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COP26: Glasgow verfehlt globale Klimagerechtigkeit

Die Folgen des Klimawandels kosten schon heute viele Milliarden Euro, worunter gerade arme Länder leiden. Damit sie Schäden durch Stürme und Überschwemmungen besser abfangen können, sollte es einen Hilfsfonds geben, aber einige gewichtige Verhandler waren dagegen.

Von Annika Rach am
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Dicht gedrängt tummelten sich rund 25.000 Menschen aus fast 200 Staaten auf den Korridoren der UN-Klimakonferenz in Glasgow. Die Corona-Schutzmasken verbargen nicht die kulturelle Vielfalt, die für mehr als zwei Wochen die Hallen auf dem Scottish Event Campus mit Leben füllte. Die jährlich stattfindende Konferenz, mit Ausnahme von 2020, hat den Charakter eines Klassentreffens zwischen Verhandler:innen und ,,Beobachter:innen‘‘. Einig aber ist man sich hier selten. Seit 1995 nimmt der Anteil der Zivilgesellschaft stetig zu. Unter den vielen angereisten Idealist:innen entsteht eine Aufbruchsstimmung, ein starker Wille, sich um das „gemeinsame Haus“ zu kümmern, wie Papst Franziskus es ausdrückte. Doch die Vertreter:innen der Industriestaaten sahen wenig Gemeinsamkeiten mit den Entwicklungsländern.

Pazifik-Inseln versinken 

Tuvalus Außenminister Simon Kofe stand in der zweiten Woche der UN-Klimakonferenz in kniehohem Wasser, als er einen alarmierenden Appell an die Verhandler:innen der COP26 aus dem Südpazifik sendete: ,,We are sinking!‘‘. Die Existenz des kleinen Inselstaates ist durch den Klimawandel bedingten Anstieg des Meeresspiegels bedroht. Als ob das noch nicht genug wäre, werden die Menschen auch noch von verheerenden Stürmen heimgesucht. Nicht nur Tuvalu, auch viele der kleinen ,,Inselentwicklungsstaaten‘‘ (SIDS), darunter Antigua und Barbuda, fordern zu Beginn der Konferenz einen finanziellen Ausgleich für die klimabedingten Schäden und Verluste. Die Auswirkungen der Klimakrise treffen die Menschen im Globalen Süden unverhältnismäßig stark. Es wird klar, dieses Gipfeltreffen wird zur Gerechtigkeitsfrage.

Hoffnung verheißend klang der erste Entwurf der sogenannten ,,Cover Decision‘‘, die Abschlusserklärung der Konferenz, in Hinblick auf klimabedingte Schäden und Verluste. Diese wurden als eigenständiger Unterpunkt und nicht unter Klimaanpassung benannt. Das ist zu erkennen als Beweis dafür, dass die Weltgemeinschaft verstanden hat, dass bestimmte Schäden nicht mehr durch Anpassungsmaßnahmen aufgehalten werden können. Positiv zu bewerten ist hier die übereinstimmende Schlussfolgerung der verhandelnden Staaten, dass die Auswirkungen der Klimakrise bei Überschreitung der 1,5 Grad-Marke wesentlich drastischer sein werden. Das heißt im Umkehrschluss: Sobald die Ausfahrt 1,5 Grad verpasst wird, nehmen die jetzt schon existenzbedrohenden Auswirkungen auf die verletzlichsten Bevölkerungsgruppen zu und die Klimagerechtigkeit weiter ab.

Glasgow Loss and Damage Facility

Um die Menschen im Globalen Süden bei der Bewältigung der klimabedingten Schäden und Verluste zu unterstützen, unterbreiteten die G77-Länder im Laufe der Verhandlungen den Vorschlag, unter der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC eine Art Finanzierungstopf einzurichten, die „Glasgow Loss and Damage Facility“. Damit gäbe es erstmals einen Mechanismus innerhalb der UNFCCC, mit dem arme Länder Gelder für die Überwindung von Schäden und Verlusten zum Beispiel bei der Infrastruktur einsetzen können, welche weder an Kredite noch an die Mittel der humanitären Hilfe gebunden wären.

Schottland setzte als Gastgeber ein Zeichen der Solidarität, indem die schottische Regierungschefin zwei Millionen britische Pfund für die Finanzierung von klimabedingten Schäden und Verlusten verspricht. Initiativen wie der Stopp der Entwaldung, die Reduktion von Methan oder der Ausstieg aus der Kohle-Verstromung bereiteten den Pfad für das eigentlich Verhandlungsgeschehen – wenn auch einer zurecht kritisieren mag, dass die Verbindlichkeit sowie die Ernsthaftigkeit einzelner Staaten fragwürdig sind. Nachdem die Ankündigung gemacht wurde, dass auch die Gelder für Klimaanpassung bis 2025 verdoppelt werden sollen, was zwar längst nicht genug ist, hätte man fast das Gefühl haben können, Klimagerechtigkeit wird eine wichtige Rolle spielen.

EU und USA blockieren Hilfsfonds für arme Länder

Nach zwei langen, emotionalen Verhandlungswochen werden die Menschen im Globalen Süden eines Besseren belehrt: Der Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste wurde aus der Abschlusserklärung auf der Zielgeraden gestrichen. Später wissen wir, das Vereinigte Königreich, die USA und auch die EU haben sich gegen die Etablierung der ,,Glasgow Loss and Damage Facility‘‘ gestellt. Die geschäftsführende Bundesregierung hätte hier eine Vorreiterrolle einnehmen müssen. Stattdessen will man das Santiago Netzwerk für klimabedingte Schäden und Verluste stärken, welches eine technische Beratung für Entwicklungsländer, voranbringen soll. Die Finanzierung dieser technischen Komponente ist zwar sehr willkommen und von großer Wichtigkeit, ersetzt aber nicht die Finanzierung von klimabedingten Schäden und Verlusten, die die Menschen im Globalen Süden erleiden.

Jetzt ist Schluss und die Ausfahrt Klimagerechtigkeit wurde verpasst. Einige Teilnehmer:innen stehen noch Schlange für einen teuren PCR-Test und steigen mit viel Frustration in den Flieger nach Hause. Die dringend benötigte Ambitionssteigerung für die 1,5-Grad-Marke ist noch nicht erreicht. Laut Climate Action Tracker könnte man bei einer Erderwärmung um 2,4 Grad landen, aber auch nur, wenn alle Minderungsversprechen bis 2030 eingehalten werden.

Aufgeben ist keine Option

Was bleibt: Große Enttäuschung auf der einen Seite, aber auch ein Stück Hoffnung. Hoffnung, dass die nationalen Klimaschutzpläne überprüft und für einen 1,5-Grad-Pfad angepasst werden sowie der Dialog für die Einrichtung der ,,Glasgow Loss and Damage Facilty‘‘ starten kann und in einer Finanzierung von klimabedingten Schäden und Verlusten endet. Zusammen mit unseren Partnern werden wir uns weiter für Klimagerechtigkeit und das Generationenprinzip einsetzen. Die nächste Ausfahrt globale Klimagerechtigkeit darf nicht verpasst werden. Aufgeben ist keine Option.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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