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Rat der EU beschließt Militärhilfe für Mosambik

In Mosambik bekämpfen sich islamistische Milizen und eine Regierung, die von ausländischen Söldnern unterstützt wird. Das Resultat: eine humanitäre Katastrophe. Die EU will nun mit einer Ausbildungsmission Militärhilfe leisten. Kirchliche Hilfswerke befürchten, dass internationale militärische Einmischung weitere Gewalteskalation fördert, statt die Region zu befrieden. Sie fordern Alternativen.

 

Von Dr. Martina Fischer am
Auswärtiger Dienst der EU, Brüssel

Auswärtiger Dienst der EU, Brüssel

In der Provinz Cabo Delgado im Norden von Mosambik kam es 2017 zu einem Aufstand. Seither versuchen dort sogenannte islamistische Milizen Städte und Siedlungen unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Regierung begegnete dem unter anderem mit dem Einsatz internationaler Söldner und privater „Sicherheitsfirmen“ aus Russland und Südafrika, konnte die Gewalt jedoch kaum eindämmen. Zwischenzeitlich beschloss die südafrikanische Staatengemeinschaft (SADC) die Entsendung von Truppen nach Mosambik und auch die USA, Frankreich und Ruanda boten militärische Hilfe an. Die SADC schmiedete Pläne für eine gemeinsame militärische Eingreiftruppe, um eine Ausweitung der Gewalt in angrenzende Länder zu unterbinden, und empfahl, der mosambikanischen Armee umgehend mindestens 3.000 Ausbilder für militärische Trainingszwecke zur Verfügung zu stellen. Schon 2020 bemühte sich die Regierung der ehemals portugiesischen Kolonie bei der EU um Militärhilfe und traf damit sowohl bei der von Portugal geführten Ratspräsidentschaft als auch beim EU-Außenbeauftragten Josep Borrell auf offene Ohren. Portugal bot an, die Hälfte des Kontingents zu stellen und schuf Fakten, indem es rasch mit der Entsendung militärischen Personals begann. Zudem machte sich der französische Präsident Emanuel Macron für eine EU-Militärmission stark, nachdem im März 2021 ein größerer Angriff auf die Stadt Palma ein 20 Milliarden Euro schweres Gasförderprogramm des französischen Erdöl-Giganten „Total“ gefährdete. Der Konzern setzte alle Operationen in Cabo Delgado aus und erklärte, diese erst wieder aufzunehmen, wenn Sicherheit hergestellt sei.

EUTM-Mosambik – die neue Mission im Rahmen der GSVP

In einem Schreiben vom 3. Juni 2021 bat der Präsident von Mosambik, Filipe Nyusi, die EU offiziell um Unterstützung und begrüßte die Entsendung einer militärischen Ausbildungsmission der EU „ohne Exekutivbefugnisse“ im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Dem Wunsch hat der Rat der EU-Außenminister mit seiner heutigen Entscheidung schließlich entsprochen. Das Mandat dieser weiteren EU-Mission in Mosambik (im Sahelstaat Mali unterhält sie eine ganz ähnliche Mission) soll sich zunächst auf zwei Jahre erstrecken. Sie ziele darauf, „den Aufbau von Kapazitäten derjenigen Einheiten der mosambikanischen Streitkräfte zu unterstützen, die Teil einer künftigen schnellen Eingreiftruppe sein werden“, so hieß es in der heutigen Pressemitteilung. Konkret bedeute dies, „dass eine militärische Ausbildung bereitgestellt wird, die operative Vorbereitung, spezielle Schulungen zur Terrorismusbekämpfung sowie Ausbildung und Schulungen zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechtsnormen beinhaltet.“ Befehlshaber der Mission EUTM-Mosambik wird Vizeadmiral Hervé Bléjean, Direktor des Militärischen Planungs- und Durchführungsstabs (MPCC). Der portugiesische Brigadegeneral Nuno Lemos Pires soll vor Ort als Befehlshaber der Streitkräfte fungieren. Die Presseabteilung der EU bezeichnet die neue GSVP-Mission als „eines der Instrumente des integrierten Ansatzes der EU zur Bewältigung der Krise in Cabo Delgado (…) in Verbindung mit der Unterstützung der Friedenskonsolidierung, der Konfliktverhütung und der Unterstützung des Dialogs, der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit sowie der Förderung der Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit.“ Welche Aktivitäten in diesen Feldern konkret geplant sind, wird leider nicht genauer ausgeführt. Auch über die Frage der Finanzierung wird nicht viel gesagt. Es ist naheliegend, dass die Mittel für den Einsatz über die von den Mitgliedstaaten erst kürzlich etablierte sogenannte „Friedensfazilität“ (European Peace Facility) entnommen werden. Diese soll - anders, als ihr Name suggeriert - vorrangig Militärhilfe in Drittstaaten unterstützen.

