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EE: Gemeinsam profitieren statt Ausbeutung

Tank und Steckdose statt Trog: Viele große Weideregionen weltweit sollen als Flächen für erneuerbare Energien genutzt werden. Wie profitieren auch Hirtenvölker vom Hunger nach erneuerbaren Energien?

Von Jaime Fernández Medina am
Herd und Windpark

Hirten mit ihren Herden in Vietnam

Welche Risiken existieren für Hirtenvölker bei Großprojekten für erneuerbare Energien? Was kann unternommen werden, um diese Risiken zu minimieren und wie können Hirten an der Entwicklung von Großprojekte einbezogen werden? Damit beschäftigt sich die jetzt erschienene Studie „Pastoralismus und Großprojekte für erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff“ von Brot für die Welt und der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie untersucht Fälle von Pastoralist*innen-Gemeinschaften in sieben Ländern und wertet vorhandene Veröffentlichungen aus.

Kernaussage der Analyse ist, dass Großprojekte für erneuerbare Energien immer partizipativ gestaltet werden müssen, um Menschenrechte zu schützen und einen beiderseitigen Nutzen für die lokalen Gemeinschaften und die Gesellschaft insgesamt zu gewährleisten. Um die Klimaziele von Paris auch angesichts des weltweiten Energiehungers und der zunehmenden Knappheit unter anderem durch den Ukrainekrieg einzuhalten, werden solche Großprojekte mit erneuerbaren Energien in Zukunft zunehmen. Unsere Publikation will Hirtenvölker sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Regionen darauf vorbereiten, welche Folgen solche Projekte für sie haben und wie sie ihre Beteiligung einbringen können. Die Studie richtet sich auch an Entscheidungsträger*innen und zeigt, wie globale Politik und Zusammenarbeit so organisiert werden können, dass Großprojekte von erneuerbaren Energien keinen Schaden anrichten.

Wasserstoff auf dem Vormarsch

Aktuell beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien an den weltweit neuen Stromerzeugungskapazitäten etwa 80 Prozent. Und erneuerbare Energien sind zurzeit weltweit die preiswerteste Energieform. Die Kosten der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sind bereits stark gesunken – und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. In dem Prozess unser auf Kohlenstoff basierendes Energiesystem durch ein auf erneuerbare Energien basierendes System zu ersetzen, gewinnt erneuerbarer Wasserstoff immer mehr an Bedeutung. Denn mit Hilfe von Wasserstoff lassen sich Anwendungen dekarbonisieren, die nicht direkt elektrifiziert werden können, zum Beispiel Teile der Chemieindustrie, der Stahlindustrie und des Flug- und Schiffsverkehrs. Doch die Wasserstoff-Herstellung ist ineffizient, weil dabei viel Energie verloren geht. Die direkte Stromnutzung ist immer besser.

Der aktuelle Wasserstoff-Hype entspringt dem viel zu hohen Energiebedarf in Deutschland, der Europäischen Union und anderen Industriestaaten. Um diesen Bedarf zu decken, hat eine weltweite Suche nach den besten Standorten für die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff begonnen. Dabei müssten Industrieländer wie Deutschland sich zunächst erstmal selbst verändern, indem sie ihren Energiebedarf senken sowie die industrielle Struktur anpassen. Darin liegen große Risiken und Chancen für die Länder des globalen Südens.

Jetzt ist der Süden dran!

Das Potenzial einiger Regionen in Länder des globalen Südens, zum Beispiel der Sahara-Wüste in Nordafrika, wird dank ihres trockenen Klimas und ihrer riesigen Flächen seit langem angepriesen. Vor allem die Europäer*innen sehen in diesen Regionen seit Jahren eine Quelle für Solar- und Windenergie, die einen Teil des europäischen Energiebedarfs decken könnte. Hier wollen sie auch Wasserstoff produzieren und nach Deutschland exportieren. Doch das darf nicht auf Kosten des globalen Südens gehen: Die europäischen Staaten müssen die lokalen Bedürfnisse und Notwendigkeiten achten, weitere Teile der Wertschöpfung in den Süden verlagern und strikte Nachhaltigkeitskriterien von Anfang an umsetzen.

Landnahme und der Mythos vom „ungenutzten Land“

Der steigende Bedarf an Flächen dafür stellt besonders für Hirten eine große Gefahr dar, Vieh- und Weideland sowie Wasserstellen zu verlieren. In vielen Ländern machen Pastoralist*innen, die von ihren Viehherden leben, einen großen Teil der ländlichen Bevölkerung aus. Ihre ausgedehnten Weidegründe sind verlockend für Inverstor*innen, die Großprojekte für erneuerbare Energien anlegen. Das könnte für die Viehhirten bedeuten, dass sie nur noch einen eingeschränkten Zugang zu Wasser oder Land haben und zunehmend marginalisiert werden. Um das zu verhindern, empfehlen die Autor*innen der der Studie:

Regierungen:

  • Ausarbeitung nationaler Strategien zur Konsultation aller lokalen Landnutzer, wenn der Ausbau erneuerbarer Energien geplant ist.
  • Entwicklung von länderspezifischen Rahmenwerken zur Festlegung von Parametern für den gerechten Vorteilsausgleich bei Großprojekten zu erneuerbare Energien.
  • Sicherstellung, dass Pastoralist*innen bei Verhandlungen mit Projektentwicklern rechtlich unterstützt werden und Zugang zu unabhängiger Konfliktmediation haben.
  • Förderung nachhaltiger Landnutzung mit Agroforst-Systemen und Energieprojekten.

Investoren:

  • Sicherstellung der Durchführung von Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen und der Einhaltung aller erforderlichen sozialen und ökologischen Schutzmaßnahmen sowie eines wirksamen Rechtsschutzes.
  • Kontinuierliches Monitoring der Umsetzung der bestehenden Standards und Kodexe, einschließlich der Leitlinien für Menschenrechte und Landrechte in den Projekten.

Energieunternehmen:

  • Umsetzung bestehender internationaler und nationaler Unternehmensstandards und Verhaltenskodexe.
  • Vergegenwärtigung der Projektrisiken und -kosten, wenn die Menschenrechte nicht respektiert werden.
  • Kenntnis der bestehenden Formen der Landnutzung durch mehrere Gemeinschaften mit vielschichtigen Landnutzungsrechten, auch saisonal.
  • Frühzeitige Einbindung der lokalen Landnutzungsgemeinschaften in den Projektprozess.
  • Gemeinsame Prüfung der Mehrzwecknutzung von Land, einschließlich der Erzeugung erneuerbarer Energie.

Zivilgesellschaft und Forschung:

  • Schutz der Rechte der Hirtenvölker.
  • Unterstützung beim Sammeln von Informationen, um die Verhandlungsposition der Pastoralist*innen zu stärken.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

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