Klimaschutz ist nicht verhandelbar. Nur eine gemeinsame Umsetzung von Sofort-Maßnahmen kann die Folgen der Krise beherrschbar machen und die verheerenden Folgen des globalen Temperaturanstiegs für die ärmsten und verletzlichsten Menschen eindämmen. Um Klimakatastrophen im Globalen Süden zu bekämpfen, muss die nächste Bundesregierung endlich konkrete und ambitionierte Maßnahmen ergreifen, damit die schlimmsten Folgen der Klimakrise abgefedert werden können. Halbherzige Formelkompromisse reichen nicht mehr aus, um das Voranschreiten von Hungersnöten, Überschwemmungen sowie klimabedingte Migration und Vertreibung in den Ländern des Globalen Südens zu stoppen.
Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2021 deutlich gemacht, dass die bisherige deutsche Klimaschutzpolitik zur Bewältigung der Krise nicht ausreichend ist, um die Freiheit sowie die Grundrechte der kommenden Generationen zu schützen. Dieser Grundrechtsschutz gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Menschen im Globalen Süden. Analysiert man die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien, fällt auf, dass bisher keine der vorgeschlagenen klimapolitischen Maßnahmen ausreicht, um die gesetzlich festgelegten Klimaschutzziele zu erreichen und somit ausreichend Verantwortung für die Menschen im Globalen Süden zu übernehmen.
Klimakatastrophen im Globalen Süden: Bittere Realität für die Ärmsten und Verletzlichsten
Extreme Klimaereignisse prägen das Jahr 2021 weltweit: Madagaskar erlebt zurzeit die schwerste Hungersnot seit 40 Jahren. Vom Klimawandel ausgelöste Dürren aufgrund jahrelang ausbleibender Regenfälle haben zu Ernteausfall und damit zur Existenzbedrohung für große Teile der Bevölkerung geführt. In Bangladesch sind viele Menschen Zyklonen und Überschwemmungen ausgesetzt. Unsere Partner in Ostafrika haben nicht nur mit der sich ausbreitenden COVID-19-Pandemie zu kämpfen, sondern sind bereits seit 2018 aufgrund steigender Temperaturen und Dürreperioden von Heuschreckenplagen betroffen. Insgesamt spricht der UNHCR von durchschnittlich 23 Millionen Menschen, die aufgrund von klimabedingten Extremereignissen im letzten Jahrzehnt ihre Heimat verlassen mussten. Geht die Entwicklung weiter wie bisher, erreichen wir laut jüngsten Schätzungen des Weltklimarates (IPCC) bereits Mitte des 21. Jahrhunderts eine globale Durchschnittstemperatur, die 2 Grad deutlich übersteigt. Wir müssten dann nicht nur wie bisher alle sechs Jahre mit global andauernden Hitzeperioden rechnen, sondern jedes Jahr.
Kein Klimaschutz kostet
Die Flutkatastrophen in der Eifel und in Bayern zeigen in aller Deutlichkeit, dass der Preis für Untätigkeit viel zu hoch ist. Die Kosten für klimabedingte Schäden und Verluste sind wesentlich höher als die für präventiven Klimaschutz. Dies gilt besonders auch für die vulnerabelsten Länder dieses Planeten. Versicherungen sprechen hierzulande von Kosten in Milliardenhöhe, die durch die Flutkatastrophe entstanden sind. Das würde sogar bereits die von Bundeskanzlerin Merkel angekündigte Erhöhung der deutschen Klimafinanzierung von vier Milliarden auf sechs Milliarden Euro bei Weitem überschreiten. Die Ärmsten und Verletzlichsten im Globalen Süden sind im Gegensatz zu den betroffenen Menschen in Deutschland jedoch selten versichert. Allein Zyklon Amphan in Bangladesch hat 2019 zu ökonomischen Schäden von mehr als 13 Milliarden US-Dollar geführt – ganz zu schweigen von den nichtökonomischen Verlusten, wie zum Beispiel der gesellschaftlichen und kulturellen Identität ganzer Bevölkerungsgruppen, die ihre Heimat und ihre Art zu leben aufgrund der Bedrohung durch die Folgen der Klimakrise aufgeben müssen.
Jetzt handeln statt auf Kosten der Menschen im Globalen Süden und der jungen Generation zu leben
Die Wahl 2021 ist eine Klimawahl. Es ist eine Wahl, bei der auch über die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber den Menschen im Globalen Süden entschieden wird. Bei der Bundestagswahl wird darüber entschieden, ob Deutschland Klimagerechtigkeit nicht nur fordert, sondern auch seiner Verantwortung den Ärmsten und Verletzlichsten gegenüber nachkommt. Wir müssen aufhören, sowohl auf Kosten der Menschen im Globalen Süden als auch auf Kosten der jungen Generation zu leben. Dafür brauchen wir Politik, die gegen jedes Zehntel Grad Erwärmung kämpft und zur drastischen Minderung unserer Emissionen führt. Ende September entscheiden wir alle mit, inwieweit klimabedingte Schäden und Verluste das Leben der Menschen prägen, die am wenigsten für die Folgen des menschengemachten Klimawandels verantwortlich, paradoxerweise jedoch am stärksten von den Auswirkungen betroffen sind.
Ein Zeichen setzen für den Globalen Süden: Klimafinanzierung erhöhen
Forderungen nach Klimagerechtigkeit reichen schon lange nicht mehr aus. Es braucht jetzt konkrete Maßnahmen, um die Existenzen der Ärmsten und Verletzlichsten im Globalen Süden zu sichern. Dafür muss die nächste Bundesregierung Geld in die Hand nehmen und die deutsche Klimafinanzierung bis 2025 auf acht Milliarden Euro erhöhen. Hiervon muss unbedingt die Hälfte für Anpassung und Resilienzsteigerung für Länder im Globalen Süden eingeplant werden, um zukünftige Klimakatastrophen beherrschbar zu machen. Klimaschutz und Emissionsminderung reichen nicht aus, um die Existenzen der Ärmsten und Verletzlichsten zu schützen. Nur wenn die nächste Bundesregierung jetzt dazu beiträgt, die Widerstandskraft derer zu stärken, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, kann sie wagen, Klimagerechtigkeit einzufordern. Seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie nimmt besonders die Verschuldung der Länder im Globalen Süden zu. Staaten wie Äthiopien erleiden eine Dreifachkrise: COVID-19, Verschuldung und die Auswirkungen des Klimawandels. Geld für die Anpassung an den Klimawandel bleibt hier aus, wenn jetzt noch mehr für die Gesundheit der Bevölkerung ausgegeben werden muss. Daher muss die nächste Bundesregierung ihrer Verantwortung nachkommen, Klimafinanzierung erhöhen und sich für Schuldenerlasse in Ländern des Globalen Südens einsetzen, um in den Aufbau von Resilienz gegenüber dem Klimawandel zu investieren. Die Klimakrise kennt keinen Halt an Landesgrenzen, und sie findet jetzt statt, nicht in der Zukunft.
Die nächsten vier Jahre sind entscheidend dafür, ob Deutschland seinen fairen Beitrag leistet, die Klimakrise einzudämmen und die Folgen für die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen bestmöglich abzumildern.
Dieser Text ist ein Beitrag in der Reihe #brotfürdiewahl im Vorfeld der Bundestagswahl 2021. Alle weiteren Beiträge finden Sie hier.