Kirchliche Hilfswerke für humanitäre und friedensfördernde Maßnahmen

Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass im Zuge der Gewalt in Cabo Delgado über 800.000 Menschen intern vertrieben wurden, darüber hinaus sind viele in angrenzende Länder geflüchtet. Das Welternährungsprogramm (WFP) fürchtet, dass fast eine Million Menschen infolge von Terror und Gewalt von Hunger bedroht sind. Auch EU-Institutionen schätzen, dass mindestens 1,3 Millionen Menschen in Cabo Delgado und den benachbarten Provinzen Niassa und Nampula humanitäre Soforthilfe und Schutz benötigen. Welche Schritte wären erforderlich, um einer humanitären Katastrophe entgegenzuwirken, die Gewalt im Norden einzudämmen und langfristig in dieser Region Frieden herzustellen? Sicher keine weiteren ausländischen Militärinterventionen, so fordern Brot für die Welt und Misereor. Die beiden kirchlichen Hilfswerke warnten am 30. Juni 2021 in einer <link pressemeldung>gemeinsamen Presseerklärung davor, dass ausländische militärische Einmischung die Situation noch weiter anheizen und eskalieren könnte. Die Leiter*innen der Afrikaabteilungen Helle Dossing (Brot für die Welt) und Peter Meiwald (Misereor) forderten, dass internationale Akteure die Ursachen der Gewalt im Norden Mosambiks genauer analysieren und die Probleme mit anderen Instrumenten angehen müssten. Partnerorganisationen in dieser an Gas- und Kohlevorkommen reichen Region beklagten seit langem die extreme Armut und systematische Benachteiligung ganzer Bevölkerungsgruppen seit der Kolonialzeit. Hinzu kämen Interessenkonflikte zwischen lokalen, regionalen und internationalen Akteuren, sowie mit internationalen Gaskonzernen. All das bilde einen Nährboden für die Ausbreitung islamistischer Gruppen. Diese erhielten vor allem von jungen Menschen Zulauf, die aufgrund von Armut, mangelnder Bildung und fehlenden Perspektiven in den bewaffneten Kampf ziehen. Die Menschen in Cabo Delgado benötigten Hilfe und Alternativen, mit noch mehr Militär werde die Situation womöglich noch aussichtsloser. Misereor und Brot für die Welt appellierten an die Bundesregierung, Portugal und Frankreich von ihren Interventionsplänen abzubringen, weil sie eine Verschlechterung der Situation für ihre Partner und die betroffene Bevölkerung befürchten. Sie sehen zudem ein großes Risiko darin, dass sich die Bundesregierung Frankreich und Portugal zuliebe auf eine höchst ungewisse Mission einlässt, ohne dass eine fundierte Konfliktanalyse erstellt wurde, und ohne dass dies im EU-Parlament oder im deutschen Bundestag diskutiert wurde. Das Bundesverteidigungsministerium ließ indes verlauten, man wolle keine eigenen Ausbilder entsenden, sondern sich auf die EU-Mission in Mali konzentrieren. Welchen Umfang der Einsatz in Mosambik haben wird und wer sich beteiligt, soll auf einer Truppenstellerkonferenz ermittelt werden.

Unübersichtliches Terrain

Erst kürzlich machte das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI in einem warnenden Blogbeitrag auf die Risiken eines militärischen EU-Einsatzes in Mosambik aufmerksam, insbesondere dann, wenn er mit Ausrüstung und Waffenlieferungen verbunden würde. Weiterer Rüstungstransfer könne dazu beitragen, Gewaltkonflikte in Subsahara-Afrika zu verlängern und anzuheizen. Dies habe sich schon in Mali und Burkina Faso gezeigt. Berichte von Amnesty International zu Mosambik hätten belegt, dass neben der islamistischen Gruppe Ansar al Sunnah auch die von der Regierung befehligten Streitkräfte und Söldergruppen Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hätten. Mit weiterem Rüstungstransfer wachse die Gefahr, dass diese zunähmen. Zudem, so argumentiert SIPRI, müsse man zur Kenntnis nehmen, dass massive Korruption seitens der Regierung, Verarmung und Ungerechtigkeit wichtigere Faktoren für die Aufstände im Lande gewesen seien, als dschihadistische Ideologie.

