Entwicklung fordert, dass die Nachhaltigkeitsprüfung von Gesetzen zu einer Nachhaltigkeitsbewertung ausgebaut wird, einschließlich entsprechendem Prüfkriterium für die Rechnungshöfe. Angesichts von Licht und Schatten auch bei den Maßnahmen des nun jüngst von der Bundesregierung beschlossenen, und sicher nicht in allen Bereichen SDG-kompatiblen Konjunkturpaketes ist eine solche konsequente Weichenstellung mehr als überfällig.
I know what you do next summer
Im nächsten Sommer wird die Bundesregierung sich auch auf internationaler Ebene an den selbst gesteckten Zielen zur Umsetzung der Agenda 2030 messen lassen müssen. Dann berichtet die Regierung zum zweiten Mal über die SDG-Umsetzung in und durch Deutschland. Das Berichtsformat ist ein freiwilliges, gern wird dort über Positives ausführlich gesprochen und Versäumnisse einfach weggelassen. Ein Schattenbericht der Zivilgesellschaft ist zu diesem Anlass deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Denn eines haben die Agenda 2030 und die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie leider auch gemeinsam: Ein Verfehlen der Ziele bleibt für die Regierungen folgenlos. Nicht aber für diejenigen, die wie die Ärmsten und Verletzlichsten im Globalen Süden von nicht nachhaltiger Politik (nördlicher Industriestaaten) oft unmittelbar betroffen sind.