Plastik - Segen und Fluch zugleich
Kunststoffe sind aus unserem Alltag heute kaum mehr wegzudenken. Sie stecken in Plastiktüten, Smartphones und Autos, in Kosmetik, Spielzeug und Kleidung. An manchen Stellen retten Kunststoffe sogar Leben. Zum Beispiel gehören Kunststoffe zu den meistverwendeten Materialien in der modernen Medizin. Sie stecken in Spritzen, Schläuchen, Infusionsbeuteln. Doch wir alle kennen auch die verheerenden Bilder von wilden Mülldeponien in der freien Natur voll von Plastik, den verschmutzten Meeren, den toten Fischen deren Magen voll von Plastikmüll ist.
Keine Trendumkehr in Sicht
Seit Beginn der 1950er-Jahre wurden mehr als acht Milliarden Tonnen Plastik produziert. Von den so entstandenen rund 6,3 Milliarden Tonnen Müll wurden nur rund 9 Prozent recycelt, weitere 12 Prozent verbrannt. Fast 80 Prozent des jemals produzierten Plastikabfalls hat sich entsprechend auf Müllhalden und der freien Natur angesammelt. Ein Umdenken ist trotz dieser erschreckenden Zahlen nicht in Sicht. Die Plastikproduktion steigt immer noch weiter. Auch heute besteht etwa die Hälfte der weltweit produzierten Kunststoffe aus Einwegplastik, rund 40 Prozent der europäischen Plastikproduktion wird von der Verpackungsindustrie nachgefragt.
Der neue Dirty Profits Report der Nichtregierungsorganisation Facing Finance untersucht 14 Unternehmen der Kunststoffindustrie (darunter die Rohstofflieferanten ExxonMobil und Shell, sowie BASF und Ineos, die die Rohstoffe synthetisieren) und 8 europäische Geldgeber.
Es braucht ressourcenschonende Geschäftsmodelle
Die Unternehmen der Kunststoffindustrie benennt der Bericht als Hauptverursacher der globalen Verschmutzung durch Plastik. So hätten Konsumgüterkonzerne mit unnötigen und kurzlebigen Einwegprodukten den Trend zur Wegwerfgesellschaft angeheizt und Länder vor allem im Globalen Süden mit Plastikverpackungen überschwemmt, für die es keine entsprechende Abfallinfrastruktur gibt. Laut dem Bericht leisten alle 14 untersuchten Unternehmen zu wenig, um die Belastung für Mensch und Umwelt einzudämmen und einen maßgeblichen Anteil an der globalen Plastikverschmutzung tragen. Der Bericht fordert daher von den Unternehmen endlich ressourcenschonende Geschäftsmodelle zu implementieren und ambitionierte, zeitgebundene und verbindliche Verpflichtungen einzugehen, ihren Plastikverbrauch (vorrangig in Bezug auf Einwegplastik) deutlich zu reduzieren.
Steuerungsfunktion der Banken
Untersucht wurden auch die Investitionen und Finanzierungen von acht europäischen Großbanken, die Finanzbeziehungen in Höhe von über 147 Milliarden Euro zu kunststoffproduzierenden oder -verarbeitenden Unternehmen unterhalten. Insgesamt haben die Banken den untersuchten Unternehmen seit 2017 Kapital in Höhe von rund 95 Milliarden Euro für die Finanzierung ihrer „plastikfreundlichen“ Geschäftsmodelle beschafft. Führend dabei waren die HSBC, Deutsche Bank, BNP Paribas und die spanische Santander. Zudem tätigten die Banken Investitionen im Gesamtvolumen von fast 52 Milliarden Euro Während viele Banken unter dem Druck der Öffentlichkeit ihre Nachhaltigkeitsrichtlinien in Bezug auf den Klimawandel oder die Menschenrechte in den vergangenen Jahren zumindest nachgebessert haben, spielt die Kunststoffproblematik bisher kaum eine nennenswerte Rolle in den Selbstverpflichtungen der Finanzhäuser. Keine der untersuchten Banken hat eine umfassende Plastikrichtlinie - weder in Bezug auf einzelne vorgelagerte Branchen wie dem Öl- und Gassektor, noch in Bezug auf die chemische Industrie oder Konsumgüterbranche bzw. den gesamten Plastiklebenszyklus.
Neben der Mitverantwortung für die aktuelle globale Verschmutzung durch Plastik wird auch die zentrale Rolle der Finanzinstitute für eine Transformation zu einem plastikfreien und abfallarmen zirkulären Wirtschaftssystem betont. So sollte das Ziel einer Plastikrichtlinie eine finanzielle Abkehr von plastikintensiven und -abhängigen Firmen sowie eine Förderung von innovativen abfallfreien und -armen Lösungen und Unternehmen sein.
Orientierung durch die EU
Eine erste Orientierung für eine solche Richtlinie bietet die Taxonomie für nachhaltiges Wirtschaften der EU: Als nachhaltig gilt eine Höchstquote von Einwegplastik unter den Endprodukten von zehn Prozent. Alternativ sind mindestens 90 Prozent recyceltes Ausgangsmaterial sicherzustellen. Der Einsatz von biologischem Material und chemisches Recycling dürfen nur unter Auflagen erfolgen, das Wassermanagement und die Handhabung von Schadstoffen müssen Mindeststandards erfüllen.
Würden Finanzinstitute eine solche Maßgabe zur Grundlage ihrer Finanzierungen machen, wäre dies ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der globalen Plastikflut.