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„Wir können etwas gegen den Klimawandel tun“

Dr. Eckart von Hirschhausen ist seit mehr als 20 Jahren als Bühnenkünstler, Moderator und Autor erfolgreich. Mit seiner Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ engagiert er sich für eine medizinisch und wissenschaftlich fundierte Klimapolitik. Im Interview verrät er, was ihn dazu gebracht hat, was ihm Hoffnung macht und warum er die Arbeit von Brot für die Welt unterstützt.

Von Thorsten Lichtblau am
Eckhart von Hirschhausen bei einer Fridays-for- Future-Demonstration in Berlin

Eckhart von Hirschhausen bei einer Fridays-for-Future-Demonstration im September 2019 in Berlin

Herr Hirschhausen, manche bezweifeln den menschengemachten Klimawandel ja noch immer. Haben Sie dafür Verständnis?

Nein. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Es ist wahnsinnig anstrengend, mit Klimaleugnern zu diskutieren. Aber es ist drin­gend nötig, immer wieder zu beto­nen: Der Klimawandel ist real und menschengemacht. Und deshalb können und müssen wir Menschen etwas dagegen tun.

Wie dramatisch schätzen Sie die Lage ein?

Nach den drastischen Bildern der Flutkatastrophe im Sommer ist hoffentlich jedem klar: Wir müs­sen nicht aus Mitleid mit Eisbären das Klima retten ‒ wir müssen uns Menschen retten. Die Klimakrise ist die größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert ‒ mit Hitzeto­ten, Extremwetterereignissen und auch neuen Infektionskrankheiten. Wir sind die erste Generation, die hautnah miterlebt, wie instabil das Erdsystem wird. Und die letzte, die verhindern kann, dass weitere Kipppunkte überschritten wer­den. Wer jetzt noch ein „Weiter so“ für einen gangbaren Weg hält, hat wirklich den Schuss nicht gehört.

Können wir der Folgen des Klimawandels noch Herr werden?

Die nächsten zehn Jahre wer­den darüber entscheiden, wie die nächsten 10.000 Jahre für unsere Zivilisation werden. Deswegen müssen wir schnell handeln ‒ und zwar nicht jeder für sich allein, sondern überregional, europäisch und global. Es ist naiv zu glauben, wir würden in den nächsten Jah­ren eine Zaubermaschine erfinden, die das CO2 verschwinden lässt. Viel wichtiger ist es, endlich mit der dreckigen und teuren Kohle­verstromung aufzuhören, denn die Atmosphäre ist eben nicht eine unendliche Müllhalde für Treib­hausgase, sondern eine sehr dünne und empfindliche Haut der Erde. Und diese Schutzschicht macht den Unterschied, ob wir auf der Erde leben können oder nicht.

Gab es für Sie persönlich einen Moment, als Sie gedacht haben: So kann es nicht weitergehen. Ich muss selbst aktiv werden?

Es mag pathetisch klingen, aber eine Frau hat mein Leben verän­dert: Jane Goodall. Sie ist mit über 85 Jahren immer noch unermüdlich unterwegs in ihrer Herzensangele­genheit: das Überleben von Men­schen und Tieren zu sichern. Bei einem Interview stellte sie mir die Frage, die mein Leben veränderte: „Wie kann es sein, dass die schlau­este Kreatur, die jemals auf diesem Planeten gewandelt ist, dabei ist, ihr eigenes Zuhause zu zerstören?“ Das war der Startschuss für meine Reise auf der Suche nach guten Antworten und mein aktuelles Buch „Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben…“ ist so etwas wie das Fahrtenbuch.

Darin geht es um die Folgen des Klimawandels für unsere Gesundheit. Kurz zusammengefasst: Worin bestehen die?

