Unstrittig ist: Die Covid-Krise hat die Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals) in vielen Bereichen gestoppt oder zurückgeworfen. Die Folgen der Krise treffen die Ärmsten und Verletzlichsten zuerst und am Stärksten. Dass die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung handlungsleitend für deutsche Politik sein sollte, wurde von niemandem in der Runde bestritten. Die Wege dorthin, durch staatliche Regulierung oder marktbasiert, waren erwartbar divers. Offen blieb aber, wie die unvermeidlichen Zielkonflikte aufgelöst werden können und sollten. Wie Paul Ziemiak die Sorge um den Regenwald mit dem Plädoyer für Freihandelsabkommen zusammen bringen will, wird das Regierungsprogramm der Union beantworten müssen, wenn man Ziemiak, wie er versicherte, in allen Punkten beim Wort nehmen kann. Genauso blieb Linke-Geschäftsführer Jörg Schindler die Antwort schuldig, ob das von ihm vorgebrachte eindrückliche Plädoyer für Menschenrechte auch im Verhältnis zu beispielsweise Russland und Venezuela gelten soll, und wie, wenn nicht durch Sanktionen, hier außenpolitischer Druck möglich wäre. Die konkreten Forderungen von Bündnis 90/Die Grünen, vertreten durch Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, nämlich einen Menschenrechts-TÜV für Gesetzesvorhaben und einen Stopp des EU-Mercosur-Abkommens werden in Koalitionsverhandlungen nicht zum Nulltarif zu haben sein. Wird die SPD ihrerseits in einer nächsten Bundesregierung tatsächlich sanktionsbewehrte Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsklauseln in Handelsabkommen durchsetzen können? Und reicht der Ansatz der FDP, mit dem Emissionshandel als marktbasiertem Instrument die Klimakrise zu bekämpfen?
Unterschiede wurden deutlich
Der stärkste Unterschied zeigte sich beim Thema Impfgerechtigkeit: Während von SPD, Linken und Grünen die Bedeutung von Gesundheit als öffentlichem Gut und die Notwendigkeit der (verbilligten) Freigabe von Lizenzen deutlich machten, war bei Union und FDP die Skepsis gegenüber den Produktionsmöglichkeiten im Globalen Süden groß. Hier ist die Realität (siehe Südafrika und Indien) längst weiter. Bemerkenswert: Die in der Vergangenheit immer mal wieder geforderte Zusammenlegung von Auswärtigem Amt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung scheint vom Tisch. Die Forderung von Nicola Beer (FDP) nach einer stärkeren Koordinationsfunktion des BMZ wird sich hoffentlich nicht nur im Programm der Freien Demokraten wiederfinden. Für die bisher oft fehlende Kohärenz zwischen den Ministerien wäre das sicher ein Fortschritt.
Wegmarken vor der Wahl
Noch vor der Wahl wird die Bundesregierung ihre überarbeitete Nachhaltigkeitsstrategie vorstellen. Im Sommer wird Deutschland im Rahmen des High Level Political Forum der Vereinten Nationen zum zweiten Mal seit 2015 über die Umsetzung der Agenda 2030 in und durch Deutschland berichten. Wenn dieser Bericht nicht nur Rückblick sein wird, sondern hoffentlich auch ambitionierte Ziele für die Zukunft formuliert, dann muss er Richtschnur auch für zukünftige Regierungen sein, insbesondere wenn der von Markus Blume (CSU) formulierte Anspruch eines „weg vom höher, schneller, weiter, hin zum klüger, fairer, nachhaltiger“ dort auch in konkrete Politiken gegossen wird. Wenn eine neue Regierung sich ernsthaft an der Umsetzung der Agenda 2030 messen lassen will, dann wird sie zudem Parlament und Zivilgesellschaft stärker mit einbeziehen müssen. Die entsprechenden politischen Weichenstellungen dafür stehen noch aus.