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Klimakrise ist eine globale Gerechtigkeitskrise

Von den Auswirkungen der Klimakrise sind jene am stärksten betroffen, die am wenigsten Verantwortung dafür tragen. Bei der 26. Klimakonferenz in Glasgow darf es deshalb nicht länger um Absichtserklärungen gehen. Die Hauptverursacher von Treibhausgasen wie Deutschland müssen mehr machen.

Von Annika Rach am
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Zwei unserer Referent:innen sind in Glasgow und berichten in Blogs, auf Twitter und bei Instagram.

Nach zwei Jahren Pause hat gestern der 26. UN-Klimagipfel begonnen, die COP26, dieses Jahr im schottischen Glasgow. Seit mehr als 26 Jahren fordert die Zivilgesellschaft nun Klimagerechtigkeit für die ärmsten und verletzlichsten Länder des Planeten: Staaten im Globalen Süden, die am stärksten von den drastischen Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, jedoch am wenigstens Verantwortung dafür haben. Es wird viel geredet, verhandelt und blockiert. Das Resultat: Die globale Durchschnittstemperatur ist mittlerweile auf 1,2 Grad Celsius gestiegen gegenüber dem vorindustriellen Niveau – in vielen Entwicklungsländern sogar schon auf mehr als 2 Grad. Die Folgen sind die andauernde Hungersnot in Madagaskar, die Massenmigration in Bangladesch wegen Zyklon Amphan 2020 oder versinkende Inseln im Südpazifik. Daraus resultieren nicht nur finanzielle Schäden in Milliardenhöhe, mit denen die betroffenen Länder nach wie vor alleingelassen werden. Die Menschen, die am wenigsten für die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise verantwortlich sind, geraten zunehmend in eine existenzbedrohende Lage. Die Klimakrise ist auch eine Gerechtigkeitskrise von globalem Ausmaß.

Klimakrise trotz Klimagipfeln

Die erste UN-Klimakonferenz (COP1) fand 1995 in Berlin statt. Damals waren unter den etwa 7000 Teilnehmer:innen nur rund 1000 Vertreter:innen sogenannter ,,Observer Organisations‘‘, die sich aus der globalen Zivilgesellschaft zusammensetzen – das sind nur 14,29 Prozent. Im Vergleich waren es bei der COP21 in Paris 50 Prozent – fast 13.500 Menschen aus der Zivilgesellschaft und damit das erste Mal in der Geschichte mehr Zivilist:innen als Verhandler:innen: ein Meilenstein in der Klimagipfel-Geschichte. Das dort abgeschlossene Pariser Klimaabkommen ist der erste völkerrechtlich bindende Vertrag, der das Ziel verfolgt, die Klimakrise zu bremsen und seine Auswirkungen abzumildern. Sechs Jahre nach Paris offenbart sich jedoch die stagnierende globale Ambition in Sachen Emissionsminderung. Die Fridays for Future-Bewegung als größte soziale globale Bewegung in der Klimabewegung schreibt seit 2018 Geschichte und fordert die Industrieländer seither zu einer schnellen und effizienten Umsetzung der Klimaschutz-Maßnahmen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens auf.

Seit dem ersten Klimagipfel in Berlin im Jahr 1995 haben die Industriestaaten immer noch mehr Treibhausgase ausgestoßen – rund 80 Prozent davon gehen allein auf das Konto der G20-Staaten. Die daraus resultierenden klimabedingten Extremereignisse sowie die schädlichen Langzeitfolgen haben zugenommen. Zwar hat man schon vor 26 Jahren Entwicklungs- und Schwellenländer aus verbindlichen Reduktionen von Treibhausgasen ausgeklammert. Gleichzeitig wurde ihre Bedrohung durch die Auswirkungen der Klimakrise aber nicht in den Mittelpunkt gerückt. Wisseschaftler:innen gehen jedoch von einer Schadenssumme in Entwicklungsländern von 290 bis 580 Milliarden US-Dollar pro Jahr ab 2030 aus, sollten die hauptverantwortlichen Länder nicht damit beginnen, ihre Emissionen drastisch zu senken. Daher darf es bei der COP26 nicht länger um Freiwilligkeiten gehen.