Wenn das kurz ginge, hätte ich ja nicht 521 Seiten schreiben müs­sen! Ich habe die Buchkapitel nach Körperfunktionen gegliedert. Das wirkt ungewöhnlich, macht aber Sinn, da ich mich als Arzt am bes­ten mit dem Körper auskenne. Weil jeder von uns atmen, trinken, essen und schwitzen aus eige­ner Anschauung kennt. Und weil Feinstaub das Atmen, Mikroplas­tik das Trinken, industrielle Land­wirtschaft das Essen und Hitze die Temperaturregulation massiv beeinträchtigen. Wer meint, dass die Wirtschaft wichtiger ist als die Gesundheit, kann ja mal versu­chen, beim Geldzählen eine Weile lang die Luft anzuhalten!

Der Klimawandel stellt auch die drängende Frage nach der globalen Gerechtigkeit. Was empfinden Sie als besonders ungerecht?

Der Klimawandel bremst die Fort­schritte der wirtschaftlichen Ent­wicklung zusehends aus. For­scher:innen haben ermittelt, dass die Kluft zwischen armen und rei­chen Ländern heute um ca. 25 Pro­zent größer ist, als sie es ohne die Erderwärmung wäre. Das Brutto­inlandsprodukt geht in den ärms­ten Ländern der Welt nach vielen Jahren der positiven Entwicklung wieder zurück. Der Welthunger­-Index, der die Ernährungslage in 107 Ländern berechnet, zeigt: 14 Länder weisen heute höhere Hungerwerte auf als noch 2012. Die Schätzungen, wie viele Men­schen dort, wo sie leben, nicht bleiben können und zur Flucht gezwungen sind, reicht von 140 Millionen bis zu 400 Millionen bis zum Jahr 2050. Klimaschutz, globale Gesundheit und Gerechtig­keit gehören zusammen.

Was möchten Sie unseren Spenderinnen und Spendern mit auf den Weg geben?

Jedes Zehntel Grad zählt! Jede vermie­dene Tonne CO2. Jede Stimme, die sich erhebt. Und jede Spende. Es ist nicht einfach, optimistisch zu bleiben, aber zwei Punkte geben mir Anlass zu Hoffnung: Erstens: Wir können noch etwas ändern, bevor globale Kipppunkte erreicht werden. Und zweitens: Wir sind viele. Das Thema ist im öffentlichen Bewusstsein ange­kommen. Jugendliche gehen mit „Fridays for Future“ auf die Straße, Eltern und Großeltern unterstützen sie. Und auch die Politik kommt an dem Thema nicht mehr vorbei. Wenn ich mir jetzt noch ein Drittens wün­schen dürfte: dass die ganze Diskus­sion mit ein bisschen Humor geführt wird, damit das Ganze nicht so ver­biestert rüberkommt. Ich liebe die Plakate mit Augenzwinkern: „Kurz­streckenflüge nur für Insekten“, „Wozu Bildung, wenn keiner auf die Wissenschaft hört?“ oder „Klima ist wie Bier ‒ zu warm ist doof!“

Sie unterstützen auch immer wieder die Arbeit von Brot für die Welt. Was treibt Sie dabei an?

Für mich ist die Klimakrise auch eine spirituelle Krise, und die Kirchen und konfessionelle Einrichtungen könnten mehr als bisher Teil der Lösung sein. Denn: Wir haben eine positive Vision zu bieten! Die Abkehr von einem mate­rialistischen Weltbild braucht eine positive Vision. Diese visionäre Kraft im Glauben gilt es wieder freizulegen und spürbar zu machen. Momentan kommen Veränderungsprozesse in die Sackgasse, weil Menschen zuallererst ihren Nachteil, ihren Verlust, ihren „Verzicht“ im Fokus haben. Die Dis­kussion wird von Katastrophendenken auf der einen Seite und der Angst vor einer „Ökodiktatur“ auf der anderen bestimmt. Wo wir Christen einen echten Dienst tun können: mehr über die Welt zu reden, in der wir leben wollen, eine positive Vision eines gerechten, solidarischen und friedlichen Mitein­anders ins Zentrum zu stellen.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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