Am 27.01.2021 hat der Rechtsausschuss des EU-Parlaments mit überwältigender Mehrheit für einen "legislativen Initiativbericht" gestimmt, in dem Anforderungen an eine ambitionierte EU-Lieferketten-Gesetzgebung benannt sind. 21 Ausschussmitglieder stimmten dafür, nur eine Person dagegen, eine weitere enthielt sich.
Warum befasst sich das EU-Parlament damit?
Hintergrund für den Bericht ist die Ankündigung von EU-Justizkommissar Didier Reynders, noch Anfang diesen Jahres einen Vorschlag dafür vorzulegen, wie EU-Unternehmen verbindlich zur Einhaltung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten verpflichtet werden können. In der EU liegt die Gesetzgebungsbefugnis bei der Kommission. Das EU-Parlament hat über das Mittel der "legislativen Initiativberichte" aber die Möglichkeit, der Kommission Vorschläge zu unterbreiten, die diese dann berücksichtigen muss. Das wurde von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer Amtszeit bestätigt und von diesem Recht hat der Rechtsausschuss des Parlaments jetzt Gebrauch gemacht.
Ist der Bericht ein Fortschritt?
Mit der Abstimmung des Rechtsausschusses liegt nun ein konkreter und ambitionierter Vorschlag für die Regulierung von Lieferketten auf EU-Ebene auf dem Tisch. Das ist ein riesiger Schritt zum Thema Unternehmensverantwortung – und ein großer Erfolg für die vielen NGOs, die sich, wie Brot für die Welt, seit Jahren dafür einsetzen.
In zentralen Punkten geht der Vorschlag sogar über das hinaus, was in einem deutschen Lieferkettengesetz voraussichtlich umgesetzt wird. So sieht der Vorschlag vor, dass Unternehmen nicht nur zum Schutz der Menschenrechte, sondern auch zur Beachtung von Umweltbelangen und zur Vermeidung von Korruption verpflichtet werden sollen. Außerdem sollen nach den Vorstellungen der Ausschussmitglieder nicht nur große Unternehmen, sondern auch kleinere Unternehmen erfasst werden, die börsennotiert sind oder deren Geschäftstätigkeit mit besonderen Risiken für die Menschenrechte verbunden ist. Schließlich ist vorgesehen, dass Unternehmen unter bestimmten Umständen auch zivilrechtlich haften sollen und Betroffene von Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferkette damit eine Chance auf Entschädigung bekämem.
Wie geht es jetzt weiter?
Im März muss das Plenum des EU-Parlaments den Bericht noch bestätigen. Dann ist die Kommission am Zug und muss die Vorgaben bei der Ausarbeitung der EU-Lieferkettengesetzgebung berücksichtigen.
Was bedeutet das für den Lieferkettengesetz-Prozess in Deutschland?
Der Vorschlag aus Brüssel setzt Maßstäbe, an denen sich der deutsche Gesetzgeber orientieren und an entscheidenden Stellen, insbesondere bei der Frage der zivilrechtlichen Haftung, nachbessern sollte. Das liegt daran, dass der Vorschlag, wenn er in einem EU-Gesetzgebungsakt mündet, sowieso auf nationaler Ebene umgesetzt werden müsste. Es wäre also sinnvoll, deutsche Unternehmen schon frühzeitig an die Standards zu gewöhnen, die über eine EU-Regulierung voraussichtlich auf sie zukommen.
Gleichzeitig ist es wichtiger denn je, dass die Bundesregierung ihre Ankündigung eines Lieferkettengesetzes noch in dieser Periode umsetzt. Denn EU-Prozesse können sehr lange dauern - Zeit, die Betroffene von Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferkette nicht haben. Deshalb ist es wichtig, dass wirtschaftsstarke Mitgleidstaaten, wie Deutschland, mit eigenen Gesetzen vorangehen und sich für die zügige Verabschiedung einer entsprechenden EU-Regelung einsetzen. Das Scheitern des deutschen Lieferkettengesetz-Prozesses wäre daher ein fatales Signal: Deutschland würde damit seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen, konstruktiv an einer europäischen Lösung mitzuarbeiten.