Als die Bundesregierung zu Beginn des Jahres ihre Schwerpunkte für die G7-Präsidentschaft formulierte, zählte der drohende Welthunger nicht dazu. Die Welt scheint sich daran zu gewöhnen, dass fast eine Milliarde Menschen chronisch unterernährt sind und Hunger leiden. 830 Millionen Menschen waren es 2021 und ihre Zahl nimmt jährlich zu. Besonders durch die Corona-Pandemie sind die Preise für Energie und damit auch für Lebensmittel schon vor dem Ukrainekrieg stark angestiegen. Vielen Ländern des globalen Südens fehlen die Mittel, um Nahrungsmittelpreise in ihrem Land staatlich zu stützen, da die Pandemie bereits viele Sonderausgaben verursacht.
Mit den aktuellen Krisen und Konflikten steigt laut Bericht des Welternährungsprogramms (WFP) nun auch die Zahl der akut hungernden Menschen auf 240 Millionen. Sie sind auf Nahrungsmittelrationen von Hilfsorganisationen wie dem WFP angewiesen. Doch das wird immer schwieriger angesichts der enormen Preise für Weizen und andere Nahrungsmittel.
Hunger als Waffe und Spekulationsobjekt
Manche Staaten im globalen Süden, die selbst Getreide anbauen, halten ihre Ernten zurück. Sie wollen ihre eigene Bevölkerung vor Mangel im eigenen Land schützen. Statt sie aufzufordern, ihren Weizen auf den Weltmarkt zu bringen, sollten die G7-Staaten einspringen, die zusammen ein Viertel der weltweiten Gesamternte an Weizen erbringen.
Sie können ihre anstehenden Weizenernten für Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten reservieren, die von den Importen aus Russland und der Ukraine abhängig sind. Das würde es Russland erschweren, Hunger als Druckmittel zu nutzen, sowie Spekulation auf Getreidebörsen verringern und den hohen Weizenpreis dämpfen. Bisher aber verfüttern Deutschland, Frankreich und Kanada lieber die Hälfte ihres Weizens oder machen daraus Sprit.
Keine Bekämpfung der Ursachen
In regelmäßiger Wiederholung wird auf den G7-Gipfeln jeweils eine neue Initiative zur Hungerbekämpfung beschlossen. Doch das passiert wenig überzeugend: So sind die dafür zur Verfügung gestellten Millionen Dollar meist schon längst verplante Mittel, die nur neu verpackt werden. Auch für den diesjährigen Gipfel plant Deutschland wieder einmal eine neue Initiative gegen den Hunger. Doch wie auch die 12. Ministertagung der WTO gerade zeigte, sind es vor allem die großen Agrarexportländer, die verhindern, dass die Hunger-Ursachen wie steigende Energiepreise oder der Wegfall großer Ernten durch die Klimakrise angegangen werden.
EU und USA müssten die Länder des Südens unterstützen, landwirtschaftliche Vielfalt zu fördern und ihre Märkte durch Außenschutz für ihre Kleinbäuer:innen offenzuhalten, statt sie durch hohe Subventionen und Agrarchemie abhängig von ihren Importen zu machen. Die G7 müssten das vorantreiben, was sie selbst in den letzten zwölf Jahren im Welternährungsrat (CFS) mitentwickelt haben: den Umbau der globalen Ernährungssysteme. Dazu gehört, die Abhängigkeit von globalen Lieferketten im Ernährungsbereich zu beenden. G7 und Bundesregierung dürfen die „grüne Revolution“ in Afrika nicht mehr fördern, weil sie Landwirt:innen von Betriebsmitteln wie Saatgut, Dünger und Pestiziden abhängig macht.
Hilfe in der akuten Hungerkrise
Weil aktuell die Zahl der Hungernden so hoch ist und noch weiter steigt, braucht es auch kurzfristige Nothilfe. Das Welternährungsprogramm braucht dafür die Freigabe von Weizenreserven, ohne dass die eigene Ernährungssicherung von Staaten gefährdet wird. Das betont auch die WTO-Ministertagung. Ein wesentlicher Beitrag dazu wäre es, wenn die G7-Staaten endlich weniger Fleisch produzieren und die Beimischungsquoten in Treibstoffe senken.
Um ihre Bürger:innen vor Hunger und extremer Armut zu schützen, brauchen die Länder des globalen Südens tragfähige soziale Sicherungssysteme. Damit sie diese finanzieren können, sollten sich die G7-Staaten auf einen Schuldenerlass für überschuldete Staaten einigen. Es gibt viele Möglichkeiten für die G7-Staaten, den Hunger nachhaltig zu bekämpfen. Es ist Zeit, das auch wirklich zu tun.