Der 14. World Health Summit (WHS), der vom 16. bis 18. Oktober 2022 in Berlin stattfindet, steht unter dem Motto „Making the Choice for Health“. Die Themenliste verspricht eine bunte Vielfalt, darunter: Pandemievorsorge, Klimawandel und Gesundheit, digitale und nachhaltige Transformation der Gesundheitssysteme, One Health, Ernährungssicherheit und die Rolle Deutschlands, der G7- und der G20-Staaten in der globalen Gesundheitspolitik. Drei Tage lang debattieren über 300 Redner*innen in 60 Diskussionsrunden über neue Strategien. Erstmals veranstaltet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den WHS mit. Es bleibt spannend, ob sich die Veranstaltung in diesem Jahr damit von den vorherigen Gipfeln unterscheiden und auch der von zivilgesellschaftlichen Gruppen vorgebrachten Kritik begegnen wird.
Werden zivilgesellschaftliche Stimmen beim WHS 2022 zu hören sein?
Die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Stimmen bei der Diskussion globaler Gesundheitsherausforderungen, besonders aus dem Globalen Süden, ist unumstritten. Bei vergangenen World Health Summits waren diese jedoch zu wenig zu hören, was vielseitig moniert wurde. Entsprechend machten gleich nach dem Gipfel 2021 zivilgesellschaftliche Bündnisse wie VENRO und das Aktionsbündnis gegen Aids das konkrete Angebot an die Veranstalter des WHS 2022 in der Konzeption und Durchführung zu unterstützen und Bindeglied zu Organisationen aus dem Globalen Süden zu sein. Leider wurde dieses Angebot weder vom WHS noch der WHO angenommen. Die strategischen Partner*innen des WHS bleiben auch in diesem Jahr vor allem multinationale Pharmaunternehmen und philanthropische Stiftungen. Während zwar einige Regierungsvertreter*innen aus dem Globalen Süden auf den Podien vertreten sind, ist die Beteiligung der Zivilgesellschaft aus diesen Ländern weiterhin zu schwach. Im Vergleich dazu sind Vertreter*innen der medizinischen Industrie oder philanthropischer Stiftungen auf nahezu jedem Podium vertreten. Angesichts des eigenen Anspruchs des WHS eine Austauschplattform zu Globaler Gesundheit für Wissenschaft, Politik, Privatsektor und Zivilgesellschaft bieten zu wollen, reduziert die mangelnde Teilhabe zivilgesellschaftlicher Vertreter*innen aus dem Globalen Süden die integrative Qualität des Gipfels und lässt unausgeglichene Diskussionen vor Ort befürchten. Das ist besonders bedenklich, da die Konferenz in diesem Jahr gemeinsam mit der WHO durchgeführt wird, also keine private Veranstaltung mehr ist.
Geht der World Health Summit den Gesundheitsherausforderungen an die Wurzel?
Neben den Themenschwerpunkten One Health und Pandemiebereitschaft verspricht das Programm eine Reihe weiterer relevanter Themen. So sollen auch kontroverse Aspekte wie die Frage der globalen Gesundheitsfinanzierung beziehungsweise die Rolle von privaten Geldgeber*innen diskutiert werden. Spannend zu beobachten wird sein, wie sich die Mitveranstalter*innenschaft der WHO auswirkt: Wird sie eigene Schwerpunkte bei den Diskussionen hinsichtlich der globalen Gesundheits-Governance setzen oder sich bei diesen heiklen politischen Fragen eher zurückhaltend zeigen?
Wichtige Diskussionen zur Rolle von globaler Gesundheit für eine sozial-ökonomische Transformation hin zu einer gerechteren Welt stehen ebenfalls auf der Agenda. Werden dabei auch die langanhaltenden sozio-ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie bzw. deren Auswirkungen auf andere Gesundheitsbereiche in Ländern des Globalen Südens zur Sprache kommen?
Mit Veranstaltungen zur globalen Gesundheit in Zeiten von Krieg und Frieden, zur Ernährungssicherung sowie zum Nexus von Klimawandel und Gesundheit werden darüber hinaus sehr aktuelle Themen aufgegriffen. Auch die Rolle der Zivilgesellschaft in der globalen Gesundheitsarchitektur und bei der konkreten Zusammenarbeit mit der WHO soll in einer Diskussionsrunde behandelt werden – in Zeiten von kleiner werdenden Handlungsräumen für Aktivist*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen mehr als notwendig.
Aus der Themenvielfalt des diesjährigen WHS ergibt sich zudem ein natürlicher Anschlusspunkt für das übergreifende One Health Konzept. Das One Health-Konzept bringt Themen wie Krankheitsausbrüche, Ernährung und Landwirtschaft, Umwelt- und Klimaveränderungen sowie nationale und globale Gesundheitssysteme, -risiken und -steuerung in einem holistischen Konzept zusammen. Menschliche, tierische und ökosphärische Gesundheit wird als interdependent begriffen. Prävention wird dabei in den Vordergrund gestellt. Tatsächlich ist das One Health-Konzept auch stark im Programm des WHS vertreten. Es wird interessant sein zu beobachten, wie die programmatische Umsetzung des holistischen Ansatzes diskutiert wird.
Erwartungen
Der diesjährige WHS ist durch eine thematische Vielfalt geprägt. Er ermöglicht, die Interdependenzen zwischen den Ansätzen zur Überwindung globaler Gesundheitsprobleme und zur Verwirklichung des Rechts auf Gesundheit für alle zu behandeln. So geht es beispielsweise darum, Pandemievorsorge und Klimawandel nicht isoliert voneinander zu behandeln, und die strukturellen und sozio-ökonomischen Ursachen der Gesundheitsprobleme anzugehen. Ob das beim WHS 2022 besser als in den Vorjahren gelingt und welche Auswirkungen die mangelnde zivilgesellschaftliche Präsenz aus dem Globalen Süden auf die Debatten haben wird, bleibt abzuwarten.
Wichtige Themen für zivilgesellschaftliche Gruppen werden auch in diesem Jahr parallel zum WHS diskutiert, wie die Folgen der Abwerbung von Gesundheitspersonal aus dem Globalen Süden am 17.10. ab 12.30Uhr. Registrieren Sie sich hier.
Dieser Blog wurde im Rahmen des gemeinsamen Projektes "Gegen-Lobby für Zukunftsgerechtigkeit" von Global Policy Forum, Misereor und Brot für die Welt geschrieben. Die Haupt-Autor*innen sind Isabelle Schindler (GPF), Antonia Leeb (GPF) und Matthias Walz (Brot für die Welt).