In der Tat begibt sich die EU in Mosambik auf extrem unüberschaubares Terrain. Es wird berichtet, dass neben der portugiesischen Ausbildungsmission bereits Angehörige der US-Marines, Militär aus Ruanda, Südafrika, Simbabwe und anderen SADC-Mitgliedsländern schon vor Ort oder nach Mosambik unterwegs sei. Das alles erinnert stark an die Situation in der Sahelregion, wo sich trotz jahrelanger, massiver internationaler Militärpräsenz die Lage für die Menschen in der Region heute nicht wesentlich sicherer, sondern vielerorts noch gefährlicher darstellt. Daher bemerkte ein Partner von Brot für die Welt aus dem Sahel kürzlich in einer entwicklungspolitischen Fachkonferenz mit Blick auf die EU-Politik, erfolgreiches Engagement in der Region hänge nicht von der Anzahl getöteter  „Terroristen“ ab, sondern davon, wie viele junge Menschen berufliche und ökonomische Lebensperspektiven erhielten. Es ist offen, welche Schlussfolgerungen die EU-Institutionen aus der Erfahrung im Sahel ziehen und in welches Gesamtszenario die nun beschlossene Trainingsmission für Mosambik eingebettet sein wird. Offene Fragen ergeben sich auch mit Bezug auf die Finanzierung, denn bislang ist unklar, ob die EU gegebenenfalls auch für die Aktivitäten der Truppen aus den anderen afrikanischen Ländern zur Kasse gebeten wird. Mit Recht fordern Friedensorganisationen, dass nicht nur internationale Kampfeinsätze, sondern auch Missionen, die die Ausbildung und Ausrüstung von Gewaltapparaten zum Ziel haben, nur auf der Grundlage parlamentarischer Debatten und Abstimmungen erfolgen sollten. Hier tut sich auf EU-Ebene inzwischen eine große Grauzone auf.

Militärmissionen in Drittstaaten – ein zunehmendes Demokratiedefizit

Missionen, die durch die sogenannte „EU-Peace-Facility“ finanziert werden, sind der Mitbestimmung und Kontrolle des EU-Parlaments (EP) entzogen, da es sich bei diesem neuen Finanzierungsmechanismus nicht um Mittel aus dem EU-Gemeinschaftshaushalt, sondern um freiwillige zusätzliche Beiträge der Mitgliedstaaten ("off-budget") handelt. Mehr als fünf Milliarden Euro wollen diese für Militärhilfemaßnahmen in den kommenden sieben Jahren bereitstellen. Rüstungskontrollexpert*innen bezeichneten dieses Instrument, mit dem - anders als aus dem gemeinsamen Haushalt - auch Waffen und Munition in Drittstaaten transferiert werden können, als „Paradigmenwechsel“ in der EU-Politik. In der Tat geht es hier nicht nur um eine neue außenpolitische Richtungsentscheidung (für Waffentransfer mit EU-Siegel), sondern auch um eine neue Qualität von Grauzone im Hinblick auf die demokratische Kontrolle von Außenpolitik. Das Parlament hatte im Vorfeld einen Katalog mit Empfehlungen veröffentlicht und auf Mitsprache in dieser sensiblen Angelegenheit gedrängt, musste sich jedoch mit einem flüchtigen Briefing begnügen. Es wird folglich auch in Zukunft keine Kontrollrechte mit Bezug auf Militärkooperationen ausüben können. Dass auf die Expertise des EP bei solch grundlegenden sicherheitspolitischen Entscheidungen keinen Wert gelegt wird, ist extrem bedauerlich. Zwar sind auch in dieser Institution Entscheidungen für zivile friedenspolitische Alternativen keineswegs vorprogrammiert, aber die EP-Abgeordneten haben in den vergangenen Jahren doch eine Reihe von wichtigen Resolutionen zur Eindämmung von Rüstungsexporten, für Gewaltprävention und Friedensmediation mehrheitlich beschlossen. Angesichts der in Mosambik drohenden Zuspitzung und menschlichen Katastrophe wäre es dringend erforderlich, dass EU-Politiker*innen kritische Fragen zu den Zielen, dem Zuschnitt und der Finanzierung der dort geplanten Operation stellen, da die Risiken letztlich unabhängig von den aktiv an Personalentsendungen beteiligten Ländern die EU insgesamt betreffen. Und es wäre wichtig, sich über Alternativen austauschen. Dazu gehören, zum ersten: eine umfassende Analyse der Konfliktursachen in Cabo Delgado, die Landrechtsfragen einbezieht, und eine genaue Untersuchung der Konfliktbeteiligten und der Gewaltdynamik; zum zweiten: Mediationsangebote unter Einbeziehung aller Konfliktbeteiligten, zum dritten: Unterstützung von guter Regierungsführung und Unterbindung von Korruption, und zum vierten: Unterstützung von Zivilgesellschaft in Mosambik, sowie die Abwicklung von humanitärer Hilfe über internationale NGOs und deren Partner, statt über die mosambikanische Regierung. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Unterstützung wirklich bei den Bedürftigen ankommt.

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