Fair play – verbindliche Regeln für Klimaschutzbeiträge festlegen

Bereits 1995 haben die Verhandlerstaaten einen verbindlichen Mechanismus unter der UN-Klimarahmenkonvention beschlossen, der einerseits Transparenz und andererseits einen Zeitrahmen sicherstellen sollte für die Erreichung der Treibhausgas-Reduktionen. Doch selbst nach dem 2015 beschlossenen Pariser Klimaabkommen – als Nachfolge des Kyoto-Protokolls – sind noch immer nicht alle Spielregeln des ,,Paris Rulebook‘‘ geklärt. In Paris haben alle teilnehmenden Staaten sogenannte freiwillige nationale Klimaschutz-Ziele abgegeben. Die müssen nach dem verabschiedeten Regelbuch alle fünf Jahre verschärft werden. Wegen des durch die Pandemie ausgefallenen Gipfels von 2020 ist Glasgow nun der Ort, an dem auf den Tisch muss, wie und wo die knapp 200 teilnehmenden Staaten ihre Ambitionen anziehen wollen. Deshalb ist es jetzt besonders wichtig, Transparenz zu schaffen, um die Fortschritte im Rahmen der Klimaziele zu bewerten. Bei der Klimakonferenz in Glasgow müssen deshalb nicht nur Regeln zur Transparenz für die Berichterstattung aller Vertragsstaaten über ihre Aktivitäten in Bezug auf Klimaschutz verabredet werden, sondern auch Unterstützungsleistungen für die ärmsten und verletzlichsten Staaten. Nur dann wird offenbar, wie groß die Lücke zwischen dem 1,5 Grad-Pfad und dem realen Ausstoß von Treibhausgasen ist.

Klimagerechtigkeit: Verantwortung für den Globalen Süden übernehmen

Obwohl sich laut Prognosen die Anzahl an Extremereignisse in den vergangenen fünf Jahrzehnten verfünffacht hat, wurden klimabedingte Schäden und Verluste im Kyoto-Protokoll im Jahr 1995 nicht erwähnt und somit auch nicht adressiert. 2007 auf der COP13 in Bali haben die Verhandler:innen das Thema erstmals aufgegriffen, indem man unter dem Punkt Klimaanpassung sogenannte Disaster-Reduktionsstrategien mitaufgenommen hat: Die sollten es Entwicklungsländern ermöglichen, klimabedingte Schäden und Verluste zu benennen. Gereicht hat das nicht, um die immensen Schäden als eigenständigen Agenda-Punkt der UNFCCC-Rahmenkonvention und somit bei den jährlichen Klimagipfeln (Zwischenverhandlungen und COPs) aufzunehmen.

Das 2009 in Kopenhagen abgegebene Versprechen an die Länder, die am stärksten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Anpassung- und Minderungsmaßnahmen bereitzustellen, wurde jüngst als verfehlt deklariert: Bis zum Jahr 2019 waren gerade mal fast 80 Milliarden zusammengekommen. Erreicht werden sollen die versprochenen 100 Milliarden laut OECD-Berechnungen erst im Jahr 2023. Die Finanzierung für klimabedingte Schäden und Verluste im Globalen Süden ist durch dieses Ziel nicht abgedeckt, denn mit den Geldern sollen ausschließlich Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen bezahlt werden. Das muss sich ändern, damit die Industrieländer nach dem „Polluters Pay Principle“ ihre Verantwortung den Ländern im Globalen Süden vollumfänglich wahrnehmen. Die Hauptverursacher müssen dringend verbindliche Finanzzusagen für klimabedingte Schäden und Verluste machen – und das zusätzlich zur Finanzierung von Maßnahmen von Anpassung und Minderung. Denn die Extremwetterereignisse sind bereits jetzt zu spüren und können nicht mehr rückwirkend abgewendet werden. Auf der COP26 starten die Verhandlungen für das neue Klimafinanzziel, das ab 2025 gelten soll: Hier müssen die klimabedingten Schäden und Verluste in die Finanzarchitektur integriert werden, um Entwicklungsländer bei den finanziellen Schäden verantwortungsvoll zu unterstützen.

Was wir von der Bundesregierung fordern

Als Bundesumweltministerin war Angela Merkel 1995 maßgeblich daran beteiligt, dass sich die Industriestaaten zu einer verbindlichen Festlegung ihres Treibhausgasausstoßes verpflichten. 26 Jahre später reist sie als Noch-Bundeskanzlerin wieder zur COP und kann den Gipfel erneut als Vorreiterin verlassen, indem sie erklärt, dass Deutschland seiner Verantwortung als sechsgrößter CO2-Emittent gerecht wird. Wir fordern von der deutschen Bundesregierung, dass auch Deutschland seinen Reduktionsplan weiter verschärft, den Kohle-Ausstieg vorzieht und seine Zusagen für die internationale Klimafinanzierung erhöht. Aber nicht nur von vier auf sechs Milliarden US-Dollar pro Jahr, wie auf dem G7-Gipfel im Sommer angekündigt, sondern auf mindestens acht Milliarden US-Dollar, und Deutschland soll zusätzliche Finanzmittel für klimabedingte Schäden und Verluste im Globalen Süden bereit stellen.

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