Im März des vergangenen Jahres sagte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Die heutige Strategie für Afrika ist der Fahrplan, um voranzukommen und unsere Partnerschaft auf die nächste Stufe zu bringen. Afrika ist der natürliche Partner und Nachbar der Europäischen Union. Gemeinsam können wir eine wohlhabendere, friedlichere und nachhaltigere Zukunft für alle aufbauen.“ Bislang kann von so einer gemeinsamen Zukunft allerdings keine Rede sein.
Mit zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen hat Brot für die Welt drei Fallstudien herausgegeben. Sie zeigen: Viele zivilgesellschaftliche Organisationen und Gruppen, die Kleinbäuer:innen und Viehzüchter:innen und lokale Gemeinschaften in Afrika vertreten, melden im Zusammenhang mit aus Europa organisierten und finanzierten Wirtschaftsprojekten und damit verbundenem Landerwerb immer wieder Menschenrechtsverletzungen und Konflikte. Für den EU-Afrika-Gipfel im Jahr 2022 muss deshalb das Ziel sein, die Themen gute Landverwaltung, Landrechte und Vermeidung von gewaltsamen Ressourcenkonflikten auf die Agenda zu setzen.
Sprunghafter Anstieg von Landerwerb
Die Nachfrage nach Land und natürlichen Ressourcen hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich ausgeweitet – etwa wegen der Lebensmittelpreiskrise von 2008 und daraus resultierenden Bodenspekulationen. Dies führte zu einem sprunghaften Anstieg des groß angelegten Landerwerbs (LSLA), der oft als „Land Grabbing“ bezeichnet wird. Seit Anfang 2000 wurden laut der unabhängigen „Land Matrix Initiative“ über 25 Millionen Hektar Land in Afrika erworben.
Das Land wird zwar meist von privaten Akteuren erworben. Sie werden dabei aber von Regierungen gefördert und finanziell unterstützt. Regierungen im globalen Süden bauen Hindernisse für Landtransfers ab. Regierungen im globalen Norden finanzieren diese Landgeschäfte über ihre Entwicklungsbanken. Viele LSLAs sind mit Menschenrechtsverletzungen und Konflikten einhergegangen, wie auch der Fall der „Addax & Oryx Group“ (AOG) in Sierra Leone zeigt.
Unternehmen und Entwicklungsbanken machen gemeinsame Sache
Das Schweizer Unternehmen AOG investierte 500 Millionen Euro in das Makeni-Projekt in der Republik Sierra Leone, das dann von „Addax Bioenergy Sierra Leone Ltd“ (ABSL) betrieben wurde. Das Projekt, eine Zuckerrohrplantage, eine Ethanolraffinerie und ein Biomassekraftwerk, wurde teilweise von AOG und von sieben europäischen und afrikanischen Entwicklungsbanken (Development Finance Institutions/DFI) finanziert. Nachdem 2015 die Produktion massiv zurück gefahren wurde, gab ABSL 2016 bekannt, aus dem Projekt auszusteigen. Das Land wurde danach weitergegeben an Sunbird Bioenergy Africa Ltd mit Sitz auf Mauritius, und 2018 erneut an einen neuen Investor Brown’s Investment PLC aus Sri Lanka. „Was passiert mit unserem Land, nun, da Addax fort ist?“, fragten die Bewohner:innen der Makeni-Region.
Mit der Studie „The Weakest should not bear the Risk“ wiesen wir auf das Scheitern des Großprojekts und die Mit-Verantwortung der Entwicklungsbanken und Regierungen hin. Die Menschen, die vor der LSLA ihren Lebensunterhalt und die Ernährung ihrer Familien mit dem Land sicherten, beklagen, dass sowohl ihre Landrechte als auch ihr Mitspracherecht missachtet wurden. Bei den Rodungsmaßnahmen zu Beginn des Projektes wurden Wasserquellen zerstört und der Fluss verunreinigt, so dass viele Menschen kein sauberes Trinkwasser mehr haben. Pachtzahlungen für das Land und Entschädigungen für gerodete Ölpalmen oder Mangobäume entsprächen nicht dem tatsächlichen Wert, den die langfristige Nutzung für die Familien hat. Darüber hinaus beklagen die Menschen immer wieder, dass die Pachtzahlungen nur unregelmäßig und häufig verspätet gezahlt werden. Viele Bewohner:innen sind nach Ende des Großprojekts arbeitslos geworden, Frustration und Perspektivlosigkeit u.a. haben zu einer Zunahme häuslicher Gewalt beigetragen. Wer trägt nun die Verantwortung für Folgeschäden und sorgt für Kompensation?
Massive Folgen für die Menschen
Unsere Partnerorganisation vor Ort, das „Sierra Leone Network on the Right to Food“, hat immer wieder auf Versäumnisse hingewiesen und Vorschläge erarbeitet, wie Menschenrechtsverletzungen und Gewalt vermieden werden können. Aber die Forderungen von Zivilgesellschaft und Bewohner:innen wurden kaum erfüllt. Auch heute, fünf Jahre später und mit dem bereits zweiten neuen Investor, ist immer noch nicht klar, was mit den Landflächen geschieht.
Eine der Lehren aus diesem Fall ist, dass Unternehmen, Investoren, Banken und Regierungen neben ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten auch dem Konfliktkontext viel mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Die „UN Working Group on Business and Human Rights“ hat dazu in ihrem 2020 veröffentlichten Bericht zu Wirtschaft und Menschenrechten in fragilen Situationen und Konflikten aufgerufen. Dazu gehört auch, frühzeitige und verantwortungsvolle Ausstiegsstrategien zu entwickeln, durch die das Unternehmen und seine Unterstützer die betroffenen Gemeinden zumindest für den Schaden und die negativen Folgen entschädigen.
Das Großprojekt in Sierra Leone wurde bis 2015 von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft/DEG mit einem Kredit unterstützt. Doch seit das damalige Unternehmen ABSL seine Kredite vollständig zurückgezahlt hat, sehen sich die Entwicklungsbanken nicht mehr in der Verantwortung, entstandene Schäden für die örtliche Bevölkerung zu kompensieren.
Wir sehen das anders und fordern von den Entwicklungsbanken und der deutschen Bundesregierung, dass sie sich für die Kompensation von Folgeschäden der von ihnen geförderten Projekte verantwortlich zeigen. Dazu gehört auch, dass Mittel für nachhaltige Entwicklung in den betroffenen Regionen zur Verfügung gestellt werden.
Und wir fordern, dass künftig mehr auf menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und die Vermeidung von konfliktverschärfenden Maßnahmen geachtet wird. Ferner sollte zukünftig Großprojekten die Unterstützung entzogen werden, die großflächige Landinvestitionen beinhalten.